Es war niemand im Dorm. Alle Flächen waren ordentlich geputzt und sahen aus, als würde eine Wohnungsbesichtigung stattfinden. Alles war an seinem Platz wie immer und wartete geradezu darauf, dass die Bewohner zurück kehrten. Und es geschah. Der zehnte Februar war der Tag, an welchem die Tür des Dorms nach Monaten mal wieder aufgeschlossen wurde. Geräuschvoll drehte Jimin den Schlüssel im Schloss herum.
Jungkook lächelte glücklich: „Aigoo... lang ist's her! Home sweet home! Goldener Wandschrank ich komme!" Seokjin zog sich seine Schuhe aus und murmelte: „Gebt ihm zwei Stunden, dann ist all die Mühe des Aufräumens vor Abreise dahin und sein Zimmer sieht wieder aus wie eine Müllhalde." Yoongi zog belustigt seinen linken Mundwinkel in die Höhe und beobachtete wie die Jungs einer nach dem Anderen in ihre Zimmer verschwanden.
Taehyung, welcher noch immer mitten auf dem Flur stand, blickte Yoongi eindringlich an und fragte: „In einer Stunde im Wohnzimmer?" Yoongi nickte bloß und zog ebenfalls seinen Koffer in das Zimmer, welches Seokjin eben betreten hatte. Er wollte endlich aus seinem stickigen Sweatshirt heraus.
Taehyung betrat sein Zimmer ebenfalls und stellte seinen schweren Koffer in eine Ecke. Das doofe Ding würde er später auspacken! Schwungvoll ließ er seine Zimmertür zuknallen. Endlich Zuhause. Er hatte sein Zimmer vermisst. Der Sänger streifte seinen beigen Wintermantel und seinen Mundschutz ab.
Er ging auf sein Bett zu und lächelte schwach. Hier lag sie und hatte auf ihn gewartet. Langsam nahm er die sorgfältig zusammengefaltete, blaue Kuscheldecke in die Hand und murmelte: „Es ist an der Zeit."
Der Sänger fuhr einmal mit der flachen Hand über die weiche Oberfläche der Decke und seufzte: „Tut mir leid." Er legte Samiras Geschenk beiseite und begann dann doch seinen Koffer schon auszuräumen. Immerhin würden sie sowieso eh erst einmal alle ankommen müssen. Die Stunde die er Zeit hatte, konnte er also gut nutzen.
Und nachdem er sich mit dem etwas hartnäckigen Reißverschluss des Koffers herum geschlagen hatte, begann er auszupacken. Seine Gedanken wanderten zurück an den Tag an dem er sich an Samira erinnert hatte. Zurück zum 17. Dezember.
„Verdammt nochmal, Tae rede! Du weißt doch irgendwas! Als ob nichts mit dir war... du bist zusammen gebrochen! Die Anderen kannst du vielleicht verarschen, aber mich nicht!" wetterte Yoongi genervt und folgte Taehyung zu seinem Zimmer. Dieser schloss sein Zimmer auf und ließ Yoongi widerwillig hinein. „Ich... ja... ich muss meine Gedanken ordnen. Ich weiß nicht warum es passiert ist. E-Eigentlich hätte ich es nie vergessen dürfen..."
Er hatte sie wie eine Fremde behandelt und es dann auch noch fertig gebracht, sich zu erinnern als es bereits zu spät war. Zu dumm. Und jetzt musste er seine Gedanken erst einmal ordnen. Aber die Jungs ließen ihm keine Ruhe. Besonders Yoongi war penetrant.
Yoongi schloss die Tür: „Was vergessen? Dieses Mädchen... Mira... sie meinte Pied Piper ist nur wegen ihr entstanden. Und dass es ihre Melodie sei." Taehyung, welcher inzwischen seine Schuhe ausgezogen hatte, setzte sich auf sein Bett und verschränkte seine Finger ineinander. Er lehnte seine Hände leicht an sein Kinn und seufzte: „Ja... es stimmt. Es ist alles wahr. Ich verstehe nur nicht, wieso wir sie alle vergessen haben. Und wieso habe ich mich erinnert, aber ihr nicht? Das Mirafon... und unser Besuch in Deutschland. Hast du all das vergessen?"
Yoongi runzelte die Stirn: „Mirafon? Was ist das? In Deutschland waren wir das letzte Mal 2014... naja und jetzt eben." Taehyung blickte Yoongi an: „Was eine harte Nuss... ich bewundere es, dass sie all das so durchgestanden hat. Es ist grausam. Du erinnerst dich an nichts? Auf Achasan-Mountain habt ihr sie auch mitgenommen. Du und Namjoon. Ihr habt mir vom Platzregen und allem erzählt. Wie kannst du sie vergessen! Passt ihr Gesicht nicht in all die verschwommenen und verzerrten Erinnerungen! Streng dich an, Min Yoongi! Sieh sie dir an!"
