0 6 | g u t f ü r m i c h

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s o p h i e

ES WAR EIN Fehler gewesen.

Ihn nicht wegzuschicken, in seinen Wagen zu steigen, ein Gespräch zu beginnen, als wären wir alte Bekannte. All das war ein riesiger Fehler.

Ich hatte es bereits gewusst, als ich eingewilligt hatte. Aber mein verräterisches Herz hatte meinen Verstand korrumpiert. Weil es so lange ohne ihn hatte leben müssen und bei der Vorstellung auch nur eine Sekunde so zu schlagen als wären wir wieder die Alten, all die Dinge, die ich mir vorgenommen hatte, einfach über Bord warf.

Womit ich nicht gerechnet hatte, war die Möglichkeit, dass es sogar noch mehr wehtun würde, Robin gegenüber zu sitzen, als ihn einfach gehen zu lassen. Alte Wunden hatten sich geöffnet, klafften so weit, dass ich mir sicher war, dass sie niemals wirklich heilen würden.

Vor dem Café hielt ich nicht inne. Ich machte einen Schritt an Robin vorbei und hielt stur auf den Gehweg zu. Ich hatte keine Ahnung, wo wir waren, wo ich hinwollte, wie wir wieder zurückkamen. Alles, was ich wusste, war, dass ich es nicht viel länger in seiner Nähe aushalten würde, ohne in Tränen auszubrechen.

"Sophie", rief er mir hinterher. Mit seinen lächerlich langen Beinen dauerte es nicht lange, bis er zu mir aufholte. "Sophie, warte."

Seine Hand auf meiner Schulter ließ mich herumwirbeln. "Dann erklär es mir. Erklär mir, wie du hier sitzen und mir erzählen kannst, dass du mich vermisst und deine neue Freundin nicht Ich ist, du aber nicht ein einziges Mal versucht hast, mich zu erreichen! Warum du mir vorgaukelst, mich nicht vergessen zu haben, aber du innerhalb von drei Wochen eine Frau auf dem Schoß haben kannst–"

Nun schien auch Robin die Geduld zu verlieren. "Du bist diejenige, die wollte, dass ich gehe. Ich hatte nicht das Gefühl, dass du wolltest, dass ich dich kontaktiere. Du hast entschieden, dass die letzten vier Jahre nichts bedeutet haben."

"Weil du mir keine Wahl gelassen hast", feuerte ich zurück. Plötzlich brannten meine Augen nicht mehr verräterisch, weil es mich traurig machte, ihn zu sehen. Sondern weil es mich so unfassbar wütend machte. "Weil du entschieden hast, dein Leben hier zu führen – ohne mich."

Er wich einen Schritt zurück, beinahe, als hätte ich ihn körperlich von mir gestoßen. "Das ist Schwachsinn, Sophie, und das weißt du. Ich wollte dich hier haben. Hier bei mir, damit wir endlich nicht mehr zwischen zwei Städten herum pendeln müssen. Damit wir endlich zusammen sein können, ohne dass jemand von uns ständig gehen muss. Ich war es so leid, dich immer verlassen zu müssen. Ich wollte nur, dass das endlich aufhört. Dass wir endlich einfach wir sein können."

"Aber du hast mich nie gefragt, ob das das ist, was ich will!", rief ich aus. "Du hast mich nicht einmal gefragt, bevor du deinen Vertrag für Bayern unterschrieben hast. Weißt du, wie sich das angefühlt hat? Ich dachte, du würdest zurückkommen. Mein ganzes Leben ist Zuhause. Meine Freunde, mein Atelier, meine Familie. Und dann entscheidest du einfach, dass ich das alles aufgeben soll, weil du nach München willst?"

Robins Gesicht war hart. Er erinnerte mich mehr an die Version, die in meinem Schlafzimmer gestanden und mir gebeichtet hatte, dass er ein kurzfristiges Angebot in München bekommen hatte, als an die, in die ich mich verliebt hatte. "Du weißt, dass es nicht so einfach ist. Dass zwischen den Vereinen gehandelt wird und die Ablösesumme zu hoch war, als dass sie Nein hätten sagen können. Ich hatte nicht so viel Mitspracherecht, wie du es dir vielleicht einreden willst."

Fassungslos starrte ich ihn an. "Und warum hast du dann nicht einfach mit mir darüber gesprochen? Du hättest mich warnen können, bevor ich den Mietvertrag mit meinem Atelier unterschrieben habe. Bevor ich mich darauf eingestellt habe, dass wir endlich das bekommen, was wir die ganze Zeit über wollten!"

weltschmerz | ✓Where stories live. Discover now