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Door xasterismxs

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❝Du bist überall❞, antwortete sie schließlich. ❝Du bist in meinem Kopf, in meinem Herz, in meiner Seele. Und... Meer

v o r w o r t
p l a y l i s t
0 0 | d i e w a h l h a b e n
0 1 | s c h w e i g e n d e r ä u m e
0 2 | n i c h t i n n e h a l t e n
0 3 | s c h u t t u n d a s c h e
0 4 | e i n e m v o n u n s
0 6 | g u t f ü r m i c h
0 7 | g u t e s e e l e
0 8 | z a h n f e e
0 9 | z e r b r e c h e n
1 0 | k o n s t a n t e
1 1 | w a s e s k o s t e t
1 2 | l i c h t j a h r e
1 3 | d o p p e l t e g r ö ß e
1 4 | z u f ü h l e n
1 5 | v e r g e b u n g
1 6 | n e u g i e r
1 7 | o h n e r ü c k s i c h t
1 8 | a r m e s h e r z
1 9 | f l i e h k r a f t
2 0 | e i n e w e i l e i c h s e i n
2 1 | i c h b i n h i e r
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2 3 | h ä t t e s e i n k ö n n e n
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Door xasterismxs

r o b i n

STALKING SCHIEN VON nun an auf meiner Agenda zu stehen.

Ich wusste, wovon ich redete. Nachdem ich bereits zwei Fans über das Geländer des Balkons meines Hotelzimmers hatte klettern sehen – mitten in der Nacht und nur in eines meiner Trikots gekleidet – wusste ich bereits das ein oder andere über Aufdringlichkeit. Ich wusste, dass sie in meinem Berufsfeld wohl unvermeidbar war. Dass ich es keinem Fan verneinen konnte, wenn er nach einem Bild oder einem Autogramm fragte. Egal, ob ich in dieser Nacht drei Stunden geschlafen, keinen Tropfen Kaffee abbekommen und einen höllischen Muskelkater hatte. Himmel, als ich sieben gewesen war, hätte ich jedes meiner Idole um ein Bild oder nur ein gekritzeltes X auf meinem T-Shirt gebeten, hätte ich sie an einem Flughafen entdeckt. Es war etwas, an das ich mich über die Jahre gewöhnt hatte. Die meiste Zeit über füllte es mich mit Stolz, wenn man mich auf der Straße erkannte und anhielt, um mich anzusprechen. Weil es zeigte, dass meine Leistung, für die ich mir jeden einzelnen Tag den Arsch aufriss, für die ich alles, wirklich alles geopfert hatte, anerkannt wurde. Nur wenn es eine einstweilige Verfügung mit sich brachte, da zog ich normalerweise die Grenze.

Eine Gruppe weiterer Jugendlicher trat aus dem Eingang des Hotels. Ich duckte den Kopf etwas, sodass die Baseballkappe mir noch tiefer ins Gesicht fiel, ich jedoch trotzdem noch einen Blick in Richtung der Menschengruppe erhaschen konnte. Erneut kein einziger Rotschopf.

Ich war nicht nur ein Stalker, ich war auch noch ein verdammt schlechter dazu.

In diesem Moment fragte ich mich, ob ich in meiner Karriere vielleicht doch eine Gehirnerschütterung zu viel erlitten hatte. Weil ich tatsächlich vor Sophies Hotel kampierte, völlig unangekündigt und vermutlich auch ungewünscht, ohne zu wissen, ob sie nicht bereits abgereist war. Ich hatte mich bemüht, vor dem allgemeinen Check-out hier zu sein, den ich erbärmlicherweise auf der Internetseite des Hotels gefunden hatte. Ich war kurz davor, eine Psychose zu entwickeln.

Es war ein miserabler Plan. Ich hätte sie einfach anrufen können. Ihr schreiben. Ihr eine Brieftaube schicken. Alles, nur nicht persönlich vor ihrem Hotel herumlungern, und zu hoffen, dass sie ihr Zimmer heute noch verließ. Und doch konnte ich mich nicht von der Stelle rühren. Die Temperaturen waren über Nacht erneut in den Minusbereich gerutscht und ich stand bereits seit mindestens einer Dreiviertelstunde neben meinem Wagen, um Ausschau nach einer gewissen Rothaarigen zu halten. Ich war mir sicher, dass ich noch eine Frostbeule bekommen oder einen Zeh verlieren würde, bevor sie durch die Doppeltüren der Pension kommen würde.