Taehyung hielt das Selfie von Samira und sich Yoongi vor das Gesicht. Es musste klappen. Yoongis Augen weiteten sich. Achasan-Mountain? Beide Hände des Rappers schnellten auf seinen Kopf zu. Er ächzte auf. Es tat so weh. Alle Erinnerungen schossen auf einmal durch seinen Kopf. Elende Schmerzen. Er stolperte zur Seite und sackte an der Wand zusammen.
„Yoongi? Yoongi! Ist alles gut? Erinnerst du dich?" hörte er Taehyung wiederholt fragen. Der Ältere spürte eine Hand auf seiner Schulter. Langsam öffnete er wieder seine Augen. Warme Tränen rollten seine Wange hinunter. „Scheißdreck... wieso tut der Mist so weh? Meine Fresse..." fluchte Yoongi genervt und erhob sich langsam wieder. Natürlich. Samira. Sie war es. Wie hatte er so doof sein können?
„Yah... wieso habe ich all das vergessen!? Was ist bloß los mit uns? Ist ihr die Kette abhanden gekommen, oder was?" Taehyung und Yoongi blickten sich kurz an und seufzten dann wie aus einem Mund: „Ahh..." Taehyung nickte: „Das ergibt Sinn. Naja wohl eher wurde sie zerstört. Genau wie unsere Erinnerungen. Naja... aber sie sind zurück mit viel Mühe. Wir sollten Mira am besten fragen was geschehen ist."
Aus dem Augenwinkel bemerkte Taehyung, dass sein Handy aufleuchtete. Eine Nachricht. Er griff nach seinem Smartphone und entsperrte dieses gekonnt.
Sie: Tae, do you remember...?
Taehyungs Augen wurden riesig und er murmelte hastig: „Sie... sie... hat geschrieben, ob ich mich erinnere. Yoongi ich-„ Es klopfte lautstark an der Tür, woraufhin Yoongi eindringlich flüsterte: „Warte! Tu nichts unüberlegtes!" Taehyung runzelte die Stirn. Okay? Was auch?
Yoongi öffnete die Tür und blickte in Namjoons Gesicht. Er hatte es befürchtet. Der Leader räusperte sich kurz und begann: „Ich muss mit Taehyung sprechen." Yoongi lächelte sanft: „Dann musst du kurz warten. Wir haben noch etwas zu klären. Gib mir eine Minute, ja?" Namjoon zuckte mit den Schultern, woraufhin Yoongi die Tür wieder schloss.
„Gib mir dein Handy." Forderte Yoongi den Jüngeren auf und winkte fordernd mit den Fingern. Taehyung zuckte mit den Schultern: „Okay." Er reichte dem Rapper sein Smartphone und sah ihn gespannt an. Nach einer Weile murmelte Taehyung: „Was soll ich ihr schreiben? Entschuldige ich mich? Oder sollte ich fragen wie das alles passiert ist? Wo fang ich an? Uff..." Yoongi starrte noch immer auf den Bildschirm und gab ein paar Sachen ein. Er ignorierte Taehyung.
Taehyung rollte mit den Augen: „Bin ich unsichtbar? Yoongi. Yoongi! Was sollte ich am besten antworten?" Was machte sein Kumpel denn da? Yoongi sperrte Taehyungs Handy und warf es neben diesen auf das Bett. „Gar nichts." Antwortete der Rapper karg. Taehyung griff nach seinem Handy, entsperrte dieses und stöhnte genervt auf: „Ha! Ha! Ha! Im ernst Yoongi, wie fange ich an?"
Taehyung öffnete LINE und scrollte nach dem Chat. Weg. Seine Augen weiteten sich. Er ging seine Kontakte durch. Sie war weg. Nein, oder? Blitzschnell blickte er seinen Kumpel an. „Yoongi! Was hast du getan?" rief Taehyung verärgert. Das hätte er niemals kommen sehen. Yoongi erklärte: „Das was das Beste für alle ist."
Taehyung sprang auf: „Du hast ihre Mail. Gib mir ihre Mail-Adresse! Argh... wieso würdest du sie überhaupt löschen!? Was ist bloß los mit dir?" Yoongi hob abwehrend seine Hände und erklärte: „Du erinnerst dich wie Namjoon drauf war, oder? Wegen ihr?" Taehyung nickte: „J-ja... und?"
