Moonshadow

By JasminBennet

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River kennt das Leben in Rudeln, die Menschlichkeit als Schwäche ansehen und ihre animalische Seite zelebrier... More

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By JasminBennet

Er sieht besser aus. Seine dunkelblonden Haare kleben nicht mehr vor Schweiß an der Stirn. Die blasse Hautfarbe hat wieder seinen gesunden rosa Schimmer und die Wunden sind verheilt. Nur seine grünen Augen schauen mir hoffnungslos entgegen. Fast würde ich Mitleid bekommen, doch es steht Größeres auf dem Spiel.
Wäre die Situation anders, würde ich seine Entschuldigung akzeptieren und darauf hoffen dass River es auch tut. Dann könnten wir ihn frei lassen und mit der Warnung, dass er sich nie wieder an unseren Grenzen blicken lassen soll, aus den Gedanken streichen.
Aber egal mit welcher Intention Atlas gehandelt hat, er hat den Konflikt zwischen Henry und uns verschlimmert.
Ich bin in den Keller gekommen, um Atlas zu informieren, was gerade passiert und welche Auswege ihm bevorstehen. Doch er sitzt bloß in der Ecke seines Käfigs und starrt mich mit diesen leeren Augen an. Er hat offensichtlich schon eine Ahnung, wie dieser Konflikt enden wird. Da ist er mir einen Schritt voraus, denn ich habe keinen blassen Schimmer, was uns bevorsteht. Was also macht ihn so sicher? Warum kämpft er nicht? Wieso wehrt er sich nicht?
Dass ihm eine Strafe droht, müsste jedem klar sein, doch er zeigt überhaupt keinen Lebenswillen. Ich habe nie geäußert, dass wir ihn umbringen werden. Nicht einmal gedroht habe ich damit. Sicherlich, das ein oder andere Mal kam mir der Gedanke, aber das ist meilenweit entfernt von der Realität. Ich bringe keinen Teenager um, weil er einen Fehler gemacht hat.
Zu seinem Pech hat sein Handeln dazu geführt, dass er ein Spielstein in einem Jahre andauernden Revierkampf geworden ist.

“Wir werden dich morgen für ein paar Minuten raus lassen, damit du an die Luft und dich ein bisschen bewegen kannst“, informiere ich ihn und als ich keine Reaktion erhalte, hebe ich misstrauisch eine Augenbraue. “Ich weiß nicht, was Henry euch über uns erzählt hat, aber wir sind keine Monster. Du wirst zwar jederzeit bewacht werden, damit du nicht fliehen kannst, aber ich gebe dir mein Wort, dass weder ich noch jemand anderes aus dem Rudel dir etwas antun wird.“
Wieder keine Reaktion. Nur diese hoffnungslosen grünen Augen. Vielleicht wird ihm die frische Luft morgen wieder mehr Hoffnung geben.
Ich bin ein Alpha von einem fremden Rudel. Er wird meinen Worten vermutlich nie glauben. Also müssen Taten sprechen.
“Nikan, sie sind gleich zurück“, informiert mich Jesper, der den Kopf zur Kellertür hineinsteckt und ich wende mich mit einem letzten Blick auf Atlas ab, gehe die paar Stufen in das Erdgeschoss hoch und schließe die Tür hinter mir.
Luke und Dean waren fast vier Stunden weg. Die Sonne steht tief am Himmel und wird schon bald zwischen den Bäumen verschwinden. Ich hoffe, dass sie wenigstens mit guten Neuigkeiten zurück kommen.
Antonio und Len sind auf Patrouille. Olivia konnten wir nicht davon abhalten mitzugehen. Aber es hat auch niemand gewagt sie zu überreden. Ian, ihr Gefährte, ist ohne Schutz da draußen und sie möchte in der Nähe sein, wenn etwas passiert. Ich bezweifle, dass es zu einem Angriff kommen wird, während Dean und Luke mit Henry sprechen, aber es geht hier um ihren Gefährten und wenn es River wäre, würde ich genauso handeln.

