Der Kuss des Mondes - Darkadi...

Por Phantastopia

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»Rieche ich da Pheromone? Junge, es wird Zeit, dass du deinen Frieden mit deinem Wolf machst.« --- Der schüch... Más

Vorwort
Dramatis Personae - Die Figuren
Kapitel 1 - Bethlen Plaza
Kapitel 2 - Venus
Kapitel 3 - In flagranti
Kapitel 4 - Der Kampf
Kapitel 6 - Die Entführung
Kapitel 7 - Die Strafe
Der Abspann: Fun & Facts

Kapitel 5 - Vollmond

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Por Phantastopia

Übelkeit weckte ihn. Sein Kopf dröhnte wie das Innere einer Kirchenglocke um Mitternacht. Er kroch ins Bad und übergab sich. Er erinnerte sich nur undeutlich an die Taxifahrt, und er konnte sich nicht erklären, wie er in sein Bett gekommen war. Vor der Kloschüssel sank er zusammen. Schmerzen zogen durch seinen Unterleib, und er krümmte sich mit einem Keuchen wie ein Erdnussflip. Er wartete die Schmerzwelle ab, die durch ihn hindurch rollte. Heute war die erste Vollmondnacht. Er fluchte durch die Zähne und rappelte sich auf. 

Der Blick in den Spiegel bestätigte seine schlimmsten Befürchtungen: Er sah übel aus. Blut und Dreck machten sein Gesicht unkenntlich. Seine Nase schmerzte höllisch und sah schief aus. Seine linke Gesichtshälfte war aufgeschürft, und er hatte eine Platzwunde an der Stirn. Seine Mutter durfte ihn auf keinen Fall so sehen. 

Vorsichtig tastete er seine Nase ab. Sie war gebrochen. Er nahm sie in beide Handflächen und richtete sie mit einem Ruck wieder an ihren Platz. Den Trick hatte er im Knast gelernt. Er griff zu einem Waschlappen, tränkte ihn unter fließendem Wasser und tupfte sich das Blut aus dem Gesicht. 

Sein Bart war über Nacht auf fünf Millimeter nachgewachsen. Kurz vor den Wolfsnächten war Rasieren vergebens, ganz egal, wieviel Wolfskrauttee er in sich hineinkippte. Ihm waren eindrucksvolle Koteletten gewachsen, noch nicht im Louis-Style, aber sehenswert. Ratlos holte er den Rasierer und die Creme aus dem Schrank, musterte ihn und stellte dann beides wieder zurück. 

»Adrian?«, hörte er seine Mutter von unten rufen, »Bist du wach?«

»Ja, ich komm gleich«, rief er heiser. Er hustete.

»Hast du dich erkältet?«

»Nein, alles gut.« 

Er drehte die Dusche auf, zog sich unter Schmerzen aus, stellte sich unter das Wasser und versuchte, sich aufs Atmen zu konzentrieren. Sein Körper war übersät mit Blessuren und mit Csillas Duft, den er von sich wusch. 

Zu allem Übel lagen die Wolfsnächte vor ihm: Drei Nächte lang war er ihrem Rhythmus unterworfen. Normalerweise unterdrückte er die Verwandlung mit einem Trank auf der Basis von Wolfskraut, aber sein Vorrat ging zur Neige und er hatte kein Geld, um Neues zu kaufen. Er fluchte laut und schlug in plötzlicher Wut gegen die Fliesen, die unter dem Einschlag brachen. Adrian starrte den Riss an. Blut floss in einem dünnen Rinnsal die Wand hinab.

»Scheiße«, fluchte er. 

Den Schaden würde er dem Vermieter melden müssen. Und seiner Mutter. Er fluchte erneut. Seine Hand blutete. Er hielt sie unter das Wasser, um das Blut abzuspülen. Es dauerte keine Minute, bis die Wunde sich schloss, eine Nebenwirkung der Wolfswerdung. Er stellte das Wasser ab und stieg aus der Dusche.

Schmerz zog wieder durch seinen Unterleib und zwang ihn in die Knie. Eine Welle von Krämpfen zog durch seinen Körper. Seine Hände krallten sich in den schäbigen Badezimmerteppich. Woge um Woge ging durch ihn und ließ ihn zitternd und kraftlos zurück. Nicht zum ersten Mal fragte er sich, ob andere Werwölfe ähnliches durchmachten und wie sie diese Tortur überstanden. Bei Léon sah es so leicht aus. Er selbst litt jedes Mal Höllenqualen ab einer Woche vor Vollmond. 

