Kapitel 29

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Sierra

,,Was meinst du mit 'er war derjenige der mich mit dem Messer attackiert hat'?"
Jacob sah reglos zu Boden.
Dann erhob er sich plötzlich und zog sein Shirt aus.
,,Was machst du da?"
,,Sieh selber."
Er drehte sich mit dem Rücken zu mir und mein Herz stoppte.
Die Narbe die er an seinen Rücken trug war nicht die Größte, dennoch konnte man deutlich sehen, wie viel Schmerz und Vergangenheit hinter dieser steckte.
,,D-Das war André?"
Jacob zog sich erneut sein Shirt über und ließ sich auf seinen Platz nieder.
,,Ja Sierra. Das war André.", seine Stimme war gebrochen, und ich muss ehrlich zugeben, so hatte ich ihn noch nie zuvor erlebt gehabt. Er war immer so selbstbewusst, so stark, er hatte so vieles überstanden gehabt, wo ich hingegen zusammengebrochen wäre.
,,Verstehst du mich jetzt?"
Er sah zu mir auf und seine Augen, so voller Leere und Schmerz.
Ich konnte nicht antworten.
Ich hatte diesen Jungen geküsst, geliebt, geehrt und er?
Er war gewalttätig gegen über meinem Bruder gewesen.
Zwar wusste André nicht, dass ich die Schwester von Jacob bin, dennoch macht es die Tatsache nicht besser, dass André Gewalt ausgeübt hatte.
Nein, mehr als das.
Jemanden vernarbt hatte.

André

Ich saß auf dem Sofa, mit einer Tasse Kaffee in der Hand.
,,Wo warst du.", fragte mich Vater immernoch.
Ich hatte ihm oftmals gesagt, es ginge ihm nichts an, es würde ihn nicht Interessieren, doch er fragte immer und immer wieder nach, so lange bis mir der Riemen riss und ich, wie ein heißer, glühender Vulkan, ausbrach.
,,Ich war auf der Straße, okay?! Habe Drogen zu mir genommen, Prügeleien gestartet und anderen Leid angetan! Was willst du noch wissen? Wann ich zuletzt jemanden flachgelegt habe? "
Er blickte voller Schock und Entsetzen zu mir.
,,Du brauchst Hilfe.", sagte er verzweifelt und kratzte sich am Hinterkopf.
Jemand anderes hätte in diesem Moment gedacht, er würde sich für mich sorgen, doch der Schein trügt.
,,Ja Vater. Ich brauche Hilfe, schön dass es dir endlich aufgefallen ist, nach all diesen Jahren."
Er sah mir in die Augen und ich könnte schwören, in ihnen lag für eine Sekunde Mitgefühl. Aber auch nur für eine Sekunde denn ab da, verhielt er sich erneut rücksichtslos, arrogant und kaltherzig mir gegenüber.
,,Ich werde dich bei einem Arzt vermitteln. Du wirst jeden Nachmittag einen Termin haben."
,,Oh süßer, das tut mir ja alles so leid."
Riley setzte sich zu mir und streichelte mir einmal über den Arm.
Ich blickte vom Seitenwinkel aus zu ihr und sah, wie sie ihren Ausschnitt tiefer drängte.
,,Lass das.", zischte ich und zog meinen Arm weg.
Immernoch war ich fassungslos über die Tatsache, dass sie die erste war, die ich sah, als ich eintrat.
Dass sie diejenige war, die mir die Terrassentür geöffnet hatte.
,,Was macht sie hier?", fragte ich genervt und verdrehte meine Augen.
,,Ich hatte Riley heute gebeten, vorbeizukommen und ein Porträt von mir zu zeichen, da ich dachte, sie wäre diejenige, die das Porträt von dir gezeichnet hatte. Doch so wie sie mir alles schilderte, meinte sie, du hättest sie nur als date für die Zeremonie ausgenutzt gehabt, und sie wüsse nicht, wer die eigentliche Zeichnerin ist. Ist das wahr, André?"
Ich nickte einmal kurz und nahm einen Schluck meines Kaffees.
,,Wer ist dann das eigentliche Mädchen, dass das Porträt von dir gemalt hat?"
Meine Gedanken kreisten erneut um Sierra und diesmal versuchte ich sie nicht abzuschütteln. Ich war bereit, über sie zu sprechen, mein Herz zu öffnen.
,,Sierra, ein Mädchen aus dem College."
Ich sah zu Boden als mir klar wurde, wie sehr ich sie eigentlich vermisste.
Ihren Geruch, ihre Haare, ihr Lachen..
,,Bring sie doch mal vorbei.", sagte Vater und sah auf seine Uhr.
Ich wünschte ich könnte es..
Gerade wollte ich ihm anvertrauen weshalb das keine Gute Idee sei, was zwischen uns geschehen war, so vergaß ich, was ein Arschloch er wirklich war.
,,Naja ich weiß ni-"
,,-Jedenfalls habe ich jetzt einen Termin. Kümmere mich später um dich.", unterbrach er mich und stand auf.
,,Und kümmer dich um deine Nase, die sieht schrecklich aus."
Mit diesen Worten verließ er das Haus und ich wurde mit Riley alleine zurückgelassen.
Erneut traf mich sein Verhalten wie ein fester Schlag ins Gesicht.