Im Wohnzimmer haben sich mittlerweile die anderen versammelt. Clayton steht mit verschränkten Armen vor der Brust am Fenster und schaut hinaus. Mato sitzt auf dem kurzen Ende des Sofas und wippt nervös mit dem Bein, während er mit den Fingern an der Wunde an seiner Lippe herumspielt. Es ist verständlich. Bei allen liegen die Nerven blank. Wir setzen viel Hoffnung auf dieses Gespräch.
Jesper läuft ungeduldig im Raum auf und ab. Gelegentlich bleibt er an einem Regal stehen und nimmt ein Buch in die Hand oder schaut sich ein Bild an. Bin ich froh, wenn das alles vorbei ist und wir uns auf unser Rudel konzentrieren können. Wir müssen Häuser bauen, die Energieversorgung verbessern und uns überlegen wie wir an mehr Geld kommen. Das was wir mit dem Verkauf von Brennholz verdienen ist nicht ausreichend, um das wachsende Rudel zu versorgen. Wir brauchen dauerhafte Lösungen und das heißt einige von uns müssen sich in der Stadt Arbeit suchen. Aber dafür wohnen wir zu weit außerhalb. Wir müssten dementsprechend Häuser am Waldrand unseres Revieres bauen. Aber das sind Probleme, auf die ich mich konzentrieren muss, wenn unsere Zukunft gesichert ist.

Ich gehe auf River zu, die auf der langen Seite des Sofas sitzt und mit überkreuzten Beinen in die Luft starrt. Sie ist nicht annähernd so nervös wie Mato oder Jesper, zumindest kann ich es nicht spüren, dennoch macht sie sich Sorgen. Ich lasse mich neben ihr nieder und küsse kurz ihre Schläfe, bevor ich ihre Hand nehme und sich unsere Finger miteinander verschlingen. Ihre blauen Augen suchen meine und sie lächelt mir kurz entgegen. Es ist schön, dass ich das nun machen kann. Der Drang sie zu berühren und ihre Haut unter meiner zu spüren ist immer noch sehr groß, aber kleine Gesten wie ein verstohlener Kuss oder Händchen halten, mildern den Drang vorerst.
“Sie kommen“, informiert uns Clayton und alle Blicke richten sich auf ihn. Mein bester Freund verharrt noch eine Weile in seiner Position, bevor er sich vom Fenster abwendet und auf die Armlehne neben Mato setzt.
Okay, in ein paar Minuten sollten wir erfahren, wie sich der Konflikt zwischen Henry und uns entwickeln wird. Ich sollte nicht zu viel erwarten, es ist immer noch Henry über den wir hier sprechen. Aber hoffen kann ich, ein bisschen Hoffnung müssen wir haben.

Die Tür geht auf und wenig später erscheinen Ian und Noah im Wohnzimmer, dicht gefolgt von den beiden Brüdern. Von keinem der vier Gesichter kann ich ablesen, ob es positiv oder negativ verlaufen ist. Noah lässt sich neben Mato nieder und Ian bleibt mit verschränkten Armen vor der Brust im Raum stehen.
“Wie ist es gelaufen?“, frage ich an ihn gewandt und seine braunen Augen begegnen meinen.
Er zuckt mit den Schultern und antwortet: “Sie haben uns noch nichts erzählt.“
“Wir wollten euch allen gemeinsam von dem Gespräch berichten“, erklärt Luke während er sich auf den Sessel gegenüber des Sofas setzt. Er möchte weiter reden, doch die Haustür wird geräuschvoll geöffnet und Luke verstummt.
Wenig später kommt Olivia bloß in BH und einer kurzen Hose bekleidet in den Raum gestürmt und fällt Ian in die Arme. Er ist zuerst überrascht und gerät ins Wanken, doch kann sich halten und legt seine Hände auf ihren nackten Rücken.
“Mach langsam Baby“, flüstert er in ihre lilanen Haare und ich könnte schwören ein raues Kichern unter seinen Worten heraus zu hören.
“Scheiße, das machen wir nie wieder. Entweder wir gehen gemeinsam oder gar nicht. Ich sag dir, so schrecklich habe ich mich noch nie gefühlt“, sagt sie und nimmt das Gesicht ihres Gefährten zwischen die Hände und zieht es zu sich, um ihn innig zu küssen.
River neben mir muss sich ein Lachen verkneifen und auch ein Blick in die Gesichter der anderen Anwesenden verrät mir, dass sie die Szene amüsant finden.
“Ist ja gut“, nuschelt Ian und versucht mit Mühe Olivia von seinem Mund zu entfernen. “Geh dir was anziehen, dann können wir uns anhören, was bei dem Gespräch herausgekommen ist.“ Ian kratzt sich verlegen über seine blonden kurzen Haare.
“Schon gut. Ich bin sicher alle hier haben bereits ein Frau im BH gesehen“, antwortet sie spitzzüngig und verschwindet dann mit einem kleinen Lächeln im Gesicht aus dem Raum.
“Kein Wort“, ermahnt Ian, als Mato gerade etwas sagen möchte, doch dieser hebt entschuldigend und mit einem breiten Grinsen die Hände.

