Rettung

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Stille, geniesse sie und unterbrich sie nicht durch deine Worte, mögen sie noch so schön sein ... Vertrau mir, nur dieses eine Mal.

Keuchend stand ich den Bestien gegenüber. Mein Ziel, die Frau, die Schuld an all der Zerstörung war. Entschlossen marschierte ich auf die Armee zu. Alleine gegen eine Weltmacht, die keiner kannte. Mit einem Kampfschrei wollte ich los rennen, doch ich wurde aufgehalten. Jemand hatte mich an der Schulter gepackt. Erschrocken wirbelte ich herum. Die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, stand er da. Das schwummrige Licht trug zu seiner Furcht einflössenden Aura bei. Aber ich musste mir eingestehen, dass ich dankbar war, dass er da war. Für einen Moment vergass ich die Armee von Bestien und sah ihn nur an. "Dachtest du wirklich, ich würde dich im Stich lassen?", fragte er leise. Die scheinheilige Idylle wurde durch den Kampfesschrei einer Bestie unterbrochen. Er zog mich zur Seite und stellte sich schützend vor mich. So standen wir da, zwei Menschen gegen mehr als 2'000 Übermenschen, welche praktisch untötbar waren. Aussichtsloser hätte eine Situation nicht sein können. Die Masse von Bestien raste auf uns zu. Das erste Vieh erreichte uns und plötzlich wurde alles langsam. Mein Adrenalin pulsierte in meinen Adern. Mit erhobenem Dolch rannte ich auf das Monstrum zu. Mit einem glatten Schnitt trennte ich den Kopf vom restlichen Körper. Der Nächsten brach ich das Genick und in einer kurzen Phase der Ruhe blickte ich mich um. Der Rächer kämpfte zur gleichen Zeit mit drei der widerlichen Bestien. An meinen Händen klebte bereits Blut der Bestien, ich riss meinen Blick von meinen Händen hoch und sah auf die immer näher kommende Arme von Bestien. Schreiend rannten sie auf uns zu. Wir hatten keine Chance und doch kämpften wir. Wir kämpften bis zum letzten Tropfen Blut und brachen unter Erschöpfung zusammen.

Geknebelt wachten wir auf. Gefesselt an unbequeme Holzstühle. Der Rächer befand sich vis-à-vis von mir. Sein Kopf hing runter und seine Kapuze war auf seine Schultern zurückgeworfen worden. In dem Raum in welchem wir sassen herrschte eine bedrückende Stille. Das helle Neonlicht, das von der Decke schien, liess alles hart und kantig wirken. Mein Gegenüber hob den Kopf. Das erste Mal seit langer Zeit sah ich sein Gesicht. Es erinnerte mich an die vergangene Zeit. An eine Zeit, die so wie sie war, nicht mehr existierte. Ich blickte in sein Gesicht und sah seine grünen Augen, seine weichen Lippen und seine Narbe. Er sah nicht mehr so aus wie früher. Wie sollte er auch, nach allem, was passiert war. Der Rächer sah mich ebenfalls an, während er dies tat umspielte seine Lippen ein kaum sichtbares Lächeln. Was er wohl in mir sah? Ich wollte ihm etwas sagen, doch er schüttelte den Kopf und wies mit einem Nicken in eine Niesche des Zimmers. Stillschweigend folgte ich seinem Zeichen und erblickte sie, die Grausame. Rasch warf ich ihm einen Blick zu und sah in seinen Augen pure Abneigung. Mir schauderte es, als ich an ihre Opfer dachte. Verstümmelte Leichen, halb abgetrennte Köpfe und ausgekratzte Augenhöhlen kamen mir in den Sinn. Und das Schlimmste daran war, dass wir bald auch zu ihren toten Lakaien gehörten.

Ein hässliches Grinsen breitete sich auf ihrem Gesicht aus. Sie war erfreut, und so sah sie uns auch an, mit strahlenden Augen und gefletschten Zähnen. "Habt keine Angst ... es, wird nicht wehtun", züngelte sie leise. Entschlossen schritt sie auf mich zu. "Nein! Lass sie, sie hat nichts damit zu tun!", rief mein Gegenüber. Empört starrte sie ihn an. "Nun gut, dann eben du zuerst", bedrohlich wandte sie sich an ihn. Kalter, abgrundtiefer Hass lag in ihren Augen. Ich wollte nicht mit ansehen, wie er seinen letzten Atemzug tat, nicht heute, nicht morgen, niemals. Während ich meinen Blick von der unpassend schönen Frau abwandte, sprach sie weiter: "Deine letzten Worte?" Kurze Zeit war nur das Keuchen der Ventilation zu hören. Doch mein Freund entschied sich, dafür etwas in den surrealen Raum zu hauchen. "Mea dulcis", hob er an und vollendete den Satz nach Kurzem zögern, "vertrau mir..."

Der Entscheid, ob man will oder nicht, ob gut oder schlecht liegt in unserer Hand. Wir alleine sind verantwortlich für das Kommende und wir alleine werden dafür bezahlen.

Des Rächers letztes OpferWo Geschichten leben. Entdecke jetzt