Lebenslicht

Da englishsoul

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»Jeder Mensch trägt ein Licht in sich, sein Lebenslicht. Bei manchen strahlt es hell während es bei anderen k... Altro

Prologue
Erster Teil
1. Wie ich von einer Fußhupe angefallen wurde
2. Wie die Zukunft einer Band ungewiss wurde
3. Wie eine Schwester zur Nervensäge wurde
4. Wie jemand die falschen Schlüsse zieht
5. Wie jemand neue Eindrücke gewinnt
6. Wie jemand nach Hause kommt
8.Wie jemand sich einen Rat holt
9. Wie jemand eifersüchtig wird
10. Von Herzschmerz und neuen Lebensabschnitten
11. Wie jemand ein Angebot bekommt
12. Wie jemand einen neuen Weg beschreitet
13. Wie jemand eine Party gibt
14. Wie jemand seine erste Erinnerung schafft
15. Von einem unerwarteten Anruf und einer besten Freundin
16. Wie jemand gewaltigen Ärger bekommt
17. Wie jemand eine Einladung bekommt
18. Wie jemand erkennt, dass Autofahrt nicht gleich Autofahrt ist
19. Wie eine Nacht kürzer erscheint, als sie eigentlich ist
20. Von zerbrochenen Träumen und Zweifeln

7. Wie jemand zum Meisterbäcker wird

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Da englishsoul

Seufzend sah ich zwischen all den Töpfen, Verpackungen und Küchenutensilien hin und her und versuchte herauszufinden, wie ich diesen blöden Muffinteig ordentlich hinbekam, möglichst ohne jemanden zu vergiften.

Ich wollte unbedingt selber Muffins backen und Amelia so mit etwas Glück beeindrucken. Eigentlich wollte ich ihr das Gebäck schon gestern vorbeibringen, aber ich hatte erst in eine Buchhandlung gehen müssen um nach einem Kochbuch zu suchen. Dann musste ich noch ein Rezept heraussuchen, das nicht zu schwer war, aber auch nicht zu alltäglich. Es sollte schon etwas Besonderes werden. Nach gefühlten Monaten an Recherche hatte ich endlich ein Rezept für Kiwi-Bananen-Muffins gefunden, das durchaus machbar klang, auch für einen Laien wie mich.

Der Einkauf hatte sich allerdings als schwieriger als erwartet herausgestellt, denn zu dieser Jahreszeit gab es kaum reife Kiwis zu kaufen. Erst in einem Obst- und Gemüsefachhandel hatte ich endlich glück. Aber zuhause angekommen war ich so genervt, dass ich beschloss, das Backen auf den morgigen Tag zu verschieben.

Und jetzt stand ich hier und versuchte mir irgendwie einen Überblick zu verschaffen. Hätte ich vorher gewusst, dass Backen so kompliziert war, dann hätte ich wohl einfach Muffins oder Fertigbackmischung gekauft.

Jetzt war ich aber schon so weit gekommen, da wollte ich keinen Rückzieher mehr machen. Der Kampf um die Kiwis sollte schließlich auch zu etwas gut gewesen sein.

Nachdenklich kratzte ich mich am Kopf und zupfte dabei ein paar Haare aus meinem Dutt heraus. Wenn ich nur den geringsten Schimmer hätte, wie ich anfangen sollte, dann wäre mir schon um einiges geholfen.

Unter all den Zutaten war das Kochbuch irgendwo begraben und jetzt musste ich es auch noch suchen. Vielleicht würde da ja stehen, wie ich anfangen sollte. Dafür musste ich aber erstmal alle Zutaten, die ich brauchen würde von der Arbeitsfläche auf die Theke umschichten.

Nachdem mir dabei die Eier davongerollt und auf dem Boden aufgeplatzt waren, segelte auch meine Laune in Richtung Keller. Fluchend wischte ich die Sauerei auf und knallte den Eimatsch in die Mülltonne. Einzig der Gedanke daran, Amy mit gutem Grund wiederzusehen trieb mich dazu an, an meinem Vorhaben festzuhalten.

