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WERBUNG IN EIGENER SACHE

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Από jxqxxlxnx

PAUL

Mittlerweile sind alle bei Sofia eingetroffen. Bis heute früh wusste ich nicht, ob ich Teil hiervon sein werde. Was mich dazu gebracht hat zu gehen, kann ich nicht genau sagen.

Mehrheitlich wollte ich nicht wieder "Dinner for one" oder "Die ultimative Chartshow" ansehen.

Mir sind zwar alle Gäste, zumindest bis auf Robins beste Freundin Camille, durch ihren Geburtstag bekannt, dennoch fühle ich mich etwas fehl am Platz.

Nicht, weil sie mich nicht involvieren, sondern weil ich der einzige Frischling in der Gruppe bin.

Allerdings feiern sie das erste Mal in dieser Konstellation Silvester, also ist es nicht allzu merkwürdig, dass ich die Jahre zuvor nie dabei gewesen bin. Wobei ich mir auch gar nicht sicher bin, wie lange sich alle bereits kennen.

Es ist auch ziemlich angenehm, dass keiner sonderlich extravagant gekleidet ist. Man hat es sich einfach gemütlich gemacht.

Alkohol wird hier auch nicht in Maßen gesoffen, sondern dient eher als Genussmittel.

Da man sich nicht entscheiden konnte, wurde bei drei verschiedenen Restaurants bestellt. Allerdings haben wir alles abgeholt, um zum einen die Lieferdienste nicht noch mehr zu überlasten und zum anderen, um alle gemeinsam essen zu können.

Wir sitzen in Sofias, mehr oder weniger, Wintergarten. Es ist eher wie ein Wohnzimmer mit einer riesigen Fensterfront, die an eine große Terrasse angrenzt. Ob es sich um einen Balkon oder Terrasse handelt, ist man sich heute nicht einig geworden.

Sofia Elternhaus besteht aus drei Parteien. Die unterste Wohnung ist vermietet, während in der zweiten Wohnung ihre Eltern leben und in der obersten sich mittlerweile Sofia breitgemacht hat.

Sie hat also ein Wohnzimmer, eine eigene Küche, ein eigenes Bade- und Schlafzimmer.

Zum ersten Mal bin ich nicht hier. Wenn wir und bei einem Zuhause verabreden, dann meistens hier.

Wir haben uns am großen hölzernen Esstisch verteilt. Vor uns haben wir einen Mix aus Burgern, Pommes, Sushi und Pizza ausgebreitet.

Im Endeffekt bedient sich jeder ein bisschen an allem.

«Ich hab mal eine Frage», meint Elias in der gefräßigen Stille.

Robin hält inne, als er versucht eine weitere Süßkartoffelpommes von mir zu klauen. Anfangs habe ich mich gewehrt und versucht, ihn in die Seite zu pieken. Allerdings hat er Andeutungen gemacht weiter nach links zu Matteo, also von mir weg zu rutschen. Das hat mir dann doch nicht ganz gepasst, weswegen ich ihn einfach machen lasse und mir hin und wieder eine Edamame von ihm in den Mund schieben lasse.

Die gesamte Aufmerksamkeit wandert zu Elias, der an der Stirnseite links von mir sitzt.

Ewa, Sofia und Celia sitzen mir, beziehungsweise uns, gegenüber.

An der Stirnseite rechts von mir hat es sich Phil gemütlich gemacht. Camille saß bisher auf seinem Schoß. Fürs Essen hat sie sich allerdings Sofias Schreibtischstuhl geholt und sitzt jetzt am Eck.

«Wie läufts eigentlich mit dem Mädel, dass du gedatet hast?», fragt er an Celia gewandt.

Celia schnaubt entrüstet. «Wenn gut ausgegangen wäre, wäre sie sicher hier, oder?»

«Was ist passiert?», fragt nun Matteo.