Yoongi zeigte auf Taehyungs Smartphone und erklärte: „Das bleibt unter uns, bis zum Ende der Tour. Wir brauchen keinen unnötig gestressten Namjoon. Und deswegen werden wir ihr erst schreiben, wenn die Tour beendet ist. Ich werde mir so schnell wie möglich das Mirafon von Namjoon unter den Nagel reißen. Ich weiß es ist irgendwo in seinem Chaos-Koffer, sodass er es bis jetzt wahrscheinlich nicht bemerkt hat. Gott sei Dank, teilen wir uns ein Zimmer. Er ist vor der Tür. Er wird Fragen stellen und du wirst sie alle verneinen. Wir sind es allen Fans schuldig, dass diese Tour gut wird. Wir sollten alle zu hundert Prozent bei der Sache sein und nirgendwo anders, verstehst du Taehyung?"
Yoongi blickte ihm tief in die Augen und suchte nach Verständnis. Taehyung verstand zwar was sein Freund meinte, aber er wollte am liebsten nicht. „Wieso willst du ihr das antun?" fragte Taehyung traurig. Samira hatte das nicht verdient. Sie waren so eng befreundet. Ihr jetzt das Gefühl zu geben all das sei einfach vorbei, war grausam.
Yoongi seufzte: „Weil Namjoon auch mein Freund ist. Führ dir einmal vor Augen wie verstreut und gereizt er gewesen ist. Und es ist ja nicht so, als würden wir nie wieder Kontakt mit ihr haben. Das ist nur eine kurze Zeit. Ein verschobenes Wiedersehen. In ein paar Monaten ist es schon so weit. Bitte... tu es für Namjoon. Alle Beteiligten verdienen es, dass diese Situation in Ruhe geklärt wird und nicht im Stress einer Welttournee. Namjoon nicht, die Fans nicht, wir nicht und Samira nicht. Du weißt ich hab' recht."
Taehyung blickte Yoongi mit gemischten Gefühlen an. Wut, Enttäuschung, aber auch Verständnis. „Okay. Aber sobald wir zurück sind wird das, dass Erste sein was wir tun. Samira Bescheid geben und uns entschuldigen." Yoongi nickte: „Ja. Alles. Sie ist immer noch eine Freundin von uns."
Wieder klopfte es an der Tür. Taehyung ging auf diese zu und öffnete sie: „Namjoon... komm rein!" Yoongi verließ das Zimmer und sagte: „Ich gehe dann mal auf unser Zimmer. Bis nachher!" Namjoon nickte. Yoongi und Taehyung wechselten einen ernsten Blick. Yoongi hoffte inständig, dass Taehyung seine Klappe hielt.
Und das hatte er bis heute. Taehyung verstaute den leeren, grauen Koffer in seinem Schrank und streckte sich ausgiebig. Durch sein Fenster fielen sanfte Sonnenstrahlen. Alles fühlte sich so vertraut an. Er schüttelte schnell den Kopf und vertrieb die Gedanken. Auf ging es in die Küche. Es war Zeit einiges aufzudecken.
In der Küche angekommen, fand er alle Jungs vor. Seokjin und Namjoon hockten vor dem Flyer ihres Lieblings-Bestellservices. Beide trugen frische Sachen und hatten verwuschelte Haare. Seokjins Haar war sogar noch leicht nass vom Duschen.
„Reis? Aber den bestell ich immer. Wie wäre es mit den Nudeln? Nummer 36? Das ist das Einzige, was ich bei denen noch nie bestellt habe." Murmelte Namjoon nachdenklich und tippte mit den Fingerspitzen auf dem Tisch herum. Seokjin entgegnete: „Dann probier' sie. Mir ist das heute egal, solange ich nich' kochen muss!" Namjoon schüttelte lachend den Kopf: „Keine Sorge. Heute verschonen dich die Anderen."
Im Wohnzimmer daddelten Jimin und Jungkook lautstark in ihre Konsole. Beide waren hoch konzentriert und schrien sich gegenseitig an. Typisch. Taehyung bemerkte wie er Lust bekam zu Zocken. Doch das musste warten. Hoseok wurde auf einmal von Yoongi in die Küche gezerrt. Na endlich. „Man! Was denn! Ich will wirklich... wirklich duschen und dann schlafen!" zeterte der Tänzer leicht angeekelt von sich selbst.
Yoongi rief: „Yah, Stubenhocker und Fresssäcke, aufgepasst! Kommt alle mal her!" Jimin und Jungkook riefen leicht versetzt: „Nicht jetzt! Wir sind beschäftigt!" Jungkook lachte: „Wir werden besser. Fast synchron." Jimin grinste nickend und zog konzentriert die Augenbrauen zusammen. Gleich hatte er Jungkook! Noch ein kleines Stück!