Er zog sich wieder auf die Beine und betrachtete sein Spiegelbild. Das Blut war fortgewaschen, aber die Hämatome würden noch eine Weile zu sehen sein. Seine Augen waren blutunterlaufen und lagen in schwarzen Höhlen. Einzig die Koteletten ließen ihn älter und wilder aussehen – ein bisschen wie Wolverine aus seinem Lieblingscomic, fand er. Er zeigte seinem Spiegelbild die Zähne und knurrte probehalber. Blut rauschte durch seine Adern. Ihm wurde heiß.

Er lief zurück in sein Zimmer und zog sich eine saubere Jeans, ein Iron-Maiden-T-Shirt und einen Hoodie an. Sein Blick fiel auf seine Wolfskrautpflanzen auf der Fensterbank. Eine war vertrocknet, die anderen abgeerntet. Im Gefängnis war ihm die Pflege besser gelungen. 

Zum ersten Mal sah er auf die Uhr. Es war früher Nachmittag. Er fluchte. Die Zeit rannte ihm davon. Er musste sich im Keller der alten Turnhalle einsperren, doch vorher wollte er seinen Anteil von David abholen. Marchetti wartete schon auf die nächste Rate. Er seufzte. Und dann war da noch Csilla. Sein Hals wurde dick bei dem Gedanken an sie.

»Adrian? Ist alles in Ordnung bei dir?«, rief seine Mutter von unten. 