Ich hatte bisher so gut durchgehalten. Hatte kein spontanes Flugticket gebucht und war nicht vor ihrer Haustür aufgetaucht, obwohl ich bereits so oft auf der Webseite eines Fluganbieters gewesen war. Hatte nicht ihre Nummer gewählt und darauf gehofft, nur für eine Sekunde ihre Stimme zu hören. Denn Gott, es gab Nächte, in denen ich nichts anderes gewollt hatte.

Aber wenn ich eins wusste, dann, dass Sophie etwas Besseres als mich verdient hatte. Als jemanden, der nur jedes dritte Wochenende für sie da sein konnte. Als jemanden, der sich selbst an erste Stelle setzen musste, egal wie sehr er es hasste.

Und doch war ich hier. Hatte letzte Nacht auf gut Glück ihre Instagram-Seite gecheckt, war zu lange über ihren Bildern der letzten Monate verharrt und schließlich auf ihren Story-Beitrag gestoßen, auf dem sie das Hotel getaggt hatte, indem sie sich befand. Mein Innerstes hatte sie daran erinnern wollen, dass es gefährlich war, seinen Standort mit dem gesamten Internet zu teilen, dass es Leute gab, die über ein Balkongeländer klettern könnten und würden. Doch dann wurde mir bewusst, dass das Probleme waren, mit denen Sophie sich nicht auseinandersetzen musste, nun, dass wir getrennt waren. Weil Reporter und Fans sie nicht mehr ganz so schlimm belagerten, nachdem das Internet dahintergekommen war, dass unsere Beziehung nach beinahe vier Jahren in die Brüche gegangen war.

Es hatte ein paar Schlagzeilen in billigen Klatschmagazinen gegeben, spätestens, als ich mich mit anderen Mannschaftskameraden in einem Club hatte ablichten lassen, eine Blondine auf meinem Schoß. Mein Kater war am nächsten Morgen ins Unendliche gestiegen, als mein Manager mir die Zeitung vor die Türschwelle gelegt hatte, doch ich hatte mich nie nach ihr erkundigt. Sie nie gefragt, wie sie mit all dem klar kam, ob die Kommentare, die sie im Laufe unserer Beziehung auf ihren sozialen Medien bekommen hatten, endlich abgeklungen waren. Vielleicht, weil unter all dem Kummer auch ein Fünkchen Wut steckte, dort schlummerte und nur darauf wartete, endlich freigelassen zu werden und eine Stichflamme zu verursachen.

Ich vergrub meine Hände tiefer in den Taschen meines Mantels.

Die Hoteltüren öffneten sich ein weiteres Mal, wurden von hellen Händen aufgedrückt – mein Herz machte einen nervösen Satz.

Denn dort stand sie. Das Mädchen, in das ich mich mit neunzehn Hals über Kopf verknallt hatte. Die Frau, mit der ich mir meine gesamte Zukunft ausgemalt hatte. Die Person, die mir das Herz gebrochen hatte, wie niemand sonst es hätte tun können.

Das kupferrote Haar fiel ihr glatt über die Schultern, verdeckt von einer weißen Strickmütze, die sie sich tiefer in die Stirn zog. Mit einem Blick auf ihr Handy machte sie sich zielstrebig auf den Weg in Richtung U-Bahn-Station.

Bevor ich es mir anders überlegen konnte, setzte ich mich bereits in Bewegung. Innerhalb weniger Augenblicke war ich auf der anderen Straßenseite und nur noch ein paar Schritte hinter ihr.

"Sophie!"

Ich war ein Vollidiot. Nicht nur, weil ich ein absoluter – und miserabler – Stalker war, sondern auch, weil ich plötzlich verlernt hatte, wie man möglichst keine Aufmerksamkeit auf sich zog. Drei verschiedene Köpfe drehten sich nach mir um, doch ich hob die Hand, um mir die Kappe etwas tiefer ins Gesicht zu ziehen. Niemand hielt an. Niemand außer Sophie, die völlig erstarrt auf dem Gehweg stand und aussah, als hätte sie einen Geist gesehen.