Ich griff entschlossen nach dem Kochbuch und las mir die Anweisungen durch, wobei ich mich automatisch fragte, was ein Mixer war und ob ich so etwas überhaupt besaß. Kurzerhand griff ich nach meinem Handy, laut den Bildern bei Google war das komische Ding, dass ich zum Ventilator umfunktioniert hatte, ein Mixer.

Nachdem ich ewig nach einer Küchenwage gesucht hatte und diese neben ein paar Löffeln mit komischen Zacken gefunden hatte, stand dem Backen nichts mehr im Weg – dachte ich zumindest.

Die erste Anweisung klang einfach, erwies sich aber als tückischer als gedacht. Die Bananen hatte ich schnell geschält, bei den Kiwis gab es aber ein Problem. Die Schale ließ sich nicht so leicht abziehen und sobald ich etwas mehr davon mit einem Messer gelöst hatte glitschten mir die lästigen, grünen Früchte aus den Händen. Wenn ich denn mal eine fertig geschält hatte, war sie meist so zermatscht, dass ich nur noch froh war, dass das in den Muffins niemandem auffallen würde.

Hoch konzentriert schnitt ich das Obst klein und lauschte nebenbei der Stimme einer Nachrichtensprecherin, die für London Regen ankündigte – was für eine Überraschung. Kurz darauf dröhnte mir Arctic Monkeys Do I Wanna Know entgegen, die Klänge der Musik einer meiner Lieblingsbands entspannten mich zumindest ein wenig. Lächelnd sang ich mit und versuchte, mir nicht in die Finger zu hacken, ich würde bestimmt nicht unter die Meisterbäcker gehen, dabei war ich in meinem Job in Holmes Chapel gar nicht so schlecht gewesen. Nur hatten mich die letzten fünf Jahre Tiefkühlpizza gründlich verdorben.

Nach einem prüfenden Blick ins Rezept machte ich mich daran Butter, Eier, Zucker, Joghurt, Mehl und Backpulver in eine große Rührschüssel zu geben. Ich stöpselte den Mixer in die Steckdose und schaltete ihn dann direkt volle Pulle an, nur um ihn im nächsten Moment erschrocken wieder auszuschalten. Hustend stand ich in einer riesigen Mehl- und Zuckerwolke und versuchte, nichts von dem lästigen Staub in meine Lungen zu inhalieren.

Hustend und mit schiefgelegtem Kopf betrachtete ich die Sauerei in meiner Küche, langsam wurde mir klar, warum Köche immer Schürzen trugen, meine Klamotten konnte ich nachher ganz bestimmt in die Wäsche geben. Wie ich diesen Haufen an Zutaten in einen Teig verwandeln sollte, war für mich wie ein Buch mit sieben Siegeln. Ich hätte Mum früher besser zuhören sollen, wenn ich ihr mal beim Backen geholfen hatte. Das war ein Ratschlag, den ich meinem Geschwisterchen definitiv geben würde.

Es war immer noch komisch, daran zu denken, dass meine Mum wieder ein Kind erwartete. Vielleicht würde mein Bruder oder meine Schwester später mit meinen eigenen Kindern im Sandkasten spielen, unmöglich war es nicht.

Mutig wie ich war, startete ich direkt mal einen neuen Versuch, den Teig zu vermixen, diesmal nur auf Stufe 1 und nicht auf Stufe 5. Vorsichtig bewegte ich das Gerät in meiner Hand vor und zurück und stellte erfreut fest, dass ich diesmal keine Staubexplosion verursacht hatte. Langsam wurde ich immer mutiger und schaltete den Mixer immer weiter hoch, dabei beobachtete ich, wie die klumpige, staubige Masse langsam immer mehr Ähnlichkeit mit einem Teig annahm. Vielleicht wäre es auch schlauer gewesen, die Zutaten nacheinander miteinander zu vermengen und nicht alle auf einmal, aber hinterher war man ja immer schlauer.

Nachdem endlich alles ohne Klumpen miteinander vermischt war kramte ich einen Löffel heraus und schüttete die Kiwi- und Bananenstückchen auf den Teig. Mit dem Löffel rührte ich das Obst hinein, irgendwie musste ich es ja ordentlich verteilen. Der nächste Schritt im Rezept war, den Teig in Muffinförmchen zu füllen.