Yoongi war eigentlich ebenso hundemüde wie Hoseok und hatte keinen Nerv für Albernheiten. Der Rapper rief genervt: „Okay, wir bestellen kein Essen für euch mit!" Sofort wurde das Spiel pausiert und die beiden Jüngeren kamen angetanzt. „Okay, okay, was ist denn?" fragte Jungkook leicht angesäuert. Namjoon sah ebenfalls von dem farbenfrohen Flyer des Bestellservices auf. Nun hatte Yoongi wirklich die Aufmerksamkeit aller.
Er griff in seine Jackentasche und legte das klobige, schwarz-graue Handy auf den Tisch. „Was ist das?" fragte er hoffnungsvoll in die Runde. Jungkook ließ seine freche Seite zum Vorschein kommen und antwortete selbstgefällig: „Ehm... ein Handy? Die wurden erfunden, als du so ungefähr sechzig geworden bist, Großväterchen. Haha..." Der Jüngste grinste vor sich hin, woraufhin Jimin und Seokjin schmunzeln mussten. Namjoon schüttelte bloß den Kopf.
Yoongi atmete tief ein und aus, sah an die Decke und hauchte für sich: „Nicht laut werden... ganz ruhig..." Er setzte ein sarkastisches Lächeln auf und richtete seinen Blick wieder auf Jungkook: „Nein, du Windelträger. Das ist das Mirafon. Ein Telefon, dass einzig und allein dafür da war um ein bestimmtes Mädchen zu erreichen. Samira. Aber wir nennen sie Mira."
Jimin fuhr sich durch die Haare und murmelte: „Mira? Mirafon? Das eine Mädchen aus Deutschland? Sie hat sich bei dem Fan-Treffen wirklich eigenartig benommen. Sie wusste viel Privates über uns. Die habe ich nicht so einfach vergessen können." Namjoon lief ein eigenartiger Schauer über den Rücken. Er ahnte etwas.
Als er Taehyung damals angesprochen hatte, ob sie etwas mit ihnen zu tun hatte, hatte er etwa gelogen? Namjoon hatte es fast aufgeben wollen seine Erinnerungslücke zu füllen. Beinahe hatte er vergessen, dass er etwas vergessen hatte. Fragen kamen auf.
„Wir kennen dieses Mädchen. Ihr erinnert euch bloß nicht. Taehyung hat sich damals bei dem Meet & Greet in Berlin erinnert." Eröffnete Yoongi den Jungs. Namjoon runzelte verärgert die Stirn. Also doch! Zähneknirschend richtete er sich auf und ging auf Taehyung zu. Er ergriff ihn am Arm und knurrte eindringlich: „Wir zwei müssen reden."
Taehyung nickte und ging mit Namjoon nebenan ins Wohnzimmer. Yoongi beantwortete den Jungs währenddessen all ihre Fragen und versuchte ihre verschwundenen Erinnerungen wiederherzustellen.
Jungkook murmelte: „Also soll ich deswegen umgekippt sein? Sorry, aber das Ganze is' mir 'ne Nummer zu blöd. Wen wollt ihr eigentlich verarschen?" Yoongi blickte Jungkook mit einem gleichgültigen Gesichtsausdruck an. „Yah! Ich bin immer noch älter als du. Achte auf deinen Ton. Wenn du mir nicht glaubst, geh wieder zocken. Mir soll es egal sein!" Dummer Witzbold.
Jungkook nervte gerade gewaltig. „Hier im Haus werdet ihr... ah da! Die Bonbon-Dose! Das ist deine Hoseok! Es sind zwar nur noch drei drin, aber versuche dich zu erinnern wer sie dir geschenkt hat. Das war auch sie!" Hoseok nahm die orangefarbene Dose in die Hand und murmelte: „Omomo..."
Yoongi lächelte. Langsam wurde es doch. Stück für Stück würde er die Jungs an alles erinnern. Die Erinnerungen würden nicht verloren sein. Alles lief wie geplant. „Setzt euch lieber! Wenn ihr nochmal umkippt schlagt ihr euch noch den Kopf an der Küchenzeile, oder so!" Alle setzten sich hin. Es war befremdlich.
Nebenan ließ Namjoon Taehyungs Handgelenk genervt los und drehte sich zu ihm um. Wo fing er nur an? Er hatte ihn angelogen! Und wofür! Er hatte also doch recht gehabt. Wieso also hatte sein Kumpel ihm all das verschwiegen! Hatte es ihm Spaß gemacht ihn so im Dunkeln tappen zu sehen?
„Was soll der Mist? Du hast mir geschworen, dass all das was passiert ist absolut nichts mit diesem seltsamen Mädchen zu tun hat. Und jetzt? Ich hatte es geahnt. Wieso hast du mich angelogen? Ich war doch auf der richtigen Spur! Ich verstehe es nicht." sprach der Leader vorwurfsvoll und verschränkte die Arme.