"Robin?"

Sie klang, als würde sie sich wünschen, dass sie nur halluzinierte. Fuck, ich hatte wirklich Mist gebaut.

Spätestens, als ich bemerkte, dass Sophie noch genauso wunderschön und stolz aussah, wie ich sie in Erinnerung gehabt hatte. Weil sie noch immer aussah wie meine Sophie, mit der ich versucht hatte, das Unmögliche möglich zu machen. Und wir waren so nah dran gewesen.

Ihre dunklen Augen beäugten mich skeptisch, als ich mich ihr näherte. Eine Fußgängerin starrte mir einen Augenblick zu lange ins Gesicht. Fuck.

Sophies Blick wanderte von mir zu ihrem Hotel, dann wieder zu mir. "Woher wusstest du, wo ich bleibe?"

Etwas zerknirscht deutete ich auf mein Handy, das ich in einer Hand umklammert hielt, um nichts Dummes zu tun. Wie zum Beispiel Sophie an mich zu ziehen und sie nie wieder loszulassen. "Instagram."

Ihre Augenbrauen wanderten in die Höhe. Verdammt, ich war wirklich ein Stalker.

"Ich dachte, wir könnten einen Kaffee trinken", erwiderte ich und schob meine Hände erneut in meine Manteltaschen. "Uns unterhalten. Wir haben uns lange nicht mehr gesehen."

Sophies Gesichtsausdruck wurde misstrauisch. "Das tut man normalerweise auch nicht, wenn man sich trennt."

Eins zu null für sie.

Ich fuhr mir mit der Handfläche über mein eisiges Gesicht. "Fuck, okay. Ich wollte mich nicht aufdrängen, wirklich nicht. Ich dachte nur, dass ich gerne wissen würde, wie es dir geht. Ich verstehe, wenn du mir lieber aus dem Weg gehen willst. Ich hätte anrufen sollen–"

"Anrufen?", fragte sie, ihr Ton plötzlich so kalt wie der Asphalt unter meinen Schuhsohlen. "Das kommt ungefähr fünf Monate zu spät."

Ein Seitenhieb, der sein Ziel nicht verfehlt hatte. Seit unserer Trennung hatte es nur diesen einen Kontaktversuch gegeben. Ein Anruf von Sophie um kurz nach drei Uhr, mitten in der Nacht. Ein paar Wochen nachdem unsere Beziehung in die Brüche gegangen war. Ich hatte ihr die Peinlichkeit ersparen wollen, einen betrunkenen Anruf erklären zu müssen. Also hatte ich ihn unkommentiert gelassen.

Dass es ihr lieber gewesen wäre, ich hätte sie zurückgerufen, verwunderte mich ehrlich gesagt. Ich hatte keine Ahnung, wie oft ich bereits nach einem Glas zu viel ihre Nummer gewählt und beinahe auf das grüne Hörersymbol gedrückt hätte. Und wie erleichtert ich am nächsten Morgen gewesen war, es nicht getan zu haben.

Ich machte einen Schritt zurück. "Es tut mir leid. Ich... ich dachte, du würdest vielleicht einen Kaffee der guten alten Zeiten willen trinken wollen. Wenn du willst, dass ich dich in Ruhe lasse, bin ich weg."

Es fühlte sich an, als hätte sie mir mein Herz ein weiteres Mal aus der Brust gerissen, als ich mich mit einem letzten Nicken von ihr abwandte und den Rückzug antrat. Verdammt, ich hatte keine Ahnung, was ich überhaupt hier wollte. Aber nachdem ich sie gestern Abend gesehen hatte, noch immer so wunderschön und einzigartig und so verdammt nah, da hatte ich nicht anders gekonnt. Nicht, nachdem ich so lange rein gar nichts von ihr gehabt hatte.