Mein erster Gedanke dazu ist, Celia zu sagen, dass sie das nicht vor uns allen teilen muss. Nur scheinen sie in der Gruppe eine offene Dynamik geschaffen zu haben, weswegen sie zu erzählen beginnt: «Also eigentlich lief alles gut. Wir haben viel über die Zukunft und die Vergangenheit gesprochen. Also auch über Ex-Partner.» Sie streicht sich ihren Bob links und rechts hinter die Ohren und wirkt als könnte sie es selbst noch nicht so ganz fassen. «Logischer Weise kamen wir dann darauf zu sprechen, dass ich bereits eine Beziehung mit einem Jungen hatte. Tja, als ich dann deutlich gemacht habe, dass ich durchaus verliebt war und das alles nicht während meiner Findungsphase passiert ist, hat sie auf Durchzug geschalten. Ich konnte nicht einmal richtig aussprechen, dass ich keinen Wert auf das Geschlecht lege, da war ich schon blockiert.»

«Aber warum das denn?», fragt Camille voller Unverständnis und fasst ihre langen schwarzen Haare zu einem Dutt zusammen, ehe sie sich ihrem Burger widmet.

Celia seufzt laut. «Als ich sie zu Rede gestellt habe, hieß es, dass sie schon oft gehört und mitbekommen habe, dass bisexuelle Personen fremdgehen würden.»

«Das ist doch Bullshit», entfährt es Robin.

«Wenn das mal jeder wüsste», steuert Phil bei.

Ich beschließe mich vollkommen rauszuhalten. Stattdessen sehe ich nur stumm zwischen allen hin und her.

Auch Ewa schüttelt ihren Kopf. «Ich verstehe immer noch nicht, warum man denkt, dass man gleich untreu ist, wenn man sich zu mehr als einem Geschlecht hingezogen fühlt.»

«Ist ja nicht so, dass es auch in homo oder hetero Beziehungen Betrüger gibt», merkt Elias an.

«Weißt du bisexuelle Personen können sich ja bekanntlich nicht entscheiden. Deswegen müssen sie sich ja für immer ausprobieren und betrügen daher ihre Partner», spottet Phil.

Camille legt streicht ihm besorgt über den Rücken. Es ist ihm anzusehen, dass ihn das Thema sehr mitnimmt.

Mich immerhin auch. Bisher wurde ich noch nicht mit Vorurteilen konfrontiert, obwohl ich mir sehr bewusst bin welche Klischees da draußen kursieren.

«Finde generell schwierig, was Personen hinterhergesagt wird, die nicht schwul oder lesbisch sind», bringt sich auch Matteo wieder ins Gespräch ein. «Immerhin ist es absolut nicht fair einer Person, die in einer heterogelesenen Beziehung ist, ihre Sexualität abzusprechen. Mag sein, dass es heutzutage noch ein Privileg ist sich in das gegensätzliche Geschlecht zu verlieben. Trotzdem sind sie genauso ein Teil der Community.»

Ewa versucht quer über den Tisch hinweg Blickkontakt zu mir aufzubauen. Allerdings weiche ich ihr bewusst aus. Meine Pommes sind viel interessanter.

Robin hingegen tastet unter dem Tisch nach meiner Hand. Auch wenn ich gerne zu unseren verschränkten Fingern nach unten sehen würde, tue ich es nicht. Ich befürchte, dass das zu auffällig sein könnte.

Stattdessen drücke ich seine Hand kurz und bin verdammt dankbar für diese Geste.

«Immerhin wissen sie genauso wie es ist, wenn das Leben auf dem Kopf steht, wenn man sich selbst komplett fremd ist», wirft Robin ein.

Mein Hals beginnt sich zuzuschnüren. Daher bin ich dankbar, dass beschlossen wird, dass das Thema uns allen genug zusetzt.

Elias wird noch ein paar schöne Worte darüber los, dass man sich hier in dieser Runde wohlfühlen und sicher sein kann, dass hier keinerlei Missmut gegenüber Personen die bisexuell oder ähnliches sind herrscht.