Als Olivia, die sich ein T-Shirt übergezogen hat, wieder bei uns ist, richtet sich die Aufmerksamkeit aller auf die beiden Brüder und die Stimmung wird noch angespannter.
“Die gute oder schlechte Nachricht zuerst?“, fragt Luke und stützt sich mit den Unterarmen auf den Oberschenkeln ab.
“Gute. Wir brauchen alle ein paar gute Nachrichten“, antwortet Clayton.
“Okay, Henry hat nicht vor irgendeine Gegenmaßnahme bezüglich des heutigen Vorfalls zu starten. Er möchte den Jungen wieder haben und wäre einverstanden damit auch den Vorfall mit River ruhen zu lassen.“
Klingt nicht sehr positiv. Wir müssten unser einziges Druckmittel freilassen. Wofür? Warum sollte Henry Gegenmaßnahmen ergreifen, wenn ein Mitglied unseres Rudels angegriffen wurde?
“Und die schlechte Nachricht?“, fragt River unruhig.
Ich befürchte keinen von uns wird gefallen, was wir gleich zu hören bekommen.
Luke seufzt entkräftet auf und wirft seinem Bruder, der neben ihm auf der Armlehne des Sessels Platz genommen hat, einen Blick zu.
“Henry ist nicht bereit die Revierkämpfe sein zu lassen“, antwortet Luke schnell.
Ich schnaufe aufgebracht und schüttel den Kopf. Überrascht es mich überhaupt? Henry ist ein sturer Bock, er wird uns nie in Frieden leben lassen.
“Und dafür wart ihr so lange weg? Was habt ihr überhaupt besprochen?“, möchte Olivia verzweifelt wissen, die sich von Ians Seite gelöst hat und nun abwartend Luke und Dean anschaut.
“Henry ist sehr speziell. Wir haben versucht ihn zu überreden und haben all unseren Charme spielen lassen. Aber keine Chance. Bei dem Kerl rennt man gegen verschlossene Türen“, erklärt sich Dean.
“Schon gut. Es hätte glaube ich alle überrascht, wenn ihr mit etwas positiveren nach Hause gekommen wärt“, gestehe ich und wechsle einen wissenden Blick mit Clayton. Wir haben geahnt, dass es so ausgehen wird, doch keiner wollte es wahr haben. Unfassbar, dass wir uns ständig im Kreis drehen.
“Ich verstehe nicht, warum er es auf euch abgesehen hat“, überlegt Dean laut und seine Stirn legt sich in Falten. “Hat einer von euch ihn jemals verärgert? Kanntet ihr euch? Vielleicht noch als jemand von euch in seinem alten Rudel war?“
“Nein, wir stammen alle aus anderen Rudeln, teilweise Bundesstaaten von hier entfernt und einige sogar über die Landesgrenzen hinaus. Henry war schon immer so“, antworte ich ernüchternd.
Keiner von uns hat je etwas Henry oder seinem Rudel getan. Wir haben diese Möglichkeit schon oft in Betracht gezogen, dass er eine persönliche Fehde gegen einen von uns hegt, doch wenn es so wäre, wüssten wir nicht wer der Betroffene sein sollte.