Beinahe, als wäre Sophie die einzige Droge, die ich mir in meinem Leben je erlaubt hatte. Als Profisportler versuchte ich um Alkohol und andere Rauschmittel insbesondere während der Saison einen weiten Bogen zu machen, und Sophie war das einzige gewesen, von dem ich mir erlaubt hatte, sie zum Atmen zu brauchen. Unsere Trennung war ein kalter Entzug gewesen, von einer Minute auf die nächste kein Lebenszeichen mehr. Und jetzt, wo ich sie wiedergesehen hatte, fühlte es sich an, als kämen bereits die ersten Entzugserscheinungen zurück.

Ich war schon fast auf der anderen Straßenseite, da ertönte ihre Stimme etwas zögerlich: "Ein Kaffee klingt gut."




SOPHIE HATTE NICHT darauf bestanden, die U-Bahn nehmen zu wollen.

Nach knapp vier Jahren Beziehung hatte sie gelernt, dass ich es in meiner Wahlheimat nur schwer unbemerkt durch die Stadt schaffte. In anderen Teilen Deutschlands folgten mir zwar einige Blicke, doch zum Verein der Gegend zu gehören, bedeutete, dass die Fans die Gesichter erkannten. Wenn an unzähligen Autos Sticker klebten, die die Treue zum Verein widerspiegelten, wusste ich, dass ich selbst mit geducktem Kopf mindestens ein Dutzend Autogramme geben musste.

Allerdings hatte sie nicht besonders begeistert gewirkt, als ich ihr die Beifahrertür meines SUVs für sie offenhielt. Kaum hatte ich den Wagen umrundet und war eingestiegen, sah ich die gerümpfte Nase.

"Ein Geländewagen?", hatte sie zweifelnd gefragt, bevor ich überhaupt den Schlüssel in der Zündung hatte drehen können. "Das hier ist München. Ich bin zwar erst einen Tag hier, aber die Straßen scheinen nicht so schlecht zu sein, dass es den Kauf eines SUVs rechtfertigt."

Meine Mundwinkel waren automatisch in die Höhe gewandert. Weil Sophie noch immer keine Probleme damit hatte, mich zurechtzuweisen, wenn es um meinen ökologischen Fußabdruck ging. Wenn ich ehrlich war, musste ich ihr zustimmen, doch mein Manager hatte mir den Wagen nach meinem Umzug aus Dortmund bereitgestellt. Ich hatte bisher nicht die Notwendigkeit gesehen, mir ein anderes Modell zuzulegen.

Die Fahrt über war sie jedoch still geblieben. Hatte ihre kalten Finger zwischen ihre Oberschenkel geschoben und aus dem Beifahrerfenster gestarrt, während ich den riesigen Range Rover durch die Innenstadt manövrierte. Ich hielt in einer Seitenstraße in der Nähe eines Cafés, von dem ich wusste, dass es vegane Alternativen anbot und eher abgelegen war.

Es war keins der Lokale, in das Inès auch nur einen Fuß setzen würde. Vermutlich, weil die Chance, von Fans entdeckt zu werden deutlich geringer war als in ihren Hotspot-Restaurants, in denen die Handys gezückt wurden, sobald wir durch die Tür kamen. Inès sog die Aufmerksamkeit auf wie ein Schwamm. Sie mochte sie vermutlich mehr als meine Gesellschaft.

Aber Sophie hatte das Rampenlicht noch nie gemocht. Zumindest nicht, wenn es bedeutete, als potenzielle Spielerfrau wahrgenommen zu werden. Eine Weile hatte ich den Gedanken gemocht, doch jetzt wusste ich, wie sehr es sie gestört hatte. Weil sie plötzlich nicht mehr als eigenständiges Individuum angesehen wurde, sondern als die Frau, die von den Zuschauerrängen für mich jubelte.

Sie hatte zu viel Talent, als dass sie sich mit einem solchen Titel hätte zufriedengeben sollen.

Der Innenraum des Cafés war bis auf einzelne Studenten so gut wie leer, doch sie starrten zu vertieft auf die Displays ihrer Laptops, als dass sie sich für unsere Anwesenheit interessierten.