Für die nächsten Gespräche schalte ich auf Durchzug. Meine Hand lässt Robin trotzdem nicht los. Stattdessen lerne ich, dass er Linkshänder ist, weshalb ihm es überhaupt nicht schwer fällt beim Essen auf seine rechte Hand zu verzichten. Bei der Vorstellung in meiner linken Hand Stäbchen zu halten und zu essen, bekomme ich einen Hirnknoten. 

Nach dem Essen helfe ich Sofia noch ein bisschen dabei Ordnung in der Küche zu machen.

«Hast dir das vorhin sehr zugesetzt?», fragt Sofia gedeckt und nimmt mir einen Teller ab, den ich grob von Schmutz befreit habe, um ihn in den Geschirrspüler zu räumen.

«Es war schwierig», gebe ich zu. «Das ist nichts neues, also dass auch innerhalb der queeren Community Diskriminierung aus Ausgrenzung gibt. Trotzdem ist es ein sehr merkwürdiges Gefühl das jetzt auch auf sich selbst zu beziehen.»

Vor allem wenn es sich noch fremd anfühlt sich selbst als queer oder bi zu bezeichnen.

Mag sein, dass Sofia auch eher weniger beigesteuert hat und eher weniger ein Mensch der großen Worte ist. Dafür tut die Umarmung, die sie mir jetzt schenkt umso besser. «Hab dich lieb, okay? Du bist uns wichtig und es ist echt schön, dass du heute da bist.»

Es hat Überzeugung gebraucht. Nicht nur Ewa, sondern auch Sofia und Robin haben mich mehr oder weniger überredet Silvester hier zu verbringen. Ich wusste lange nicht wie ich mich fühlen werde, wenn ich ungeoutet in einer Gruppe von queeren Menschen sitze.

Teilweise fühle ich mich als wäre ich Undercover unterwegs. Allerdings ist es auch befreiend. So befreiend, dass ich einen Entschluss fasse, beziehungsweise einen Vorsatz fasse, der nicht bis zum neuen Jahr warten muss.

Während die Spülmaschine startet, kann ich einem gesenkten Gespräch zwischen Celia, Elias und Matteo lauschen. Von der Küche aus kann ich sehen, dass Robin, Phil, Ewa und Camille draußen auf der Terrasse stehen.

Schon als ich geholfen habe den Tisch freizuräumen, war bemerkbar, dass ein paar Köpfe zusammen gewandert sind. Es ist aufgefallen, dass ich mich rausgehalten habe.

Ziemlich sicher war Robins Geste doch nicht allzu unauffällig, wenn man bedenkt wie lange wir uns gegenseitig an den Händen gehalten haben. Wenn ich nochmal darüber nachdenke, bemerke ich wie wenig es mir ausgemacht hat, dass unsere Finger miteinander verschränkt waren.

Zwar weiß ich nicht, wie und wo ich diese Geste einordnen kann, aber trotzdem war sie nicht unangenehm. Seine Hand ist warm und auch weich. Irgendwie vermisse ich sie gerade.

Sofia beginnt einen Lappen für den Esstisch zu befeuchten und schickt mich weg, weil sie den Rest allein schafft.

Statt ihr zu folgen verharre ich noch einen Moment in der Küche und versuche zu hören, was sie sagen.

«Wir sollten irgendwas spielen», schlägt Elias vor.

«Wie wäre es mit Ich hab noch nie oder so?», steuert Celia bei.

An Matteos folgender Reaktion kann man sehr gut heraushören wie wenig er davon überzeugt ist: «Ihr wollt doch nur herausfinden, ob Paul queer ist.»

Er klingt ziemlich anklagend. Ich bin allerdings auch ziemlich erleichtert, dass er mich verteidigt.

Mit einer großen Menge Mut stiefle ich zu den dreien rüber und lasse mich in der kleinen Runde am Rande des L-Sofas fallen. «Also, ich teil dir auch gerne so mit, dass ich bi bin.»