Es gibt keinen Grund, warum er etwas gegen uns haben sollte. Henry strebt nach Macht und möchte sein Gebiet vergrößern, das ist der einzig erklärbare Grund. Warum sonst? Weil wir anders leben? Das kann ich mir nur schwer  vorstellen. Ich weiß, dass gleichgeschlechtliche und jede andere Form der Gefährtenverbindung in seinem Rudel erlaubt ist und akzeptiert wird. Es kann also nicht daran liegen.
“Das ist merkwürdig“, murmelt Luke und reibt sich nachdenklich über sein mit Stoppeln besetztes Kinn. “Revierkämpfe finden für gewöhnlich mit tatsächlichen Kämpfen statt. Nicht nur gelegentliche Auseinandersetzungen. Außerdem dauern sie auch nicht so lange an. Wenn zwei Rudel aufeinandertreffen, die ein Gebiet für sich beanspruchen dauert es meist nur ein paar Wochen bis ein Rudel siegt und das andere sich geschlagen zurück zieht.“
“Na ja, wir haben unbesetztes Land für uns beansprucht. Henry hatte kein Interesse an diesem Gebiet, bis wir hier aufgetaucht sind“, erkläre ich verwirrt. Das sind alles Dinge, die wir schon unzählige Male durchgegangen sind. Es macht keinen Sinn, sich darüber den Kopf zu zerbrechen.
“Wann gab es den ersten richtigen Angriff?“, möchte River wissen. Ihre Hand windet sich unter meiner, also lockere ich den Griff und lasse sie frei. Sie streift sich die Haare aus dem Gesicht und dreht sich seitlich auf der Couch, das sie mir zugewandt da sitzt.
“Es hat schon eine Weile gedauert“, überlege ich und kneife die Augenbrauen verwirrt zusammen, weil ich nicht weiß, worauf sie hinaus möchte.
“Nachdem Nikan und ich durch die Wälder gestreift und von Stadt zu Stadt gezogen sind, haben wir all unsere Ersparnisse zusammen gekratzt und dieses Waldgrundstück gekauft. Henry muss also gewusst haben, dass sich neue Wandler in der Nähe seines Gebietes niederlassen wollen. Nach und nach sind die anderen dazu gestoßen. Erst Ian, dann Jesper und Len, anschließend Antonio und dann Mato und Noah. Ich glaube es hat angefangen als wir vollständig waren“, führt Clayton weiter fort.
“Und es gab erst Angriffe nachdem Mato und Noah sich euch angeschlossen haben?“, fragt River weiter. Offensichtlich hat sie eine Idee, doch ich kann einfach nicht dahinter kommen, was sie zu erkennen scheint. Irgendetwas, was wir all die Jahre übersehen haben.
“Willst du behaupten, dass Henry uns wegen mir oder Noah das Leben schwer macht?“, fragt Mato leicht aufgebracht, doch River spricht sofort beschwichtigend mit einem sanften Lächeln: “Nein, ich möchte euch nicht beschuldigen. Aber haben die Angriffe nach eurem Erscheinen angefangen?“
“Ja, könnte man so sagen. Aber es waren keine richtigen Angriffe“, antworte ich und lege meine Hand auf Rivers Oberschenkel. Egal wie ernst die Situation ist, ich vermisse unseren Körperkontakt.
“Wie meinst du das?“ Luke schaltet sich nun wieder in das Gespräch ein und schaut mich fragend an.
“Anfangs waren es eher Stichelein. Er hat uns gereizt und wollte vermutlich unsere Grenzen austesten. Seine Patrouille hat immer öfter unser Gebiet betreten. Das war auch der Grund, warum wir dann gelegentlich patrouilliert sind. Wir haben fremde Gerüche auf unserem Land wahrgenommen. Das hat aber aufgehört nachdem sie festgestellt haben, dass wir darauf aufmerksam geworden sind“, erkläre ich und Rivers blaue Augen, die etwas wie Erkenntnis widerspiegeln, landen auf mir. Wenn die Situation anders wäre, würde ich jetzt meinen Arm um sie legen und unsere Zweisamkeit genießen. Jetzt, wo River offen für Körperkontakt ist, müssen wir uns mit Henry herumschlagen. Dieser Kerl gönnt mir auch keine ruhige Minute.
“Also keine Angriffe? Ich meine wirkliche Angriffe so wie bei mir?“, fragt sie weiter.
Was geht nur in dir vor, River? Was siehst du, dass wir all die Jahre übersehen haben?
“Es ging dann mit Anknurren weiter, wenn die Patrouillen sich an den Grenzen begegnet sind. Bis dahin blieb alles kontaktlos-“, erkläre ich weiter und werde von Clayton unterbrochen.
“Bis mir der Geduldsfaden gerissen ist und ich einen von Henrys Männern attackiert habe“, gesteht er und verdreht die Augen, doch das Schmunzeln kann er sich nicht verkneifen.
“Das war lustig“, meldet sich Noah zu Wort und erhält von allen, die damals dabei waren, ein grinsendes zustimmendes Nicken.
“Anschließend hat sich jeder mindestens einmal mit einen von Henrys Leuten geprügelt, um ein bisschen Dampf abzulassen. Man konnte schon fast die Uhr danach stellen. Alle paar Monate kam jemand mit einem blauen Auge oder einer blutigen Nase nach Hause. Bis Henry und Nikan ein Abkommen getroffen haben, dass wir uns gegenseitig in Ruhe lassen sollen. Dann ging es wieder mit Stichelein und Anknurren weiter“, erklärt Jesper, der während seiner Ausführungen weiterhin vor uns auf und ab läuft.