„Verdammte Scheiße", fluchend trat ich gegen das Tischbein und verschob meinen Küchentisch so um einige Zentimeter. Wie konnte ich Idiot nur die Muffinförmchen vergessen? Jetzt würde ich nochmal losgehen und welche kaufen müssen, das hieß ein neuer Höllentrip in London.

Genervt raufte ich mir das Haar und zerstörte meinen Dutt somit vollends. Ich betrachtete den Teig und überlegte, wie ich das vermeiden konnte nochmal in die Stadt fahren zu müssen. Da ich mit ziemlicher Sicherheit auch keine Kuchenform hatte, musste ich wohl oder übel in den sauren Apfel beißen und nochmal los. Missmutig schlüpfte ich in meine Schuhe und griff nach meiner Jacke, hielt dann aber inne und grinste. Vielleicht bestand doch noch eine Chance, dass ich nicht nochmal hinaus in den Nieselregen musste.

Schnell griff ich nach meinen Hausschlüsseln und lief beschwingten Schrittes die Treppen hinunter zu meiner Nachbarin Mrs. Huges Sie war eine nette, alte Dame, die mir bereits mehrmals angeboten hatte, mein Pflanzen zu gießen, wenn ich unterwegs war. Nur hatte ich sie bis jetzt immer enttäuschen müssen. Da ich keinen grünen Daumen besaß, hatte ich auf Pflanzen jeglicher Art verzichtet. Bei meinem Talent würde ich sogar eine Kaktee zum Verdorren bringen, oder sie überwässern, wenn das denn möglich war.

Lächelnd klopfte ich nun an die Tür meiner Nachbarin und wartete ab. Schon kurz darauf hörte ich schnelle, leise Tippelschritte und schließlich öffnete sich die Tür. Mrs. Huges lächelte mich an, offensichtlich überrascht über meinen Besuch.

„Harry, was machst du denn hier? Hast du dich etwa ausgesperrt Kindchen?"

Bei dem Wort Kindchen verzog ich automatisch das Gesicht, so nannte mich meine Großmutter auch immer, es war ihr Lieblingskosename für mich, gleich nach Purzelchen. Ich lächelte sie aber weiter an und beugte mich hinunter zu ihrer Katze, Blueberry, und kraulte diese hinter den Ohren.

„Oh nein Mrs. Huges, ich bin grade dabei zu backen und wollte Sie frage, ob sie eventuell Muffinförmchen haben und ob Sie mir diese ausleihen würden?" Ich setzte mein charmantestes Lächeln auf und stellte erfreut fest, dass es auch bei der alten Lady funktionierte. Sie ließ mich sofort in ihre Wohnung und tippelte zurück in ihre Küche.

„Oh natürlich Kindchen, einen Moment", rief sie über ihre Schulter. Kurz darauf hörte ich Töpfe, Pfannen und was sonst noch alles klappern. Es schepperte so laut, das Blueberry sich ängstlich an meine Beine presste und fauchte. Beruhigend kraulte ich die Katze hinter den Ohren und lächelte zufrieden, als sie ihren Schnurrmotor anwarf.

„Ich hab sie hier, brauchst du auch noch Zuckerguss oder etwas in der Art?" Die alte Dame lächelte mich warm an und reichte mir hübsche, rosane Förmchen, nicht grade sehr männlich, aber der Inhalt war das eigentlich Entscheidende.

„Nein danke, das ist alles." So höflich wie möglich versuchte ich den Rückzug anzutreten, ich wollte eigentlich noch vor heute Abend fertig werden.

„Na gut Kindchen, aber vergiss nicht, dass die Muffins noch auskühlen müssen bevor ihr euch über sie hermacht", zwinkerte Mrs. Huges, bevor sie mir in die Wange zwickte. Warum alte Menschen diesen Tick hatten war mir schleierhaft, vielleicht weil die Haut bei ihnen nicht mehr so dehnbar war. Trotzdem war ich dankbar für ihren Rat, von auskühlen hatte ich in dem Rezept nämlich nichts gelesen.

