Ryujin
"Vergiss nicht, blende alles aus und konzentriere dich nur auf mich", flüsterte Yeji mit mir zu. Wir beide hatten nun unseren Auftritt, weshalb wir gemeinsam auf die Bühne standen. Noch war das Licht gedämmt, allerdings würde es jeden Moment zeitgleich mit der Musik einsetzen. Brav nickte ich und schenkte der Älteren ein kleines Lächeln, bevor ich mich auf meine Startposition begab. Ich atmete tief durch und befahl meinem Körper, ruhig zu bleiben. Wir hatten oft genug geübt, ich konnte das. Ich würde tanzen und diesen Auftritt hinter mich bringen.
Nur wenige Sekunden später setzte Roomshaker ein und wie von selbst begann mein Körper sich zu bewegen. Ein kleines, unscheinbares Lächeln bildete sich auf meinen Lippen, es fühlte sich gut an, sich der Musik endlich wieder hingeben zu lassen. Die zusammenhängenden Tönen durchflossen meinen Körper und brachten mich dazu, mich mitreißen zu lassen, mich voll und ganz der Musik zu widmen. Glücksgefühle strömten durch meinen Körper und das Wissen, dass viele Menschen mir hierbei zuschauten und Zeugen dieses Tanzes wurden, machte mich aus irgendeinem Grund verdammt froh.
Wie sehr hatte ich es nur vermisst, endlich wieder so unbeschwert tanzen zu können?
Die letzten Wochen waren hart für mich gewesen, verdammt hart. Yejis Training und das ständige Wiederaufbringen meines Traumas hatte mir nicht nur weh getan, sondern mich auch ziemlich geschwächt. Tag für Tag hatte ich mich kaputter und hoffnungsloser gefühlt, zumal ich andauernd an meine gescheiterte Therapie hatte denken müssen. Doch je länger wir zusammen daran weiter gearbeitet hatten, desto eher waren mir die Fortschritte aufgefallen, die wir gemeinsam hatten erreichen können. Es waren nur kleine Schritte gewesen, allerdings genügte es völlig, zurückzublicken, um zu erkennen, welch' einen Weg ich hatte hinter mir lassen können. Und auch wenn es manchmal schwer gewesen war, es hatte sich gelohnt.
Vielleicht würde ich schon in wenigen Monaten das Tanzen wieder zu meiner Leidenschaft machen können.
Schließlich aber endete die Musik und etwas überrascht hielt ich in unserer Endposition inne. Mein Atem ging schnell, beinahe rasend und ich registrierte erst jetzt, dass wir tatsächlich am Schluss angelangt waren. Ich hatte mich so sehr auf die Musik und meine Partnerin konzentriert, dass ich alles andere hatte ausblenden und all meine Kraft in den Tanz stecken können. Natürlich war es längst noch nicht so viel wie bei meiner Partnerin, doch es reichte aus, damit der Tanz eindrucksvoll und elegant aussah.
"Ich bin stolz auf dich", wisperte mir Yeji über den tosenden Applaus hinweg ins Ohr und warf mir ein kleines Lächeln über die Schulter zu. Meine Augen waren groß und erstaunt, aber dann fing auch ich an zu lächeln und nickte leicht, dankbar für ihre Worte. Mein Herz füllte sich mit Wärme und ein angenehmes Kribbeln breitete sich in meinem Bauch aus, welches mittlerweile alles andere als unbekannt in ihrer Nähe war. Diese Frau machte mich einfach verrückt. Und ich war so froh darüber, mit ihr befreundet sein zu dürfen.
Kaum war der Applaus abgeklungen - wir beide hatten uns zum Dank natürlich verbeugt -, huschten wir schnell wieder von der Bühne. Erleichtert lachend fielen wir uns in die Arme und drückten die jeweils andere fest an unseren Körper. Es war so schön, Yejis schlanken Körper und ihre erhitzte Haut an meiner zu spüren, ich wollte mehr davon spüren, viel mehr. Am liebsten würde ich sie festhalten und nie wieder loslassen, denn sie war wie ein besonderer Schatz, den man beschützen musste. Selbst wenn sie ihren Wert manchmal versteckte, erkannte jeder früher oder später, wie unglaublich diese Frau doch war und es machte mich stolz, an ihrer Seite stehen zu dürfen.
Ich könnte für nichts auf dieser Welt dankbarer sein.