Sierra

Im College saß ich reglos neben Rosie und ich wusste, sie machte sich Sorgen um mein Verhalten. Doch ich konnte die Wörter nicht aussprechen, ich konnte nicht aussprechen, was André grässliches meinem Bruder angetan hatte.
,,Du redest jetzt schon den ganzen Tag lang nicht, was ist los?", hakte Rosie immer wieder nach, doch ich schaffte es nicht, auch nur ein Wort rauszukriegen.
,,Rede mit mir!"
,,Es ist alles gut, Rosie. Ich bin nur etwas müde."
Ihr skeptischer Blick musterte mich ununterbrochen, bis der Tag vorüber war.
,,Hast du Lust heute etwas zu Unternehmen? Wir hatten schon lange nichts mehr unternommen, naja seit dem Date mit dir und.."
,,Ich fühle mich heute nicht fit genug, es tut mir leid."
Sie blickte gekränkt zu Boden.
,,Du brauchst dich nicht zu entschuldigen, wenn heute nicht dein Tag ist, dann ist er es nun mal auch nicht."
,,Danke.", sagte ich Lächelnd und zog sie in eine feste Umarmung.
Ich wartete vor meinem Auto auf Jacob und zusammen fuhren wir nach Hause.
,,Hatte er dir viel bedeutet?", fragte er während der Fahrt und ich merkte, wie ich trotz des unterdrückens, eine Träne vergoss.
,,Ich war mit ihm zusammen und wie es aussieht, wusste ich rein gar nichts über ihn."
Als ich vor meinem Haus parkte und ich ausstieg, umarmte mich Jacob ganz fest von hinten.

André

,,Gefällt dir das so besser?"
Riley senkte ihre Küsse und wanderte immer weiter bergab.
,,Oder so?", ihre Lippen gingen weiter nach unten, bis sie an meiner Hose angekommen war und es mir zuviel wurde.
,,Es reicht.", sagte ich und drückte sie von mir weg.
,,Was denn? Ich dachte, du möchtest es auch..", sagte sie und legte erneut ihre Hand auf meine Brust.
,,Was an 'es reicht' hast du nicht verstanden?!", zischte ich und schlug ihre Hand weg.
Sie verdrehte nur ihre Augen und meinte, dass es mein Verlust sei.
,,Ich denke nicht das es ein Verlust ist, eine Hure abzuweisen."
Das hätte ich nicht sagen sollen, denn sie sah mir tief in die Augen und sagte:
,,Ich habe es dir auf der Zeremonie nicht einmal übel genommen, dass du mich ersetzt hast, doch nun nennst du mich auch noch eine Hure? Du bist das allerletzte.", bevor sie mir eine Fette, doch auch durchaus intensive Ohrfeige gab.

Sierra

Zuhause angekommen, legte ich meine Schlüssel auf die Kommode, die im Flur lag.
Ich lief in das Wohnzimmer und sah Jacob, der auf dem Sofa niedergeschlagen saß.
,,Ich kann es einfach nicht glauben.", gab er von sich und stützte seinen Kopf zu Boden.
,,Ich bin seid knapp zwei Tagen hier.."
,,Ich weiß und es tut mir so unfassbar leid.."
Er sah zu mir, lächelte einmal schwach und gab mir einen Kuss auf die Wange.
,,Du kannst nichts dafür, sis. Ich würde sagen das ist einfach Pech gewesen."
,,Ich will jetzt nicht unverschämt wirken, doch denkst du, er wird demnächst im College auftauchen?"
Abrupt änderte sich sein Blick zum Bösen.
,,Selbst wenn. Er wird definitiv, nichts mehr mit dir zutun haben, dafür sorge ich."
Doch wollte ich das?
Wollte ich das Jacob mich vor ihn in Schutz nahm?
Wollte ich, dass er mich von André fernhielt?
Die Wahrheit war nein.
Ich wollte es nicht.
Ich möchte mit André reden, ihn konfrontieren, eine Antwort verlangen, für all seine Taten.
Ich sollte ihn hassen, verabscheuen, doch ich kann nicht.
Ich liebe ihn immer noch.
Meine Liebe ihn gegenüber, ist kein Stück veraltet.
Ich liebe ihn noch wie am ersten Tag unserer Beziehung.
Doch das darf nicht sein.
Genau ab dem Moment, als mir Jacob seine Narbe zeigte, mir erklärte, dass es André war, der ihm das hinzugefügt hatte, hätte ich André hassen müssen.
Doch wie?
Sein Lächeln, sein Körper, seine Haare, seine Art mich zu beschützen, war nicht so einfach loszulassen.

Baby Don't hurt meWhere stories live. Discover now