Taehyungs Augen waren starr auf das Laminat gerichtet. Er schien die Struktur geradezu zu analysieren. Wie sollte er das ansprechen? Sollte er es einfach geradeheraus sagen? Das würde vielleicht unangenehm werden wenn er sich erinnert. Immerhin hatte er es durch Yoongi erfahren. Es ging ihn eigentlich nichts an. Er musste...
„Du... du hattest dich in sie verliebt, Namjoon." Verriet er seinem Freund und sah diesen mitleidig an. Namjoons Augenbrauen schossen in die Höhe, während sein Mund sich leicht öffnete. Er hatte was? Was redete Taehyung denn da? In dieses Mädchen? Sie?
„Sie... hat dir sehr viel bedeutet und genauso sehr hat dich das Dilemma zwischen hier und Deutschland belastet... zum Ende hin warst du sogar ziemlich kühl zu ihr. Es tut mir leid, dass ich das erst so spät bemerkt habe. Yoongi hat es mir erläutern müssen. Ich war kein guter Freund. Ich schätze sogar, dass ich ein bisschen selbst eingenommen war und mich auf meinem Tief ausgeruht habe. Das war falsch von mir. Also habe ich jetzt mit Yoongi versucht die Tour von diesen Komplikationen zu verschonen und Mira erst einmal außen vorzulassen. Wir wollten dir all das ersparen und es erst jetzt erzählen. Es tut mir leid, Namjoon-ah."
Nebenan hörte man jemanden aufschreien. Es klang nach Seokjin. Er erinnerte sich also auch. Taehyung atmete tief ein und aus. Endlich passierte es. Er sah wieder zu Namjoon und blickte in ein nachdenkliches Gesicht. „Namjoon-ah..." murmelte Taehyung verwirrt.
Namjoon fuhr sich durch das Gesicht und lehnte sich mit der Hand gegen die Wand. Wieso sollte er so jemanden vergessen? Konnte man das? Jemanden vergessen für den man Gefühle hatte? Aber Taehyung log nicht. Es war ihm sehr ernst. Vielleicht war er ein guter Schauspieler, aber niemals würde er so verdrehte Scherze machen.
„Wieso sollte ich jemanden vergessen, in den ich mich verliebt haben soll?" fragte Namjoon stirnrunzelnd und strich sein Shirt, welches ein paar Falten schlug, glatt. Taehyung seufzte: „Weil wir alle gegen eine fucking Zauberdingsbums-Kette nicht ankommen. Da kann man eine so starke Freundschaft haben wie man will. Ich weiß es. Ich habe sie bis zum Meet & Greet in Deutschland auch vergessen gehabt. Und Mira hat zu dir gesagt, dass du die Tour genießen sollst. Stressfrei. Das waren ihre Worte damals an dich. Du warst beim Essen in dem einen Hotel echt gereizt, weißt du noch? Da haben wir sie das letzte Mal gesehen mit all unseren Erinnerungen."
Namjoons Augen wurden größer und auf einmal erblickte er sie vor sich. Ihr Lachen. Ihre Ausstrahlung. Alles kam zurück. Natürlich. Als würde jemand sein Gehirn austauschen und jenes mit seinen richtigen Erinnerungen befestigen. Er schloss seine Augen und griff wankend ins Nichts vor sich. Taehyung reagierte blitzschnel hielt seinen Freund bei den Armen fest.
„Ah... fuck..." entkam es Namjoon. Taehyung stützte ihn besorgt. Aus der Küche hörte man ebenfalls besorgtes Raunen. Es passierte. Stück für Stück erinnerte sich die Gruppe, bis nur noch eine Person übrig blieb. Jeon Jungkook.
„Taehyung... ich erinnere mich. Es tut mir leid. Oh, Nein. Ich war so gemein zu ihr. Zu euch allen. Ich erinnere mich an alles. Kein Wunder, dass ihr das getan habt. Ich würde so einen Leader auch nicht haben wollen." Lächelte Namjoon enttäuscht. Er raffte sich langsam auf. Taehyung entgegnete: „So... meinten wir es nicht. Vielleicht ein wenig, aber es ging auch darum, dass du den Kopf für die Tour frei haben solltest. Zuerst war ich dagegen, aber Yoongi hat mir nicht wirklich eine Wahl gelassen."
Namjoon nickte: „Das klingt nach ihm. Und ich war auch ätzend. Ich war echt beschäftigt mit mir selbst. So sehr mit mir selbst beschäftigt, dass... ich niemand anderen mehr gesehen habe. Nicht einmal mehr sie." Taehyung zuckte mit den Schultern: „Ja. Das passiert. Wir alle machen Fehler."