Lächelnd verabschiedete ich mich von meiner Nachbarin und strich Blueberry nochmal über das weiche Fell, bevor ich mich auf den Weg zurück in meine Wohnung machte. In meiner Küche herrschte noch immer Chaos, aber das würde ich beseitigen, solange die Muffins im Ofen garten. Nannte man das garen oder war der korrekte Begriff backen – ich hatte keine Ahnung.

Konzentriert verteilte ich die Förmchen in gleichmäßigen Abständen auf dem Backblech und überlegte währenddessen, wie ich den Teig möglichst unfallfrei in diese kleinen Gefäße bekommen sollte. Mittlerweile hatte ich immer mehr Respekt vor meiner Mutter und ihren Backkünsten.

Ich entschied mich für die Löffel Variante. Mit einem einfachen Löffel wollte ich den Teig aus der Schale in die Muffinförmchen füllen. Leider stellte sich dieses Unterfangen als recht schwierig heraus. Entweder ich nahm zu wenig Teig und er wollte sich nicht vom Löffel lösen, oder ich hatte zu viel Teig aufgenommen und die Hälfte floss an den Seiten herunter. Langsam riss mir wirklich der Geduldsfaden, wenn das so weiter ging würde ich Amelia nicht vor nächstem Jahr wiedersehen. Irgendwann schaffte ich es aber endlich, den letzten Rest Teig in die Förmchen zu verfrachten und schob das Blech in den Backofen. Vorsorglich stellte ich mir gleich drei Wecker, damit mir die guten Teile ja nicht verkohlten. Um auf den letzten Metern noch zu scheitern hatten meine Nerven heute zu viel mitgemacht.

Während sich die Muffins im Backofen eine vornehme Bräune aneigneten machte ich mich daran, meine Küche sauber zu schrubben. Überall lagen Ei- und Kiwischalenreste herum, eine dicke Mehlschlicht hatte unheimliche Ähnlichkeit mit dem Schneematsch in London, weil es sich mit Ei- und anderen Resten vermischt hatte. Selbst als die Muffins gut durchgebacken war, war meine Küche noch immer ein Schlachtfeld. Seufzend sah ich mich nach einem sauberen Plätzchen um und stellte das Backblech schließlich auf den Herd, auch wenn ich die Stimme meiner Mutter deutlich hören konnte, die mir sagte, dass das nicht gut sei.

Während die Muffins abkühlten schrubbte ich meine Arbeitsplatte sauber und sah mich nach einer geeigneten Transportmöglichkeit für das kostbare Gebäck um. Irgendwie musste ich es heil zu Amelias Arbeitsplatz bringen und dafür würde sich die gute alte Tupperbox wohl am besten eignen.

Vorsichtig stellte ich die Muffins hinein und sah kurz auf mein Handy, nur um festzustellen, dass ich den gesamten Vormittag und den halben Nachmittag mit backen vergeudet hatte. Hoffentlich war es den Aufwand am Ende auch wert.

Schnell huschte ich noch in mein Schlafzimmer und suchte dort nach frischer Kleidung, die nicht mit Mehl oder anderer Backware bestäubt war. Erneut prüfte ich mein Handy, als es vibrierte und musste schmunzeln. Louis hatte uns ein Bild von seinem Sohn geschickt, wie der Kleine seine Mama aus großen Augen anhimmelte. Vielleicht war für ihn als Vater doch noch nicht alles verloren.

Mit erheblich besserer Laune machte ich mich auf den Weg zu Amelia. Weil ich keine Lust auf öffentliche Verkehrsmittel hatte und dem Risiko erkannt zu werden, aus dem Weg gehen wollte, nahm ich heute lieber die Strapazen des dichten Londoner Verkehrs auf mich und suchte über eine viertel Stunde nach einem Parkplatz. Dennoch war ich außergewöhnlich entspannt, wahrscheinlich weil ich gleich in ein Paradies sondergleichen eintauchen konnte und mir vielleicht ein paar neue Schallplatten für den Plattenspieler aussuchen würde. Daran, dass meine gute Laune von einer hübschen brünetten verursacht worden war, wollte ich gar nicht denken. So einen großen Einfluss hatte Amelia nicht auf mich.

