2 3 | h ä t t e s e i n k ö n n e n

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r o b i n

ES KLOPFTE AN der Wohnungstür. Nicht auf die zurückhaltende, höfliche Weise, die mich vermuten ließ, dass es ein Nachbar war, der mich darum bitten wollte, den Fernseher etwas leiser zu stellen. Ich bezweifelte, dass man durch die dicken Betonwände auch nur einen Mucks hören konnte. Ganz zu schweigen davon, dass wir gerade mal fünf Uhr nachmittags hatten.

Nein, es hörte sich mehr nach einem SEK-Einsatz an. Ich bereitete mich mental darauf vor, jeden Moment eine Stimme zu vernehmen, die rief: „Öffnen Sie die Tür, die Wohnung ist umstellt."

Dabei fiel mir nicht einmal ein Verbrechen ein, das ein Spezialeinsatzkommando rechtfertigen würde. Bis auf das grottenschlechte Spiel am Samstag vielleicht, das uns eventuell den Pokal kosten könnte. Nach zwanzig Minuten und drei verpassten Torchancen war ich ausgewechselt worden. Es war das erste Mal, dass ich das Feld vor Spielabpfiff verließ, ohne, dass mich ein medizinisches Team wegtragen musste.

Einen Moment lang wartete ich ab, ob das Geräusch von allein verklingen würde, wenn ich mich einfach wieder dem Fußballspiel widmen würde, das gerade lief. Obwohl Forster nicht da war, rechnete ich beinahe damit, dass einer seiner verflossenen Bekanntschaften vor der Tür stand. Vielleicht konnte ich mich einfach als seinen neuen Freund ausgeben. Das würde uns beiden vielleicht unsere Ruhe wieder einbringen.

Doch das Klopfen verstummte nicht. Im Gegenteil. Es wurde mit jeder Minute, die ich nicht antwortete, lauter.

„Verdammte Scheiße", murrte ich und hievte mich vom Sofa. Es hörte sich an, als würde wer auch immer auf der anderen Seite stand, jeden Moment die Tür einschlagen. „Ich komme ja schon!"

Man schien mir nicht zu glauben, denn das Klopfen ging weiter. Vielleicht hörte man mich über den Lärm aber auch schlichtweg nicht.

Ich war so genervt, dass ich die Tür aufzog, ohne durch den Spion zu überprüfen, wer vor mir stehen würde. Im Moment war ich in der Stimmung, ein Veilchen zu verteilen, sollte es sich um einen ungebetenen Gast handeln.

Sobald die Tür offen war, erstarrte ich. Mein Gegenüber war nicht größer als eins dreiundsiebzig und wog vielleicht die Hälfte von mir. Aber der mörderische Gesichtsausdruck auf Maries Gesicht jagte mir beinahe mehr Angst ein, als ein MMA-Kämpfer es getan hätte.

Ihre Hand hing noch in der Luft, beinahe als würde sie überlegen, ob sie so auf mich einschlagen sollte wie sie vor einigen Sekunden die Tür misshandelt hatte.

„Könntest du aufhören?", fragte ich und wagte einen finsteren Blick in Richtung des Flurs. Entweder, die Wände waren wirklich so massiv, dass niemand etwas gehört hatte oder niemanden meiner Nachbarn würde es interessieren, wenn eine Horde Elefanten in meine Wohnung eindringen wollte. „Ich wohne hier nicht allein."

„Also kannst du noch geradeaus denken", erwiderte Marie mit so viel Sarkasmus, dass ich beinahe vor ihr zurückzuckte. Maries Humor war normalerweise in einem charmanten Lächeln getarnt, der den Hieb etwas abfederte. Jetzt war er beißend und kein bisschen schön verpackt. „Sehr gut. Ich dachte schon, sie hätten dir auch noch die letzte Gehirnzelle weggepasst."

Ich starrte sie entgeistert an. War sie wirklich hier, stand vor meiner Tür, um mich zu beleidigen, obwohl sie mich belogen und mir verschwiegen hatte, was letzten Sommer passiert war?

Marie hatte vermutlich nicht einmal versucht, ihr auszureden, das Kind abzutreiben. Stattdessen hatte sie ihre Hand gehalten und ihre Tränen getrocknet, als sie den größten Fehler ihres Lebens begangen hatte.

„Ich hab's zwei Sekunden lang versucht", sagte ich und griff nach der Tür, um sie zu schließen. „Aber ich kann dir auch nicht mehr ins Gesicht sehen. Und jetzt verschwinde, bevor ich die Polizei rufe."

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