Namjoon lächelte kurz auf und entschuldigte sich: „Ich hatte kein recht sauer zu sein. Es tut mir leid, Tae." Er öffnete seine Arme und sie umarmten sich. „Und ich bitte dich noch einmal um einen Gefallen... sag den Anderen erst einmal nichts. Das... ist mir echt unangenehm." Taehyung nickte und klopfte Namjoon auf die Schulter. „Auf mich kannst du zählen."
Namjoon und Taehyung gingen zurück in die Küche. Jimin starrte völlig überfordert auf die Küchenzeile und murmelte: „Wie... wie konnte ich das alles nur vergessen? Hyung, was ist nur passiert?" Jimin blickte Yoongi völlig entgeistert an.
Wie konnte er so ein riesiges Detail seines Lebens vergessen haben? Sie hatte ihm soviel auch über sich selbst beigebracht. Sie war eine wahre Freundin und er hatte sie wie Luft auf dem Fan-Meeting behandelt. Sie hatte genau das gesagt, was sie ihm schon immer gesagt hatte. Und er? Er hatte sie wie eine Fremde behandelt. Wie war das geschehen?
Yoongi zuckte mit den Schultern und verschränkte die Arme. „Ich schätze einfach, dass ihr irgendwas mit der Kette passiert ist." Alle waren völlig fassungslos. Jungkook lachte irritiert auf: „W-was? Worüber redet ihr alle? ChimChim, woran erinnerst du dich? Dieses seltsame Mädchen von damals... hat es wirklich mit ihr zu tun?"
Jimin nickte: „Aigoo... Jungkookie, erinnere dich! Was ist denn los, mit dir?" Seokjin schüttelte bedauernd den Kopf: „JK ist vielseitig talentiert, aber ein extremer Plastikkopf! Mit seinem Kopf kannste Federball spielen. Hört ihr das?" Seokjin klopfte auf Jungkooks Stirn, worauf ein hohles Geräusch ertönte. Hoseok und Jimin schmissen sich förmlich weg.
Jungkook wich zur Seite und keifte: „Lass das, Spinner!" Hoseok warf vorwurfsvoll die Hände in die Luft: „Du hast sogar ihre Großeltern kennen gelernt, Kookie!" Taehyung murmelte: „Die Meerichs. Haha... der Name klingt sehr viel besser wenn Mira es sagt. Ich sage es krüppelig... wie immer."
Seokjin zeigte lachend auf Taehyung: „Wo er recht hat. Hahaha..." Jimin murmelte traurig: „Was sie wohl die ganze Zeit gedacht hat...? Ich habe sie wie eine Fremde beim Meet & Greet behandelt. Yah... wieso rückt ihr erst jetzt mit der Sprache raus? Seit wann wisst ihr es? Taehyung ist ja klar, aber du? Und warum habt ihr nichts gesagt?" Jimin blickte verärgert hinüber zu Yoongi.
Namjoon blickte gespannt von Taehyung zu Yoongi. Yoongi blickte nach Monaten wieder in die wahren Augen Kim Namjoons. Die, die mehr wussten. Er hatte erfolgreich die Tour geschützt und das war was zählte. Für seinen Freund, aber am meisten für ihre Fans. „Mianhae." Brachte Yoongi leise über die Lippen und blickte seinen Leader an.
Namjoon nickte ihm entschuldigend zu. Er wusste warum er es getan hatte. Er hatte die wohl fürsorglichsten Freunde der Welt. Er war ihm sehr dankbar. Mehr als das. Ein kurzes Lächeln legte sich auf seine Lippen, bevor er Taehyung nochmal auf die Schulter klopfte und Yoongi umarmte.
Er hatte bereits eine Idee. Die Anderen hatten nicht mitbekommen, wie er sich erinnert hatte. Also wieso nicht den Zeitpunkt vorverlegen? Das war das Beste. Besser als allen zu erläutern, dass seine Gefühle so ein Chaos ausgelöst hatten. Es reichte wenn Yoongi und Taehyung Bescheid wussten.
„Es war meine schuld. Ich habe die Pause ziemlich ernst genommen. Ich wollte das gewartet wird, bevor wir uns alle erinnern. Die Tour sollte in Ruhe verlaufen." Verkündete Namjoon souverän. Jimin klappte die Kinnlade herunter: „Bloß deswegen? Sie wäre auch weiter ruhig verlaufen. Wir hätten sie nicht so hängen lassen dürfen! Habt ihr ihr wenigstens geschrieben, oder sie angerufen?"
Taehyung und Yoongi sahen zu Boden. Tja. Seokjin nickte und schnalzte genervt mit der Zunge. Er brauchte erst einmal einen Tee. Er griff sich den schwarzen Wasserkocher und ging zum Waschbecken. Da kam der alte Konflikt wieder hoch. Was fiel diesem Neunmalklug eigentlich ein?