“Also hat Henry nie größere Maßnahmen ergriffen, wenn ein Mitglied seines Rudels verletzt wurde? Nur Drohungen?“ Rivers Fragen gehen weiter.
“Ja schon, aber einmal hat einer der Spinner mir die Nase gebrochen, das war nicht wirklich angenehm“, wirft Mato ein.
“Worauf willst du hinaus?“, fragt Dean, dessen Geduld ein Ende nimmt.
“Ich möchte darauf hinaus-“, wiederholt River mit einem Lächeln und legt ihre Hand auf meine, “-dass ihr vier geborene Alphas in einem Rudel habt. Ihr seid zwar nicht viele, aber einer von euch hat vermutlich die doppelte Kraft wie einer von Henrys Leuten. Eure Stärken sind aber nicht nur eure naturgegebenen Kräfte, eure Stärke ist eure Loyalität zueinander. Ihr habt euch bewusst dafür entschieden zusammen zu leben. Die Verbindung die ihr alle miteinander teilt ist nicht vergleichbar mit der Verbindung eines Rudels, dass aus Familien bei Blut besteht. Man wird hineingeboren und kann sich nicht aussuchen zu welchem Rudel man gehört. Die meisten von euch wissen, dass dies nicht immer ein Indikator für ein gestärktes Rudel ist. Familie ist nicht nur Blut. Was euch verbindet ist euer freier Wille. Ganz zu schweigen davon welche Stärke die Alphas unter euch an ihre Nachkommen weitergeben werden. Ihr hättet vermutlich irgendwann ein ganzes Rudel voller Alphas.“
Es ist still. Alle starren River an und ich könnte schwören, dass einige von uns den Atem angehalten haben, inklusive mir. Mein Blick fällt auf Clayton, weil er das immer tut, wenn es um die Rudelführung geht. Ich mag zwar der repräsentative Alpha des Rudels sein, doch in Wirklichkeit führen Clayton und ich.
Weil keiner von uns ein Wort sagt, führt River ihren Gedanken weiter.
“Die Angriffe haben erst nach Matos und Noahs Erscheinen angefangen, weil ihr zwei weitere Alphas in euer Rudel aufgenommen habt. Und Henry hat nie härtere Maßnahmen ergriffen, weil er nichts zu befürchten hatte. Ihr konntet eure Stärke nicht weitergeben. Bis Olivia und ich aufgetaucht sind. Henry fühlt sich von euch bedroht, weil ihr eines der mächtigsten Rudel dieses Kontinents werden könntet.“
River schaut der Reihe nach in die Gesichter aller Anwesenden, bis sie bei mir ankommt und sich unsere Blicke verfangen.
Ich liebe dich, River.
Wenn ich die Worte bereits ausgesprochen hätte, hätte ich sie ihr jetzt erneut gesagt. Ich liebe River. Das habe ich von dem ersten Augenblick an getan. Aber ein Liebesgeständins hier vor allen wäre unangebracht. Ich möchte ihr diese Worte in einem persönlicheren Moment sagen.
Also bleibe ich still, lecke mir über die Lippen, die sich kurz darauf zu einem breiten Grinsen verziehen und lege stolz einen Arm um ihre Schulter und ziehe sie noch dichter an mich, um ihr einen Kuss auf die Wange zu drücken.
“Ich kann mich auch irren, aber als Mato mir vorhin erzählt hat, wie viele Alphas sich in eurem Rudel befinden, hat es in meinem Kopf angefangen zu rattern. Ich hatte so ein Gefühl. Aber erst jetzt hat es irgendwie Sinn ergeben“, bringt sie genuschelt hervor, weil ich sie noch immer fest an mich drücke.
“Nein, das ist es“, bestätigt ihr Clayton, der sich nachdenklich mit dem Finger ans Kinn tippt. Offenbar fängt es bei ihm nun auch an zu rattern, wie River so schön gesagt hat.
“Dann bleibt jetzt nur die Frage, was wir mit dieser Information anfangen?“ Mato hebt in einer ratlosen Geste die Hand. “Ich meine es ist ja schön und gut, dass wir endlich zu wissen scheinen, warum Henry so ein penetranter Wichser ist, aber das ändert unsere Situation auch nicht. Ihm zu sagen, dass wir keine Bedrohung darstellen werden, wird sinnlos sein. Egal was wir ihm sagen werden, er wird uns nie glauben.“
“Wir brauchen Zeit. Da wir nun einen weiteren Vorteil haben und wissen, was Henrys Motive sind, können wir einen Plan entwickeln. Es gibt nun Möglichkeiten, die wir vorher gar nicht in Betracht gezogen haben“, erklärt Clayton, der immer noch angestrengt überlegt.
“Einen Vertrag zum Beispiel“, schlägt Ian vor.
“Möglich wäre es“, antworte ich und auch in meinem Kopf beginnt es zu arbeiten. So viele Ideen auf einmal entwickeln sich. Meine Gedanken überschlagen sich förmlich und ein Blick in die angestrengten Gesichter der anderen, verrät mir, dass es ihnen ähnlich geht.

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