Elias, der im Eck des Sofas sitzt und Matteo links neben sich sitzen hat, zieht den Kopf ein. «Oh Gott, du hast und gehört? Das tut mir echt voll leid.»

Ich winke ab. «Hättet ihr aber wirklich versucht, jemanden anhand eines Trinkspiels zu outen?»

Matteos Blick spricht Bände und Elias reibt sich mit beiden Händen übers Gesicht. «Hab ja auch eingesehen, dass das eine Schnapsidee war.»

Sein Wortwitz bringt uns alle zum Schmunzeln.

«Wenn's gerade schon Thema ist, darf ich dich dann was fragen?», möchte Celia wissen, die mit etwas Abstand neben mir sitzt. Auch ihr merkt man etwas an, dass ihr die Unterhaltung beim Essen noch etwas in den Knochen sitzt.

«Klar», antworte ich völlig selbstverständlich, obwohl ich mich etwas vor dem was kommen könnte fürchte.

«Würdest du tatsächlich sagen bi oder doch vielleicht eher pan? Immerhin ist das alles total vielschichtig.» In ihren dunklen Augen ist eine gewisse Neugier zu erkennen.

«Klär mich nochmal kurz auf, was der Unterschied zwischen pan und bi ist», bitte ich sie und mustere sie für einen Moment genauer. Ihr apfelgrüner Pullover schmeichelt unfassbar gut ihrer dunklen Haut. Nur weiß ich nicht, wie ich das ins Gespräch werfen kann, ohne komisch zu wirken.

«Bi ist ja grundsätzlich der Überbegriff dafür, wenn man sich zu zwei oder mehr Geschlechtern hingezogen fühlt. Wenn ich das selbst richtig verstehe, dann ist aber eines der entscheidenden Unterschiede, die oftmals gemacht werden, dass man bei Pansexualität mehr die Person als ihr Geschlecht sieht.» Sie sieht die Fragezeichen über meinem Kopf, weswegen sie nochmal ausholt. «Glaube bei Bisexualität hat man eher schon mal eine Präferenz.»

«Ach so», mache ich. «Dann doch eher bi.» Ich bin nicht der Einzige, der überrascht ist, dass ich so schnell entschieden habe.

Elias hat seine Augen verengt und nutzt es, dass ich mich gerade etwas öffne: «Auf was genau stehst du denn dann gerade mehr?»

Langsam bewegt sich das Gespräch in eine für mich eher unbehagliche Richtung. Aber ich bleibe cool und entscheide mich zu einem Konter anzusetzen: «Warum? Seid ihr gerade auf der Suche nach einem dritten?»

Celia beginnt zu lachen. «Können wir ihn bitte behalten? Der ist toll.»

Elias fügt dem ganzen Gespräch wieder Ernsthaftigkeit bei. «Ne, aber im Ernst. Könnte dir den ein oder anderen vorstellen.»

Was auch immer er als nächstes sagen möchte, geht in einem schmerzerfüllten Gesicht unter. Sein Freund krallt sich in seinen Oberschenkel und funkelt ihn an.

«Nicht?», quietscht Elias daraufhin und fleht seinen Freund mit Blicken an von ihm abzulassen.

Matteos Blick gleicht einer Warnung.

Ich würde gerne weiterverfolgen, worum es geht, doch werde von Robin abgelenkt, der sich neben mich stellt und seine linke Hand auf meine Schulter legt. Dort bleibt sie allerdings nicht liegen, sondern wandert etwas in meinen Nacken. Er fährt immer wieder mit seinen Fingern über den Verlauf meiner Haare. «Alles gut?», fragt er leise und nimmt einen Schluck aus dem Glas, das er in der anderen Hand hält.

«Jap», grinse ich und sehe zu ihm auf.

Seine grünblauen Augen leuchten mir entgegen und ziehen mich in ihren Bann. Ob die anderen sich weiter unterhalten, weiß ich nicht.

«Robin, komm mal kurz», ruft Camille, die an der Stirnseite des Esstisches und wieder auf Phils Schoss sitzt.