Seokjin füllte amüsiert den Wasserkocher: „Natürlich haben die Eisprinzen das nicht. Haha, wow. Und ich dachte ich wäre anfangs zu hart gewesen. Aber wirklich... wow. Das sind wirklich ganz neue Level. Ihr habt sie eiskalt glauben lassen, dass wir sie nicht mehr kennen? Ihr-besonders du, Taehyung- schuldet mir eine fette Entschuldigung!"
Genervt ließ Seokjin die Kanne auf das Unterteil des Wasserkochers krachen und drückte den Knopf. Langsam drehte der Älteste sich um: „Ich war ruhig und habe es damals verstanden. Dein Standpunkt war nachvollziehbar, weswegen ich es so hingenommen habe wie du mit mir geredet hast. Aber jetzt? Jetzt tust du ohne mit der Wimper zu zucken etwas viel Mieseres! Ist das richtig? Was ist los mit dir?" Er verschränkte die Arme vor der Brust und überkreuzte die Beine, während er Taehyung niederstarrte.
Taehyung presste seine Lippen aufeinander. Autsch. Dass das geschah, hatte er bereits befürchtet. Er musste sich entschuldigen. Es stand ihm nicht zu etwas auszuplaudern, was Namjoon unangenehm wäre. Er hatte es eben sogar noch einmal versprochen. Der Sänger öffnete gerade den Mund, als Namjoon ihm hastig das Wort abschnitt: „Stopp! Stopp! Es... es ist anders gewesen. Tut mir leid."
Seokjin runzelte die Stirn: „Ha?" Hoseok schüttelte irritiert den Kopf: „Ihr alle verwirrt mich! Was soll ich denn jetzt glauben? Könnt ihr mal sagen was Sache ist? Kookie hat sich noch nicht einmal erinnert und ihr verwirrt alle! Ihr solltet euch einigen!"
Namjoon nickte und hob beschwichtigend seine andere Hand. „Ich kläre es auf. Es war wegen mir." Jungkook setzte sich nachdenklich an den Tisch und starrte Namjoon gebannt an. Wegen ihm? Jimin fragte neugierig: „Was war wegen dir?" Alle Augen lagen gespannt auf Namjoon. Das immer lauter werdende Köcheln des Wassers unterstrich die angespannte Atmosphäre.
Namjoon fuhr kurz mit seiner Zunge über das Innere seiner linken Wange und blickte zur Decke. Er seufzte schwermütig und gestand: „Ich hatte Gefühle für sie." Taehyung blickte Namjoon überrascht an. Hatte? Was war nun? Wieso Vergangenheit?
Seokjin hob amüsiert die Augenbrauen. Er hatte es von Anfang an geahnt. Doch er wollte es nicht ansprechen. „Und was hat das mit alldem zu tun?" fragte Seokjin leicht genervt. Yoongi gab seinen Senf dazu: „Als Taehyung sich erinnert hat, habe ich mich kurzerhand auch erinnert. Naja... und an das was mit Namjoon los war. Ich wollte vermeiden, dass er sich während der Tour erinnert und Chaos vermeiden. Also habe ich Taehyung ein Versprechen abverlangt nichts zu sagen und auch ihre Nummer von seinem Telefon gelöscht, damit er nicht in Versuchung kommt. Es ist mies. Ich weiß das."
Stille breitete sich aus. Keiner wusste so recht wie er reagieren sollte. „Und ich habe auch das Mirafon aus Namjoons Koffer genommen und bis jetzt behalten. Unsere Fans sind wichtig. Und meiner Meinung nach konnte dieses Chaos bis nach der Tour warten. Schließlich halten wir diese Konzerte um bei unseren Fans zu sein. Und die Stimmung, als wir alle Bescheid wussten, war nicht die Beste. Namjoon weiß das. Ich musste es tun."
Seokjin nickte langsam. Deswegen also. Er hatte Taehyung zu unrecht so angeschnauzt. „Tut mir leid, Taehyungie." Murmelte er und sah diesen schuldbewusst an. Taehyung winkte ab: „Schon gut, aber viel wichtiger ist, dass wir Mira jetzt anrufen. Bitte... es hat lange genug gedauert." Er wollte die Ungerechtigkeit endlich aus der Welt schaffen. Außerdem vermisste er ihre Stimme. Er wollte sie fragen wie es ihr ging und was sie machte. Alles, was sie zuvor gemacht hatten. Und vor allem wollte er ihr sagen, dass es ihm besser ging.
Alle bis auf Jungkook nickten. Taehyung griff nach dem klobigen Handy. Jimin unterbrach das Ganze: „Wartet! Namjoon... wie möchtest du, dass es weiter geht? Ich weiß, dass es dir bestimmt unangenehm ist vor uns allen so darüber zu reden, aber... ignorieren können wir es nicht. Wieviel bedeutet sie dir jetzt?"