»Ja, alles ok. Ich bin nochmal weg«, rief er mit einem genervten Unterton zurück, schnappte sich seine Lederjacke und lief die Treppe hinunter und zur Tür hinaus, bevor sie den Kopf aus der Küchentür stecken konnte. 

~~~

Er lief mit hochgeschlagener Kapuze durch die Stadt. Regen verwandelte die Straße in eine Seenlandschaft, die den grauschwarzen Himmel spiegelte und dem Tag jegliche Farbe entzog.

Prima, dachte er, das ist wie in einem Comic, wo man schon am Wetter erkennt, dass der Tag Probleme für den Helden bringt. 

Adrian hatte beide Hände in die Jackentaschen gesteckt und zog die Kapuze seines Hoodies tiefer ins Gesicht. Sein Ziel war das »Claws«, eine schäbige Kneipe in einem besetzten Häuserviertel. Hier trieben sich Punks, Junkies und der Abschaum der Gesellschaft herum: Die Armen, die Trinker, die Süchtigen, mehr als die Hälfte von ihnen Halbdämonen. 

Ein Schatten baute sich vor ihm auf, ein Penner. Er roch nach Schnaps und war ziemlich betrunken, aber er fuchtelte mit einem Klappmesser vor Adrians Nase herum. Adrian blieb stehen und sah den Mann ernst an. Er hatte keine Zeit für Verzögerungen. 

»Lass mich vorbei«, sagte er. 

»Na, na, Jüngchen. Du musst erst Wegzoll bezahlen«, nuschelte der Mann und kicherte. 

Adrian warf einen Blick um sich und schnupperte instinktiv in alle Richtungen. Der Mann schien allein zu sein. Er kam näher auf ihn zu, wobei er mit zittriger Hand das Messer hielt. 

Tief in Adrian legte sich ein Schalter um. Er stürmte auf den Mann zu, schlug ihm das Messer aus der Hand und brachte ihn mit einem Hieb zu Fall. Der Alte heulte auf. Adrian starrte ihn an, ehe er das Messer aufhob, einklappte und ihm vor die Füße warf. 

»Ich hab keine Zeit für sowas«, murmelte er. Er begann, zu laufen. Es war nicht mehr weit bis zum »Claws«. Er erreichte es, ohne außer Atem zu kommen. Die Fenster zur Straße waren schwarz verkleidet, der Eingang unscheinbar. 

Ein paar Punks standen etwas abseits um eine brennende Metalltonne versammelt und ließen eine Schnapsflasche kreisen. Aus ihrem Ghettoblaster schepperten die Sex Pistols. Die Batterien schienen fast leer zu sein, die Kassette leierte unerträglich. Adrian vermied Blickkontakt und betrat geradewegs die Kneipe. Der Fußboden klebte wie ein Pelz auf der Zunge nach einer durchzechten Nacht. Der Dunst von Bier, Whiskey und kaltem Zigarettenrauch hing in der Luft und blecherner, englischer Garagenpunk plärrte aus den Boxen. Adrian steuerte auf den hinteren Teil zu, wo er David in seiner gewohnten Ecke fand. Er war mit einem dürftig bekleideten Mädchen auf seinem Schoß beschäftigt. Als Adrian auftauchte, flüsterte er ihr etwas zu und sie verschwand. 

»Adrian«, er zischte, als er sein Gesicht sah, »Junge, wer hat dich so zugerichtet?«

David beugte sich vor, sodass der Lichtkegel der spärlichen Beleuchtung tiefe Schatten unter seine Augen warf. Er war ein großer Kerl mit einem pechschwarzen Irokesenschnitt und zehn Ohrringen in jedem Ohr. Sein breiter Hals war mit Runen tätowiert und Ketten behangen. Er war ein Halbdämon, kein Werwolf, und er kontrollierte in der Gegend die Drogengeschäfte, wodurch er regelmäßig Stress mit Bethlens Gorillas bekam. Er warf Adrian ein Bündel Scheine auf den Tisch.

»Tausend«, sagte er und setzte eine geheimnisvolle Miene auf, »Das war gute Arbeit gestern. Ich hätte noch einen Job für dich.«

Adrian streckte die Hand nach dem Geld aus. Er konnte es nehmen und verschwinden und die letzte Nacht vergessen. 

»Ich arbeite nicht mehr für Bethlen«, sagte er.

»Wir müssen nur ein Paket abliefern. Ich brauche einen Fahrer. Bist du dabei?«

Adrian überlegte. Er brauchte das Geld, gerade jetzt, nachdem er seinen Job verloren hatte.

»Wieviel?«

»Zweitausend.«

Adrian musterte David skeptisch. Zweitausend Mark für eine Fahrt schien ihm recht hoch. Nicht, dass er sich beschweren wollte, aber das klang nach Schwierigkeiten. 

»Wann?«

»Jetzt gleich. Du bist in einer Stunde fertig.«

Adrian seufzte. Eine Stunde würde reichen, damit er es rechtzeitig in sein Versteck schaffte. Er nickte. 

David erhob sich breit grinsend. Er winkte ihm mit dem Zeigefinger wie die sprichwörtliche Hexe aus dem Märchen, in sein Pfefferkuchenhaus zu folgen. Adrian steckte die tausend Mark in die Gesäßtasche seiner Jeans und folgte ihm in den hinteren Teil des »Claws«.

Es war kalt und es stank nach verstopfter Toilette und billigem Schnaps. Jemand, vermutlich der Fahrer, lag halb bekleidet auf dem vermüllten Flur in seinem Erbrochenen und schnarchte. Sie stiegen über ihn und erreichten eine verschlossene Tür am Ende des Flurs. David schloss auf.

Es war eisig in dem winzigen, fensterlosen Raum. Ein schimmeliger Kühlschrank stand in der Ecke, an der Wand waren Rohre verlegt. An eins dieser Rohre war eine schlanke Gestalt mit Handschellen gefesselt und starrte sie zornig an. Sie trug nur einen Schuh an ihren Füßen, einen Glitzer-Pump, der zu ihrem Kleid passte. Für Adrian blieb die Zeit stehen. 

Csilla trug noch immer ihr Abendkleid, aber es war zum Teil gerissen und wies Spuren von Blut auf. Sie blutete aus einer Wunde an der Schläfe und hatte einen blauen Fleck am Oberarm. Der Abdruck sah aus wie von einer Hand. Adrian ballte seine Fäuste, unfähig, sich zu bewegen. Sie war geknebelt und schrie wütend, als ihr Blick seinen traf. 

Was hatte er getan? Entsetzt starrte er David an, der sich mit einem ekelhaften Grinsen im Gesicht zu ihr hinab beugte.

»Na, Süße? Angenehme Nacht verbracht?«

David schloss ihre Handschellen auf und zog sie unsanft auf die Beine. Dann packte er sie grob am Handgelenk, fesselte wieder ihre Hände, und schob sie an Adrian vorbei nach draußen. Er warf ihm die Autoschlüssel zu.

»Der Van steht hinten. Los, Junge. Unser Auftraggeber ist ungeduldig.«

Wie betäubt folgte Adrian ihnen. In seiner Brust breitete sich wütende Hitze aus, sein Herz schlug in einem rasanten Stakkato. Der Regen strömte noch immer auf sie hinab, doch Adrian spürte ihn nicht auf seiner Haut. David setzte sie in den hinteren Teil des Vans und sich daneben. In seiner Hand hielt er plötzlich eine Pistole, mit der er nervös herumfuchtelte.

»Fahr schon, Kleiner.«

Adrian begegnete Csillas Blick über den Rückspiegel und wünschte sich, dass er ihr sagen könnte, wie leid ihm das alles tat. Es war seine Schuld. Aber er würde es wieder gutmachen. Er trat aufs Gas.

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