Ewa und Sofia sind bei ihnen. Alle vier haben ihren Kopf über etwas gestreckt.

Der Lehramt-Student lässt wieder von mir ab, aber geht nicht ohne mir nochmal durch die Haare zu wuscheln.

Seufzend versuche ich das Nest auf meinem Kopf wieder richtig zu legen.

«Ich hab übrigens keinen Bedarf, aber danke», antworte ich noch nachträglich auf Elias' Angebot.

«Das haben wir gesehen», grinst Celia und erntet nun einen Hieb gegen ihren Oberarm. Wieder ist der Ursprung Matteo, der sich über seinen Freund gelehnt hat.

Als Matteo es sich wieder bequem gemacht hat, versucht Elias seine Aufmerksamkeit zu erlangen. Deren Gesichter verraten, dass Elias Matteos Botschaft verstanden hat. Ich würde sie auch gerne verstehen.

Warum will Matteo nicht, dass Elias mir wen vorstellt? Da ich gerade nicht daten möchte, ist das nicht wichtig. Nur frage ich mich, ob irgendwas nicht mit mir stimmt.

Auch hier komme ich wieder nicht zum Nachhaken. Camille ruft wieder in unsere Richtung und fordert uns zum Mitspielen auf.

Wir teilen uns in drei Teams auf und spielen gemeinsam ein paar Runden Tabu. Die Teams mischen sich nach jeder Runde per Zufallsprinzip neu. Leider lande ich kein einziges Mal mit Robin in einem Team. Irgendwie würde ich gerne wissen, ob er meine wirren Erklärungen genauso schnell begreifen würde wie es zum Beispiel Ewa tut.

Während die anderen davon begeistert sind als nächstes Monopoly zu spielen, ziehen Robin und ich uns aufs Sofa zurück. Für ein langwieriges Spiel wie Monopoly habe ich keine Motivation. Außerdem finde ich etwas Leerlauf gerade schön. Durch den ganzen Trubel konnten wir uns noch gar nicht so richtig miteinander unterhalten.

«Wie siehst du das eigentlich mit Neujahrsküssen?», frage ich aus heiterem Himmel, weil es eben gerade zur heutigen Thematik passt. «Also so generell», schiebe ich noch nach.

Robin klopft sich hinter sich ein paar Kissen zurecht, um sich besser anlehnen zu können und schwingt seine Beine über meinen Schoss.

Da ich nicht ganz weiß wohin mit meinen Händen, lege ich sie auf seine Schienbeine.

«Puh», stößt er aus. «Find ich irgendwie schwierig?»

Neugierig lege ich den Kopf schief. «Inwiefern?»

Robin hebt seinen Kopf etwas, um mich besser ansehen zu können. «Darf ich kurz von meinem Ex-Freund erzählen, ohne dass du mich vom Sofa wirfst?»

Ich muss lachen. «Klar.»

«Okay, aber falls ich dich damit nerve, musst du mir das echt sagen. Normalerweise rede ich auch nicht so viel über ihn. Du gibst mir allerdings das Gefühl und den Raum, dass ich einfach alles loswerden kann, was mir gerade durch den Kopf schwirrt», plappert er vor sich hin und kuschelt sich wieder in die Kissen.

Mein Herz klopft mir bis zum Hals. Ich weiß nicht, ob das gut ist, dass Robin anfängt allein mit seinen Worten solche Reaktionen in mir auszulösen.

«Also du weißt ja bereits, dass Yasin eher weniger der Fan von sowas war. Er fands immer dämlich und irgendwie wars ihm auch unangenehm mich um Mitternacht zu küssen.» Robin sieht an die Raumdecke und scheint sich die richtigen Worte zusammenzusuchen. «Deswegen weiß ich nicht ganz wie ich dazu stehe. Denke, wenn man einen Partner hat, der das auch will, könnte es eine süße Tradition sein. Nur wenn ich weiterdenke, finde ich es problematisch. Ich glaube, dass es auf vielen größeren Feiern zu übergriffigen Küssen kommt.»

