Hilfe

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Die Würde eines Menschen ist unantastbar. Und wenn wir glauben, dass man uns unsere Würde nimmt, gehen wir falsch in der Annahme. Denn uns kann die Würde nicht genommen werden, wenn wir nicht wollen ...

Jetzt zu weinen, wäre eine Lüge und doch rann mir aus dem rechten Auge eine Träne. Ich war glücklich, so naiv es auch war. Eines jedoch hatte ich nicht bedacht, wenn ich jetzt nicht überlebe, hatte der Rächer und Brian genau so viele Chancen auf Freiheit wie ich eine Chance auf einen letzten Sonnenuntergang. Eine Entscheidung zu treffen, ohne darüber nachzudenken, was es für Konsequenzen haben könnte, war dumm. Und jetzt rieselten die Folgen meines Entscheids auf mich nieder wie ein langsam stärker werdendes Sommergewitter. Ich musste leben. Energisch erhob ich mich und ignorierte strikt den Schmerz, welcher sich in meinem Unterleib breitmachte. Der Rächer sah mich bestürzt an. "Wie ...", rutschte es ihm aus dem Mund. An diesem Punkt liess ich mir keine Wahl, entweder lebte ich oder ich reisse die Frau mit mir in den Tod. Aber so oder so ihre Tage waren gezählt. Furchtlos, wie ich war, stellte ich mich breitbeinig vor meine Kumpane und sah die weisse Frau eindringlich an. In mir drehte sich alles, verbissen versuchte ich, dagegen anzukämpfen. Wie passend um mich herum herrschte die Stille vor dem Gewitter und in mir brodelte es. "So, wie ich sehe, ist euer Kampf immer noch nicht zu enden, ich will nicht länger warten!", keifte das Weib.

Ein Ruck ging durch meinen Körper und erneut wurde ich vom Rächer zurückgehalten. Er und Brian bauten sich neben mir auf. Meine Schutzwälle, in jedem anderen Moment hätte ich laut aufgelacht. Wie schön die Vergangenheit doch war. Doch hier und jetzt mussten wir uns beweisen. Drei Gestalten, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. "Brian, du stellst dich gegen deine Königin?", flüsterte sie kaum wahrnehmbar. Das kalte Licht fing an zu flackern und es schien als würde die Erde beben. Nein es schien nicht nur so sie tat es. Rhythmische Stösse gingen durch den Boden, Putz fiel von der Decke und die eiserne Stille wurde von schaurigem Brummen durchbrochen. Ein bekanntes Gefühl überfiel mich. Offen empfing ich es und hatte eine Ahnung, dass gleich die Hölle losbrechen würde. In unserem momentanen Zustand hätten wir keine Möglichkeit sie zu besiegen. Wir brauchten schnellst möglich einen Fluchtplan. Unsere Gegnerin schien die Veränderungen nicht wahrzunehmen. Im Allgemeinen meine beiden mit Kämpfer schienen sie auch nicht zu spüren. Und im denkbar unmöglichsten Moment fragte ich mich, ob ich mir eigentlich alles hier einbildete. Möglich wäre es doch, ich könnte noch immer in dem weissen Zimmer mit den Lilien liegen und davon träumen, meine Freunde wieder zu bekommen. Ein schmerzendes Detail liess mich jedoch daran Zweifeln, der Schnitt in meinem Bauch brannte wie das Feuer der Hölle.

Das Beben verstärkte sich und endlich schienen es auch die Anderen zu bemerken. Mir fiel auf, dass wir näher der Tür waren als die Frau, wenn sie nur etwas abgelenkt wäre, könnten wir versuchen zu fliehen. Im selben Moment als ich an unsere Flucht dachte stürmte ein mir bekanntes Gesicht in das Zimmer. Hinter ihm quetschten sich weitere Bestien ins Zimmer. Verblüfft sah die Königin auf das Spektakel. Isalm schien sich halb zu verbeugen und die Frau wog sich in Sicherheit. Doch anstelle, dass Isalm ganz auf die Knie fiel rannte er in der gebückten Haltung auf sie zu. Gebannt starrten wir auf ihn, kaum merklich machten die ihm gefolgten Bestien einen kleinen Weg zur Tür frei. Die Frau in dem blütenweissen Kleid war voll und ganz auf Isalm fixiert und hatte uns offensichtlich vergessen. Entschlossen packte ich meine Kumpane an den Händen und zerrte sie mit mir Richtung Ausgang.

Vertrauen ist gefährlich, es kann dir alles kaputtmachen und dir dein Herz brechen. Aber willst du nicht auch, selbst wenn es nur ein einziges Mal ist, die Liebe spüren, die es mit sich bringt. Denn Vertrauen ist eine Entscheidung, die nicht jeder treffen kann. Denn um zu vertrauen, musst du Güte und Liebe empfinden können. Weil mit Niedertracht und Hass ist noch niemand jemandes Freund geworden.

Des Rächers letztes OpferWo Geschichten leben. Entdecke jetzt