Während Sophie sich die Jacke und die Mütze abstreifte, konnte ich meinen Blick nicht abwenden. Ein dicker, altrosa Strickpullover verbarg sich unter der Pilotenjacke. Ihre schmale Gestalt ging in dem weiten Material beinahe unter, doch die Art und Weise, wie sie den Saum in den Bund ihrer enganliegenden Hose gesteckt hatte, betonte ihre Hüften und endlos langen Beine. Sophie war schon immer hochgewachsen gewesen, was bei meinen eins zweiundneunzig dafür gesorgt hatte, dass unser Größenunterschied nicht allzu merkwürdig gewesen war. Hatte sie abgenommen? Ihr subtilen Kurven wirkten kantiger, weniger gesund, als ich sie in Erinnerung gehabt hatte–

"Kann ich euch schon etwas bringen?"

Bevor wir überhaupt saßen, kam die Bedienung bereits hinter der Theke hervor, zwei Menükarten in der Hand. Sophie ließ sich auf den Platz gegenüber von mir sinken und nahm der Kellnerin dankbar die Karte ab. Ich tat es ihr gleich, sobald ich meinen Mantel über meine Stuhllehne gehängt hatte, behielt die Kappe jedoch auf. Die Augen der Bedienung blieben etwas zu lange an mir haften. Hatte sie mich erkannt oder flirtete sie nur mit mir?

Sophie brauchte nicht lange, um sich zu entscheiden. "Einen Chai Tea Latte mit Hafermilch, bitte."

Ich machte mir nicht die Mühe, durch das Angebot zu blättern. "Für mich das gleiche, bitte."

Die Kellnerin lächelte, als hätte ich gerade persönlich für ihre Beförderung gesorgt. "Kommt sofort."

Sobald sie sich abwandte, sah ich das bittere Lächeln auf Sophies Lippen. "Einige Dinge ändern sich wohl nie."

Es schien nicht fair. Weil ich Sophie verletzte, sobald ich nur in ihrer Nähe war. Die Aufmerksamkeit anderer Frauen hatte ich nie gewollt – nicht, solange ich Sophie gehabt hatte. Hätte ich es verhindern können, hätte ich es getan. Aber zu wissen, dass Sophie stumm dabei zusehen musste, wie das weibliche Geschlecht jeden Funken von Respekt zu verlieren schien, sobald sie erkannten, dass ich im öffentlichen Leben stand, ließ meinen Hals eng werden. Wenn es andersherum gewesen wäre, wenn Sophie bekannt gewesen wäre und vor meinen Augen von anderen Männern angesprochen wurde, obwohl ich an ihrer Seite saß und nichts sagen konnte, ohne jemanden vor den Kopf zu stoßen – es hätte mich verrückt gemacht.

"Du triffst also Agenten", sagte ich, um das Thema auf etwas positiveres zu lenken. Wir waren nicht einmal fünf Minuten hier und ich wurde bereits daran erinnert, warum Sophie mich nicht länger in ihrem Leben hatte haben wollen. "Ich schätze mal, dass das Geschäft gut läuft?"

Ich hoffte, dass ich klang, als wüsste ich nicht bereits, dass das der Fall war. Ich hatte einen Google Alert aktiviert – weil ich ein absoluter Masochist war – der mich über ihre Ausstellungen auf dem neuesten Stand hielt. In dem halben Jahr, das wir nun schon getrennt waren, hatte sie an zwei weiteren teilgenommen. Beide waren ein Erfolg gewesen. Sie hatte mittlerweile sogar ihre eigene Website, auf der Kommissionen in Auftrag gegeben werden konnten. Ich war kurz davor gewesen, mich mit einer pseudonymen E-Mail-Adresse für ihren Newsletter anzumelden. So verzweifelt war ich, sie irgendwie in meinem Leben zu behalten.

"Tut es", erwiderte sie, klang dabei jedoch viel zu bescheiden. "Ich bin immer noch Freelancerin und mache viele Illustrationen oder Brand-Designs für Unternehmen, aber zunehmend seltener. Es ist momentan noch mein zweites Standbein, aber wer weiß? Vielleicht kann ich mich nächstes Jahr ganz auf das Malen konzentrieren."

Ich wollte ihr sagen, dass sie ihre Arbeit als Freelancerin auf der Stelle aufgeben könnte. Dass ich so viel verdiente, dass ich gar nicht wusste, wie ich das ganze Geld jemals ausgeben sollte. Dass sie den ganzen Tag über Zuhause bleiben und malen könnte, wenn das ihr Wunsch war.