Betreten nicke ich und zeichne gedankenverloren mit meinem Zeigefinger kleine Kreise auf seine Schienbeine. «Finde irgendwie sehr schade, dass sich das so sehr etabliert hat, dass man an Neujahr irgendwen küssen muss.»

Robin nickt und verschränkt seine Arme hinter seinem Kopf. «Ist dir küssen wichtig? Also legst du das viel Wert drauf?»

Ich zucke mit den Schultern. «Bei der richtigen Person werde ich schon zum Knutsch- und Kuschelmonster», gebe ich zu.

Robin lacht. «Das würde ich gern mal sehen.»

Verwundert hebe ich meine Brauen. «Ach, echt?»

Er presst seine Lippen zusammen. «Jetzt nicht so.»

Der Student wirkt etwas verlegen, was ich ziemlich süß finde.

«Wie denn dann?», trieze ich ihn.

Robin fährt sich mit beiden Händen über sein Gesicht. «Ich mags einfach verschiedene Facetten von Leuten kennenzulernen. Trotzdem hast du mir noch keine richtige Antwort gegeben», versucht er wieder von seiner ungeschickten Wortwahl abzulenken.

Das gebe ich ihm jetzt mal und bohre nicht weiter herum. «Ich küsse schon ziemlich gerne. Jetzt natürlich auch nicht jeden. Aber wenn ich in einer Beziehung mit jemandem wäre, der nicht gerne küsst, würde mir schon was fehlen.»

«Es gibt manchmal nicht schöneres als sich einfach nur zu küssen und nicht zu bemerken, wie die Zeit vergeht. Für mich ist sowas oft viel bedeutsamer als Sex. Sex kann irgendwie jeder haben, aber solche Momente, wo sich einfach nur geküsst wird, ohne dass daraus mehr entsteht, sind irgendwie auf eine ganz andere Weise intim.»

So langsam spüre ich wie mich Melancholie überkommt. Dieses Thema nimmt mich gerade mehr mit, als ich erst dachte. Um zu verhindern, dass ich als großer Trauerkloß ins neue Jahr starte, entscheide ich mich das auch zu kommunizieren: «Wenn wir weiter darüber philosophieren werde ich traurig.»

Robin nimmt seine Beine von meinem Schoss und setzt sich wieder aufrecht neben mich. Unerwarteter Weise schmiegt er von der Seite seine Arme um mich. Mich überkommt der Gedanke, dass er möglicherweise schon etwas getrunken haben muss. Heute geht er leichtfälliger mit körperlicher Nähe um. Vielleicht sollte ich etwas aufpassen, dass das nicht Überhand gewinnt. «Ich versteh dich gut», meint er, zieht seine Arme zurück und lehnt sich etwas an mich. «Manchmal bin ich mir nicht so sicher, ob ich mich jemals nochmal verlieben werde.»

Argwöhnische schiele ich zu ihm herunter.

Er begegnet meinem Blick und schreckt hoch. So wie es aussieht hat er eben selbst gemerkt wie nahe er mir ist.

«Alles okay?», frage ich vorsichtig.

Robin geht sich durch sein silbergraues Haar und reibt sich mit seinen Handballen über die Augen. «Manchmal werde ich ein bisschen merkwürdig, wenn ich müde werde oder Alkohol trinke. Tut mir leid, dass ich dir so auf die Pelle gerückt bin.»

Ich runzle die Stirn und schüttle meinen Kopf. «Wenn mir das zu viel wird, sag ich dir das.»

Jan hat mich oft genug in Situationen gebracht, in denen ich nicht sein wollte. Der Unterschied ist, dass ich weiß, dass Robin meine Grenzen akzeptiert und er mich nicht kleinredet.

Obwohl er nickt, wirkt er betreten. «Wenn du kurz Luft brauchst, können wir rausgehen», biete ich ihm an. «Aber ich kann dich natürlich auch allein lassen, wenn du das nicht willst.»