Fröhlich pfeifend lief ich zu dem Musikladen, der auch heute nicht allzu gut besucht war. Unbewusst fragte ich mich, ob sie nur von dem kargen Geschäft hier leben mussten, oder ob sie noch irgendwo ein zusätzliches Einkommen hatten. Nur hiervon zu leben stellte ich mir recht schwer vor.

Lächelnd betrat ich den Laden, das Glöckchen über mir bimmelte freundlich und kündigte mein Eintreffen an. Neugierig sah ich mich um, die Box mit den Muffins fest in meinen Händen und lächelte, als ich ein mir nur allzu bekanntes Paar blaue Augen sah. Amelia stand mir zugewandt an einem CD-Fach und sortierte allem Anschein nach Discs ein. Als das Glöckchen bimmelte, hob sie kurz den Blick, widmete sich dann aber wieder den CDs. Die mussten wohl ziemlich wichtig sein. Mir blieb nicht mal die Zeit, sie kurz anzulächeln.

Trotzdem nahm ich all meinen Mut zusammen und trat neben sie. „Hey", begrüßte ich die Brünette kurz und tat so, als würden mich die CDs brennend interessieren. Amelia drehte ihren Kopf zu mir und deutete auf die Dose in meinen Händen.

„Wenn du was klauen willst, dann solltest du etwas Unauffälligeres zum verstecken des Diebesgutes auswählen." An ihren Lippen zupfte ein schwaches Lächeln und ich konnte nicht anders, als sie strahlend anzulächeln.

„Es ist kein Versteck für Diebesgut. Genau genommen möchte ich etwas hier lassen und nichts mitnehmen", erklärte ich und öffnete dabei die Box, damit sie mein Tageswerk bewundern konnte. „Du meintest neulich, dass ich besser nicht scherzen sollte, wenn es um Essen geht. Und weil ich dir Muffins versprochen habe..." Ich ließ den Satz offen stehen und hielt ihr stattdessen die Dose unter die Nase, damit sie sich bedienen konnte.

Amelia beäugte die Muffins einen Moment, hob dann aber den Blick und sah mich ungläubig an. „Du hast für mich gebacken? Wieso?"

Etwas enttäuscht, dass sie sich nicht freute, brauchte ich einen Moment um mich zu fangen. In ihren Augen lag ein unausgesprochener Vorwurf, den ich nicht verstand, ich wollte nur nett sein und ihr eine Freude machen.

Mit letzter Kraft hielt ich mein Lächeln aufrecht und fuhr mir unsicher durch mein langes Haar. „Vielleicht hatte ich auch einfach Lust zu backen, weil ich das in meiner Freizeit ganz gerne mal mache und wollte sie nicht ganz alleine essen", entgegnete ich wenig überzeugend. Das schien auch Amy nicht zu entgehen, so skeptisch wie sie mich musterte.

„Du backst in deiner Freizeit? Das hätte ich jetzt nicht gedacht." Noch immer skeptisch sah sie meine Muffins an, ich wartete geradezu darauf, dass sie meine Lüge entlarvte.

„Ich bitte dich, ich hab in einer Bäckerei gearbeitet, bevor ich mit den Jungs auf Tour gegangen bin."

Ich wusste nicht genau warum, aber immer wenn ich in ihrer Nähe war oder mit ihr sprach, was ich zugegebenermaßen noch nicht sonderlich oft getan hatte, überkam mich das drängende Bedürfnis, all mein Handeln rechtfertigen zu müssen. Ihre klaren, blauen Augen musterten mich eindringlich. Es war mir aber nicht unangenehm, so von ihr angesehen zu werden, denn obwohl sie immer noch vorwurfsvoll guckte, lag in ihren Augen auch eine Wärme, die ich so noch nicht gesehen hatte, bei niemandem. Als sie eine Hand ausstreckte dachte ich kurz, sie würde mich berühren und mein Herz beschleunigte seinen Rhythmus etwas.

Amelia nahm sich einen Muffin, mein Herz sank mir in die Hosen. Keine Berührungen, war vielleicht auch besser so.