Doch wir waren nicht mehr zusammen. Und Sophie schätzte ihre Unabhängigkeit viel zu sehr, als dass sie sich finanziell so auf mich verlassen würde, selbst wenn wir noch ein Paar gewesen wären. Es war frustrierend und bewundernswert zugleich.

"Das wäre toll", erwiderte ich, während meine Augen über die Spuren der Sommersprossen wanderten, die sich über ihren Nasenrücken bahnten. Meine Finger juckten danach, mich über den Tisch zu strecken und sie mit meinen Fingerkuppen nachzuzeichnen, zu überprüfen, ob in den letzten Monaten neue hinzugekommen waren. "Das hättest du dir verdient."

Ihre dunklen Augen wanderten ebenfalls über mein Gesicht. Ich fragte mich, was sie darin sah. Ob sie das Gefühl hatte, dass ich mich in den letzten Monaten verändert hatte. Ob ich für sie noch immer genauso aussah, wie das letzte Mal, als wir uns gesehen hatten. An ihrem Geburtstag, an dem Tag, an dem ich einen Schritt in die eine Richtung hatte machen wollen, Sophie allerdings einen in die völlig andere. Gott, ich war so froh gewesen, sie nach über einem Monat endlich wieder gesehen zu haben. Sie küssen zu können, berühren zu können. Dieselbe Luft einatmen, im gleichen Raum mit ihr zu sein. Ich hatte nicht geahnt, dass es das letzte Mal gewesen war. Dass wir nach diesem Tag nicht wieder Sophie und Robin sein würden. Sondern Sophie und Robin mit viel zu viel Distanz, als dass wir sie hätten überwinden können.

"Was machen wir hier?", fragte Sophie, die dasselbe denken zu schien.

Ich zwang mich, die Wahrheit auszusprechen. Weil ich Sophie nie hatte belügen wollen und ich heute sicher nicht damit anfangen würde. "Ich vermisse dich."

Sie schloss ihre Augen, beinahe als würde es ihr physische Schmerzen bereiten, diese Worte aus meinem Mund kommen zu hören. Ich konnte es ihr nicht verübeln, schließlich fühlte es sich jeden Morgen wie ein Schlag in den Magen an, wenn ich aufwachte und sie nicht neben mir lag.

Hier mit ihr zu sitzen und zu wissen, dass es nur temporär war – dass sie bald wieder abreisen und mich in München zurücklassen würde – war beinahe schlimmer. Weil sie hier vor mir saß mit ihren kupferroten Haaren, die in den letzten Monaten sogar noch länger geworden waren, und ich für einen kurzen Augenblick alles hatte, was ich mir je hätte erträumen können. Aber eben nur für einen Moment, der viel zu schnell wieder vergehen würde.

"Du hast eine Freundin", sagte Sophie schließlich, als sie ihre Augen wieder öffnete. Sie musste von Inès sprechen. Sie hatte uns erst gestern Abend zusammen gesehen. Obwohl ich keine sonderliche Lust gehabt hatte, nach der Physiotherapie noch aus dem Haus zu gehen, war ich plötzlich heilfroh gewesen, dass Inès mich doch noch dazu überredet hatte. Nicht weil ihre Gesellschaft so besonders faszinierend war – sondern weil ich Sophie sonst nicht gesehen hätte.

"Wir sind nicht zusammen", entgegnete ich. Das war das erste, was ich Inès klargemacht hatte, nachdem sie mich dazu überredet hatte, mit ihr auszugehen. Ich wusste, dass es von vorneherein keine Zukunft hatte, doch Inès zu haben, bedeutete, nicht allein sein zu müssen. Sie war eine Ablenkung, die mich eine Weile davor bewahrt hatte, meine Karriere in München hinzuschmeißen und Sophie all das zu geben, was sie sich von mir wünschte.

Sophie hob die Augenbrauen. "Weiß sie das?"