«Ich glaube, rausgehen wäre ganz gut.»

Wir schnappen uns unsere Winterjacken und machen kurz bei den anderen Halt. Da alle durcheinanderreden und er eine dem anderen Worte in den Mund legt, verstehen wir nicht ganz, wer wo genau steht.

Das macht es uns allerdings leichter, uns auf die Terrasse zu stehlen.

Draußen ist es eisig. Meine Nasenspitze beginnt direkt zu frieren. Nur die Beleuchtung im Inneren der Wohnung flutet den Balkon. Um das Geländer ist eine kleine blinkende Lichterkette gewickelt, die nur einen dekorativen Zweck hat.

Robin und ich stellen uns zu einem Stehtisch, auf dem bereits ein Aschenbecher steht.

In der Ferne wird schon hier und da etwas gezündelt.

Robin zieht seinen Schal enger und streckt mir wortlos seine offene Zigarettenschachtel entgegen.

Dankend nehme ich einen Glimmstängel heraus. Wir schweigen, während wir die Zigaretten mit Robins regenbogenfarbenen Feuerzeug anzünden.

«Ist alles okay bei dir?», frage ich und puste Rauch aus meiner Lunge.

Ich glaube, seine erste Intention ist es zu nicken. Das lässt er allerdings bleiben und senkt stattdessen seinen Blick. «Du hast gesagt, ich kann dir alles anvertrauen?»

«Immer», bestätige ich.

«Auch wenn es um dich geht?», hakt er nach und nimmt einen Zug.

«Dann erst recht.» Was kommt jetzt? In meinem Bauch macht sich ein ungutes Gefühl breit.

«Irgendwie bin ich gerade in einen kleinen Strudel gerutscht», beginnt er sich zu öffnen. «Du darfst mich nicht falsch verstehen. Ich suche nicht nur die Nähe zu dir, weil ich etwas getrunken habe oder übermüdet bin.» Er macht eine kurze Pause und sortiert seine Gedanken. «Es ist nur so, dass es nicht so häufig vorkommt, dass ich mich gleich so wohl in der Nähe einer Person fühle. Das überfordert mich ein wenig und ich weiß nicht, wie ich das deuten soll.»

Ich brauche ein oder auch zwei Züge von meiner Zigarette, um meine eigenen Gefühle gegenüber der neuen Info von rationalen Gedanken zu trennen. «Muss man das denn deuten? Deine Nähe macht mir nichts, ganz im Gegenteil. Ich bin nur skeptisch, weil ich nicht einschätzen kann, ob du morgen aufwachst und dich fragst, was für einen Mist zu verzapft hast und dich im Nachhinein unwohl damit fühlst.»

«Weißt du, dass es mich nervt, wie einfach du es mir machst?», spricht er gerade heraus und schnippt die überschüssige Asche in den Aschenbecher.

«Weil ich offen mit dir kommuniziere und dir nicht gemischte Signale sende, die dir Bauchschmerzen bereiten?», entgegne ich.

«Das bin ich nicht gewöhnt.»

«Dann wird es Zeit, dass du dich daran gewöhnst. Falls nämlich keiner von uns gegen irgendeine Entwicklung hier was einzuwenden hat, würde ich gerne beobachten wohin das führen kann.» Wenn ich es nicht besser wüsste, könnte ich schwören, dass ich mich hier und gleich über das Geländer übergebe.

Selbst mein Gegenüber ist perplex. Ich mache mich auf alles gefasst, von einer Abfuhr bis über, dass er einfach durch die Tür geht und nie wieder in meinem Leben auftaucht.

«Ganz ungezwungen?», hakt er nach.

«Vollkommen. Es ist keine Richtung vorgegeben. Wir reden miteinander und wenn sich was nicht richtig für den einen anfühlt, voten wir das aus.»

Es vergehen sicher nur wenige Sekunden, in denen Robin seine Zigarette ausdrückt und mich in der Luft hängen lässt, dennoch bin ich noch nie ungeduldiger gewesen.