Mir lief kalter Schweiß den Rücken hinunter, als mir auffiel, dass ich die Muffins noch gar nicht probiert hatte. Was, wenn ich irgendeinen Fehler gemacht hatte und sie jetzt total eklig schmecken würden? Nervös beobachtete ich, wie Amelia vorsichtig von dem Muffin abbiss und kaute. Ihr Gesicht verriet dabei keine Regung, als würde sie eine Maske tragen, die keine Emotionen durchließ.

„Mhhh", machte sie und dann schloss sie ihre Augen. Ihre Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, das auch mich lächeln ließ. Langsam hob und senkte sich ihr Kopf zu einem anerkennenden Nicken. „Die sind wirklich gut", nuschelte sie mit vollem Mund. Zufrieden registrierte ich, wie sie gleich noch einen Bissen nahm. Im Handumdrehen hatte sie den ersten Muffin vertilgt und nahm sich mit einem schüchternen Lächeln noch einen zweiten.

„Man merkt, dass du in einer Bäckerei gearbeitet hast. Solle deine Karriere als Sängerknabe nichts mehr werden, kannst du deine eigene Konditorei aufmachen. Das vermarktet sich bestimmt wie von selbst." Als sie aufgegessen hatte, sah sie sich verstohlen um, die Nervosität war ihr deutlich anzusehen.

„Was ist los?"

Amelia trat von einem Fuß auf den Anderen, ihr Blick huschte durch den Laden, bevor sie sich wieder mir zuwandte. „Ich muss wieder arbeiten Harry, wenn ich das nicht tue, bekomme ich ärger", wisperte sie leise.

Die Art, wie sie meinen Namen aussprach machte mich irgendwie nervös. Er klang so intim aus ihrem Mund, wie ein Geheimnis, dass nur wir teilten.

In meinem Kopf ratterte es und ich konnte ein selbstzufriedenes Grinsen kaum unterdrücken, als mir ein Ausweg einfiel, wie Amy keinen Ärger bekommen würde.

„Würdest du mir vielleicht die Gitarren zeige?", fragte ich und lächelte sie an. Bedauernd beobachtete ich, wie Amelia nur schwer ein Augenrollen unterdrücken konnte und fragte mich zum wiederholten Male, was sie gegen mich hatte. War ich wirklich so abstoßend und eingebildet, dass sie nichts mit mir zu tun haben wollte?

„Warum? Du bist als Sänger erfolgreich, wozu musst du da noch Gitarre spielen können?" Die Feindseligkeit, die in ihrer Stimme lag, tat mir nahezu körperlich weh.

Schwer schluckend sah ich Amelia an und zögerte einen Moment, bevor ich antwortete. „Ich liebe die Musik und Gitarre spielen ist etwas, dass ich besser beherrsche als Klavier zu spielen. Daran bin ich kläglich gescheitert", erklärte ich, auch wenn es ihre Frage vielleicht nicht ganz beantworten mochte.

Amelia nickte langsam, offenkundig noch nicht ganz überzeugt, aber sie stellte keine weiteren Fragen. Stattdessen deutet sie auf die Treppe. „Gitarren sind im ersten Stock zu finden." Langsam setzte sie sich in Bewegung und ich folgte ihr. Nur schwer konnte ich mich beherrschen, ihr auf den wohl geformten Po zu starren, aber ich wollte mich nicht noch mehr vor Amelia blamieren, als ohnehin schon.

„Nach was für einer Gitarre suchst du denn?" Ihre blauen Augen lagen auf mir, während ich mich staunend umsah. Das hier würde der siebte Himmel für Niall sein.

„Keine bestimmte. Ich mag es gerne, mich umzusehen und zu schauen, was mich anspricht." Langsam drehte ich meinen Kopf wieder zu Amelia und sah sie an. „Was kannst du mir denn empfehlen?"

Amy lächelte und schüttelte leicht den Kopf. „Ganz ehrlich? Keine Ahnung. Dazu müsstest du mir erstmal sagen, wozu du die Gitarre brauchst. Möchtest du damit auf die Bühne? Einfach nur so zum Spielen in der Freizeit? Es gibt so viele Möglichkeiten."