Namjoon atmete tief ein. Er war so traurig gewesen, als sie die Pause eingelegt hatten und dann hatte man ihm die Erinnerung an alles genommen. Er hatte also nicht wirklich Zeit gehabt über alles nachzudenken, außer diese zehn Minuten eben. Alles was er wusste war, dass er sie vermisste. Aber er ahnte, dass all das nie funktionieren würde. Besonders, da irgendetwas mit der Kette vorgefallen sein musste.
Ob sie sich noch hierher wünschen konnte? Was war passiert? „Ich weiß es nicht. Ich hatte keinerlei Zeit so wirklich darüber nachzudenken. Aber viel wichtiger ist, dass ihr euren Leader wiederbekommt. Ich war nicht richtig für euch da. Yoongi und Hoseok haben diese Rollen übernommen, weil ich zu inkompetent war. Ich war bloß mit meinen Gedanken beschäftigt. Als Leader sollte ich-"
Seokjin unterbrach ihn irritiert: „Du tust es schon wieder. Ich. Ich. Ich. Wir sind Zuhause angekommen. Wir fragen dich gerade als deine Freunde, nicht als Bangtan Sonyeondan. Merkst du das nicht? Wie geht es Kim Namjoon? Keiner hat nach RM gefragt. Die Tour ist zu Ende." Seokjins ernste Miene verwandelte sich in ein Lächeln. Er zeigte auf Yoongi und Taehyung.
„Diese beiden haben extra bis jetzt damit gewartet, damit du es nicht als RM klären musst und Klarheit bekommst. Also komm vom Leader-Podest herunter und denk darüber nach was du tun willst. Tut mir leid für die Unterbrechung. Eine Entschuldigung war nötig, aber nicht das was jetzt gefragt ist."
Alle im Raum sahen gebannt zwischen den beiden hin und her. Jungkook wunderte sich, ob sie jetzt einen Streit vom Zaun brechen würden. Aber er verstand eh nicht was hier vor sich ging und sah kopfschüttelnd zu Boden.
Namjoon sah Seokjin überrascht an und musste lachen: „Du bist so verdammt frech... unglaublich. Hahaha... was haben deine Eltern bloß groß gezogen!" Sogar Jungkook musste nun verwundert auflachen. Allen fiel ein Stein vom Herzen, dass sich die Stimmung etwas lockerte. Namjoon lachte seit langem mal wieder richtig von Herzen und hielt sich den Bauch. Seine Freunde machten ihn so glücklich. Er hatte wirklich die Besten.
„Gebt mir etwas Zeit um eine gute Entscheidung zu treffen. Das ist die Antwort. Aber für's erste. Taehyung, ruf sie an! Sie soll wissen, dass wir sie nicht vergessen haben. Naja, außer Kookie vielleicht. Ob es je Klick bei dir macht?" Taehyung lächelte breit und nickte: „Aye, Aye, Sir!" Die Nummer war schnell gewählt.
Samira aß gerade Frühstück, als ihr Handy, dass sie gerade beiseite gelegt hatte, klingelte. Da Boyz. Was? Wie? Sie träumte, oder? Sie musste!
Lautstark ließ die Brünette ihren Löffel in die Müsli-Schüssel krachen, woraufhin ihre Mutter zusammenzuckte. „Sag mal, Samira!" murmelte sie erschrocken. Samira nahm zitternd ab. Ihr Adrenalin-Pegel war ganz weit oben. Sie antwortete nervös: „Y-Yes? Hello?" Auf der anderen Seite der Erdkugel grinste Taehyung nun noch breiter und antwortete erleichtert: „I do remember. How could I forget?"
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"It's been a long day without you, my friend."
"And I'll tell you all about it when I see you again."
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4928// E N D
Und das ist die wahre Geschichte wie Pied Piper entstanden ist. Es ist schließlich ein ungewöhnlicher Song.
Alles Ungewöhnliche hat eine ebenso ungwöhnliche Story zu erzählen.
Vielen Dank für alle die bis hierhin gelesen haben! Dieses Buch wird mir immer alles bedeuten, weil es mein bisher Bestes ist.♡
Bei 500k kommt noch ein Oneshots zu Pied Piper Girl!♡
Wer noch mehr Fantasy-BTS-FF lesen möchte kann bei meiner neuesten FF Book Of Ptah vorbeischauen!
BTS und ägyptische Götter? Dazu ein Institut, welches den Studenten lehrt mit ihren besonderen Gaben umzugehen und eine uralte dunkle Macht die alles bedroht.
Schaut vorbei :)
Ich hoffe meine idle teens feuern mich dabei immer noch an! Zuspruch tut immer gut. :)
IdleTeenz
P.s.
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Danke im voraus!