«Okay», meint er. «Wir lassen es laufen.»

Dadurch, dass das Licht in der Wohnung an ist, kann man sehr gut ins Innere sehen. Daher überrumpelt es uns auch nicht als Phil nach draußen tritt.

«Seid ihr schon fertig?», fragt Robin und schiebt seine Hände in seine Jackentaschen.

Phil schüttelt den Kopf, während er sich eine Zigarette anzündet. «Celia hat mich abgezogen und jetzt bin ich pleite.»

Er sieht zwischen uns hin und her. «Alles okay bei euch?»

Wir nicken und auch ich entsorge nun den Stummel meiner Zigarette im Aschenbecher.

Wir plauschen etwas mit Phil und spielen mit denen, die keine Lust mehr auf Monopoly haben, Mario Party auf Sofias Wii.

So vergeht die restliche Zeit bis Mitternacht ziemlich schnell.

Als wir gesammelt samt O-Saft und Sekt auf den Balkon wollen, werde ich aufgehalten.

«Paul?» Ewa fasst mich am Unterarm und nimmt mich kurz zur Seite. «Bitte küss Robin um Mitternacht nicht.» 

Vollkommen verwirrt lege ich den Kopf schief. Soweit habe ich gar nicht gedacht. Obwohl Robin und ich vorhin erst über Neujahrsküsse gesprochen haben.

«Hatte ich nicht vor?», entgegne ich immer noch verwundert. Für mich ist selbstverständlich, dass heute definitiv kein Kuss fallen wird.

Ewa wirkt ziemlich hin- und hergerissen. «Ich weiß nicht, wie ich das sagen soll, ohne zu viel zu verraten. Er ist einfach kein Jan, der aus Lust und Laune einfach mal rumknutscht.»

Plötzlich macht es Klick und ich verstehe, worauf sie hinauswill. «Darüber weiß ich schon Bescheid», winke ich ab.

Robin ist mir um einiges wichtiger als ein blöder Neujahrskuss. Wir sind noch nicht so weit, um an sowas zu denken. Außerdem werde ich nichts tun, wozu Robin nicht bereit ist. Wenn man unser Gespräch bedenkt, dass wir auf dem Balkon geführt haben, wäre das auch äußerst kontraproduktiv.

Die Lilahaarige lächelt. «Auch gut, dann kennt ihr euch beide besser als ich geahnt habe.»

Wir beobachten beide, wie Robin höchstpersönlich zu uns rüber stiefelt und nervös von einem Fuß auf den anderen tritt. «Seid ihr fertig? Es ist fast Mitternacht.» 

Der Countdown lässt nicht mehr lange auf sich warten. Versammelt sehen wir in die Ferne. Schon jetzt leuchten über den Dächern der Nachbarhäuser vereinzelt Feuerwerke auf.

Die letzten zehn Sekunden zählen wir gemeinsam runter und ich beobachte auf meinem Handy wie die Uhrzeit und das Datum umschlagen.

Ich hebe meinen Blick und sehe über die Häuser und Felder hinweg zur Nachbargemeinde, während buntes Feuerwerk den Himmel erhellt.

Um mich herum beginnt sich jeder zu umarmen.

Elias und Matteo, Sofia und Ewa, sowie Camille und Phil küssen sich. Über letzteres bin irgendwie nur ich verwundert.

Mich überkommt ein Gefühl von Glück, es fühlt sich ein bisschen an wie Frieden. Im Moment fühlt es sich an, als würde mein Herz nur so vor Liebe tropfen. Wie gerne ich es gerade über jedem einzelnen hier auswringen würde wie einen vollgesogenen Lappen.

Es legen sich zwei Arme um mich und ich erwidere Robins Umarmung. «Frohes neues Jahr», wünscht er mir.

«Frohes neues Jahr», gebe ich zurück.

In den Millisekunden, die unsere Umarmung vielleicht zu lange dauert, weiß ich, dass das neue Jahr nur gut werden kann.

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