Ein Lächeln schlich sich auf meine Lippen, während ich ihr zuhörte. Auch wenn ich mich dem Eindruck nicht entziehen konnte, dass sie lieber wo anders arbeiten würde, sie hatte Ahnung von dem, was sie tat. Leider brachte grade ihre Fachkenntnis mich in eine unangenehme Lage, denn eigentlich brauchte ich gar keine neue Gitarre. Ich hatte bereits ein schönes Exemplar von Niall zu meinem letzten Geburtstag bekommen.

„Ehr für die Freizeit, vielleicht um zu komponieren, oder für Abende am Lagerfeuer", saugte ich mir aus den Fingern, auch wenn mich der Gedanke etwas traurig stimmte. Wie viele Abende mit den Jungs würde es noch geben? Würde es überhaupt je wieder einen Abend wie früher geben, mit Lagerfeuer, Marshmallows und Stockbrot, wo wir einfach wir selbst waren und rumalberten?

Amelia lief an mir vorbei, dabei nahm ich ihren leicht süßlichen Vanillegeruch wahr. Sie sah so zerbrechlich und süß aus und war doch nach außen hin kalt wie Stein. Nur zu gern hätte ich gewusst, warum sie so kalt war. Dafür musste es einen Grund geben.

„Ich empfehle dir die hier." Mit zitternder Hand hielt sie mir eine Gitarre entgegen, die ich ihr vorsichtig abnahm. Ihre Hand war kalt, noch kälter als Gemmas Eisfinger.

Vorsichtig strich ich an den Saiten entlang und lächelte, bei den vollen Klängen, die ich dem Korpus dieses Instruments entlocken konnte. Es war schon viel zu lange her, dass ich das letzte Mal musiziert hatte, vielleicht war es jetzt an der Zeit, das zu ändern. Behutsam strich ich über das glatte, glänzende Holz und betrachtete einige, ruhige Momente die Gitarre in meinen Händen. Es war ein schönes Instrument, gut gearbeitet, soweit ich als Leihe das beurteilen konnte.

Langsam hob ich den Blick und ertappte Amelia dabei, wie sich mich beobachtete. Sogleich wandte sie den Blick ab und sah stattdessen auf die Gitarre in meinen Händen.

„Ich denke ich nehme sie." Ich sprach nur sehr Leise, anders als üblich lief hier im Hintergrund keine Musik und außer Amelias und meiner Stimme waren keine weiteren Geräusche zu hören.

Amelia lachte bitter auf und sah mich an. „Natürlich was auch sonst. Die Gitarre gefällt dir, also wird sie auch gekauft. Ist ja nicht so, dass andere Familien Jahre lang für so ein Instrument sparen müssen, was du mal eben so ganz spontan mitnimmst. Du hast keine Ahnung, wie es ist zu wenig von etwas zu haben, oder?"

Unter ihren Worten zuckte ich zusammen und starrte auf meine Hände. Schlanke Finger, perfekt zum Klavier spielen geeignet, nur leider besaß ich grade für dieses majestätische Instrument kein Talent. Nur zögerlich hob ich meinen Kopf und begegnete ihrem harten Blick.

„Oh doch das habe ich. Denkst du etwa, ich war immer schon so reich? Meine Mum hatte früher zwei Jobs um meine Schwester und mich über die Runden zu bringen und musste ihren Stolz herunterschlucken, um von meinem Vater Unterhalt zu fordern", gab ich bitter zurück. Amelia schwieg und sah mich einfach nur an.

„Warst du mal in Afrika? Ich war da und glaub mir, die Kinder dort leiden viel mehr, als wir es uns auch nur vorstellen können. Glaub ja nicht, nur weil ich Geld habe, wüsste ich nicht, wie schwer das Leben sein kann." Mittlerweile hatte ich meine Stimme erhoben, zwang mich aber, leiser zu sprechen. Wenn Amelias Mutter mitbekam, dass sich ihre Tochter mit einem Kunden stritt, würde sie bestimmt Ärger bekommen und das wollte ich vermeiden. Ich wollte nicht, dass sie mir auch noch dafür die Schuld geben konnte.