Eine berechtigte Frage, die ich verdient hatte. Die meiste Zeit über hatte ich das Gefühl, dass Inès mich nicht einmal wirklich mochte. Was sie mochte waren die Kreise, in denen ich verkehrte. Mit mir gesehen zu werden, dass über sie gesprochen wurde, in das Rampenlicht zu rutschen, weil sie mit mir in einem Restaurant saß. Emotional gesehen hatte sie keine hohen Ansprüche an mich. Deswegen war es mit ihr vermutlich so leicht – sie hakte nie nach, versuchte nie, mich besser kennenzulernen. Es war das, was ich nach der Trennung von Sophie gebraucht hatte. Eine Ablenkung, die mich für kurze Zeit von diesem Schmerz in meiner Brust ablenkte.

"Sie ist wirklich hübsch", fuhr Sophie fort, beinahe als würde das erklären, warum ich mich mit ihr traf. Als würde ihr Äußeres mich vergessen lassen, wie gottverdammt ich Sophie liebte. Doch selbst nach über sechs Monaten Funkstille hatte sich daran nichts geändert. Wahrscheinlich würde es das auch noch in fünf Jahren oder wenn ich alt und dement wurde, nicht. Ich würde meinen eigenen Namen vergessen, bevor ich mich nicht mehr daran erinnern konnte, wie sehr ich Sophie liebte. "Und scheint mit deinem Leben gut klarzukommen. Sie könnte dich glücklich machen."

Es tat weh. Zu hören, wie Sophie mich an andere Frauen abschieben wollte, war ein Schmerz, den ich so nicht erwartet hätte. Denn auch wenn ich ein Arschloch deswegen war, allein die Vorstellung an Sophie mit einem anderen Mann machte mich so wütend, dass ich kaum gerade sitzen konnte.

"Sie ist nicht du", erwiderte ich plötzlich erschöpft. Ich hatte sie bereits verloren. Es gab nichts, was mich zurückhalten könnte. „Niemand ist das."

Sie schüttelte den Kopf. "So etwas kannst du nicht sagen, Robin. Nicht wenn du nicht einmal zwei Wochen gebraucht hast, um mich zu vergessen."

"Ich habe dich nicht vergessen", entgegnete ich. "Fuck, denkst du etwa, ich könnte dich – uns – einfach so vergessen?"

"Es sah ganz danach aus", erwiderte sie, ihre Stimme rau. "Oder hast du an mich gedacht als du dich im Club an Blondinen geschmiegt hast, keinen Monat nachdem es mit uns aus war?"

Ich stieß einen scharfen Atemzug aus. Wenn ich ehrlich war, erinnerte ich mich nicht viel an diese Nächte. Eine Mischung aus Herzschmerz, Alkohol und Erschöpfung hatten alles an mir vorbeiziehen lassen.

Meine Augen wanderten über die anderen Gäste, entdeckten, dass einige Augenpaare sich mittlerweile auf uns gerichtet hatten. Vielleicht nicht, weil sie mich als Bayerns Stürmer erkannten, sondern vielmehr, weil sie die Anspannung zwischen Sophie und mir spürten und auf ein öffentliches Debakel hofften, das damit endete, dass ich ein Getränk im Gesicht hatte.

"Lass uns das woanders besprechen", meinte ich und stand bereits auf. Ich griff nach meiner Jacke, zog mein Portemonnaie aus meiner Hosentasche und ließ einen Fünfziger auf die Theke fallen, als ich spürte, dass Sophie mir in Richtung Ausgang folgte. Die Bedienung, die immer noch mit unseren Getränken beschäftigt war, sah mich mit großen Augen an. Ich hoffte, dass sie verstanden hatte, dass das großzügige Trinkgeld nicht ihrer langsamen Arbeitsweise geschuldet war, sondern vielmehr als Ansporn, ihren Freundinnen nicht zu erzählen, wen sie heute bedient hatte. Und mit wem ich hier gewesen war.

Einige Blicke folgten uns, als wir erneut in die eisige Februarluft traten. Doch alles, woran ich denken konnte, war diese Angst, die sich in meiner Brust festgesetzt hatte. Denn ich befürchtete, dass ich noch so viel sagen und mich noch so verletzlich machen konnte – nur um Sophie ein weiteres Mal zu verlieren.

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