„Ich würde dann jetzt gerne die Gitarre kaufen, wenn es genehm wäre", schloss ich meinen kleinen Ausbruch und atmete tief ein und aus.

Entgegen meiner Erwartungen wirkte Amelia nicht im Mindesten sauer, sie lächelte sogar. „Tut mir leid. Ich dachte nur, du wärst wie die anderen auch."

Kaum traute ich meinen Ohren, hatte sie sich grade wirklich bei mir entschuldigt? Mir blieb nicht viel Zeit darüber nachzudenken und wen sie mit die anderen meinte. Die junge Brünette hatte mir die Gitarre schon abgenommen und lief vor mir her nach unten, eine Hand immer am Treppengeländer, als fürchte sie, sie könne stürzen.

An der Kasse tippte sie mit zittrigen Fingern den Preis ein und bekam von mir umgehend das Geld ausgehändigt. Normalerweise trug ich eigentlich nicht so viel Bargeld mit mir herum, aber als hätte ich es geahnt, hatte ich gestern nach dem Einkaufen noch Geld abgehoben.

Amelia steckte das Geld in die Kasse und reichte mir die Gitarre, in einem schlichten Koffer verstaut. Das Zittern ihrer Hände irritierte mich. Im Laden war es gar nicht so kalt, als dass sie einen Grund hatte, so sehr zu zittern.

Nachdenklich betrachtete ich die junge Frau und musste mir eingestehen, dass ich am liebsten noch etwas mehr Zeit mit ihr verbringen würde, mehr über sie erfahren wollte. Leider hatte ich keinen guten Grund, noch länger hier zu bleiben.

„Amelia? Hättest du vielleicht Lust heute Abend mit mir ins Kino zu gehen? Als kleines Dankeschön für die gute Beratung." Meine Lippen waren mal wieder schneller als mein Gehirn.

Vor meinem inneren Auge sah ich Louis, der sich bei meinen Flirtversuchen mit der flachen Hand gegen die Stirn schlug und abwertend den Kopf schüttelte. Ich konnte das besser, das hatte ich des Öfteren bewiesen, aber Amelia brachte mich irgendwie aus dem Gleichgewicht.

Sie sah mich überrascht an, in ihren Augen blitzte der Schalk auf. „Tut mir leid, aber ich gehe nicht fremden Männern aus", erwiderte sie keck und ließ meine Hoffnung einfach so zerplatzen.

„Und wie willst du mich besser kennen lernen, wenn du nicht mit mir ausgehst? So bleibe ich doch auf ewig ein Fremder für dich." Ich merkte selbst, dass ich verzweifelt klang. Es wäre wohl besser wenn sich jetzt ein Loch unter mir auftäte und ich im Erdboden versinken würde. Jetzt auf der Stelle.

Amelia lächelte und stützte sich auf der Arbeitsfläche ab. „Wir können gerne mal ausgehen, Feiern oder so. Aber dann in Gesellschaft und nicht so, als würden wir auf ein Date gehen." Das Lächeln auf ihren Lippen vertiefte sich noch etwas und entblößte leichte Grübchen.

Langsam nickte ich und lief rückwärts zur Tür. „Darauf werde ich zurückkommen. Hab einen schönen Abend." Hastig öffnete ich die Tür und stolperte nahezu aus dem Geschäft heraus.

Wie konnte ich nur so dumm sein. Ich machte mich komplett zum Deppen. Und das alles nur wegen einer jungen Frau. Einer zugegebenermaßen ziemlich hübschen jungen Frau mit einer gewissen Anziehungskraft . Dennoch war ich schon in ganz anderen Situationen gelassen geblieben. Wieso ich das vor Amelia nicht konnte, wusste ich nicht. Aber ich musste es schnellstens herausfinden. Wenn ich auch nur im Entferntesten eine Chance bei ihr haben wollte, sei es auch nur als guter Freund, musste ich schleunigst meine innere Coolness wiederfinden.

Momentan fiel mir nur eine Person ein, die mir dabei helfen konnte und so machte ich mich auf den Weg zu demjenigen, bei dem ich von je her Ratschläge und Unterstützung finden konnte.



Für Sarah, weil Kiwi-Bananen-Muffins wirklich gut schmecken.

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