Agustín ~ Believe me

By _arlinda_

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ABGESCHLOSSEN ❝ Vor wenigen Stunden waren wir noch Liebende und jetzt stehen wir uns hassend gegenüber ❞ Agus... More

PREFACIO + AESTHETICS
PRÓLOGO
1 UNO
2 DOS
3 TRES
4 CUATRO
5 CINCO
6 SEIS
7 SIETE
8 OCHO
9 NUEVE
10 DIEZ
11 ONCE
12 DOCE
13 TRECE
14 CATORCE
15 QUINCE
16 DIECISÉIS
17 DIECISIETE
18 DIECIOCHO
19 DIECINUEVE
20 VEINTE
21 VEINTIUNO
22 VEINTIDÓS
23 VEINTITRÉS
24 VEINTICUATRO
25 VEINTICINCO
26 VEINTISÉIS
27 VEINTISIETE
28 VEINTIOCHO
29 VEINTINUEVE
30 TREINTA
31 TREINTA Y UNO
32 TREINTA Y DOS
33 TREINTA Y TRES
34 TREINTA Y CUATRO
35 TREINTA Y CINCO
36 TREINTA Y SEIS
38 TREINTA Y OCHO
39 TREINTA Y NUEVE
40 CUARENTA
41 CUARENTA Y UNO
42 CUARENTA Y DOS
43 CUARENTA Y TRES
44 CUARENTA Y CUATRO
45 CUARENTA Y CINCO
46 CUARENTA Y SEIS
47 CUARENTA Y SIETE
48 CUARENTA Y OCHO
49 CUARENTA Y NUEVE
50 CINCUENTA
51 CINCUENTA Y UNO
52 CINCUENTA Y DOS
53 CINCUENTA Y TRES
54 CINCUENTA Y CUATRO
55 CINCUENTA Y CINCO
EPÍLOGO
EL FIN
Dedicación

37 TREINTA Y SIETE

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By _arlinda_

XXX Silvesterkuss XXX

„Sollte ich mir Sorgen machen?", frage ich Agustín.

Verwirrt blickt er zu mir, bevor er seinen Blick wieder auf die Straße wendet. Wir sind gerade in NYC angekommen und fahren zum Reyes Gebäude. Viel ist auf dem Flug nicht passiert, da ich einfach nur müde war. Ich lag die ganze Nacht wach, aber konnte meinen Schlaf im Flugzeug immerhin nachholen.

Hätte mich Agustín nicht den ganzen Weg über hinter sich gezogen, dann wäre ich wahrscheinlich noch immer im Flieger oder wäre in irgendeinem Flughafen in Europa am Schlafen. Noch nie im Leben habe ich mir Telepathie so sehr gewünscht. Man könnte sich von einer Sekunde auf die anderen irgendwo hin teleportieren und müsste nicht Flieger buchen, quälend lange Stunden auf einem Sitz verbringen und so vieles mehr würde erspart bleiben.

„Worüber?", fragt er nach.

„Dass du an Silvester wildfremde Menschen küsst"

Hallo Gehirn, ich bin es wieder. Ich wollte nochmal nachfragen, wann du wieder für Elaina arbeitest? Sie ist total außer Kontrolle geraten? Oh, du arbeitest nicht mehr für dumme Menschen? Das ist natürlich schade, aber ich kann es vollkommen nachvollziehen. Wäre ich nicht von Ela gefangen gehalten, wäre ich auch schon über alle Berge. Gekünstelt lacht meine innere Stimme auf, bevor sie sich von meinem Gehirn verabschiedet.

Ich weiß nicht, mit welcher Reaktion ich gerechnet habe. Das ist eine Lüge. Ich habe von ihm erwartet, dass er in seiner Bewegung innehalten würde und mich überrascht anschauen würde. Dann vielleicht sogar leugnen würde, dass er es an Silvester war.

Definitiv habe ich nicht damit gerechnet, dass er loslachen würde. Kein sarkastisches Lachen, sondern ein wirklich frohes, erleichtertes Lachen dringt aus seiner Kehle. Ich bin diejenige, die ihn überrascht anschaut.

„Ich hatte mir schon Sorgen gemacht, dass du nie darauf kommen würdest", gibt er zu. „In welchem Märchenfilm sind wir gelandet? Erst nach einem echten Kuss bemerkst du, dass ich es an Silvester war", kopfschüttelnd biegt er nach rechts ab.

„Du weißt es schon länger?", ein süffisantes Lächeln schmückt sein Gesicht. Empört schlage ich auf seinen Oberarm. Dann nochmal. Dann noch einmal, aber fester. Schockiert packt er beide meine Handgelenke mit einer Hand und lässt sie auf seinen Oberschenkel nieder.

„Willst du uns umbringen? Siehst du nicht, dass ich fahre?", als wäre ich ein kleines Kind zeigt er auf das Lenkrad vor seiner Nase. Ich zucke nur mit meinen Schultern. „Selber Schuld", „Es gibt nichts Gefährlicheres auf diesem Planeten als mit dir als Beifahrerin Auto zu fahren, Elaina".

„Dann hast du mich noch nie fahren gesehen. Lass und Plätze tauschen", spielerisch mache ich Anstalten mich loszuschnallen, aber Agustíns Reflexe sind schneller. Er drückt mich wieder schnell auf meinen Sitz. „Wie um Himmels Willen hast du deinen Führerschein gemacht?", fragt er nach, als ich mich wieder brav hinsetze.

„Ich habe halt die Prüfungen bestanden", angeberisch werfe ich ihm einen Blick zu. „Hast du den Fahrlehrer erpresst?", fragt er nach. Ich schnaube. „Vielleicht hatte der Fahrlehrer selber keinen Führerschein und du hast einen illegalen Führerschein?". Ich schnaube wieder, während ich die Arme vor meiner Brust verschränke.

„Du solltest mal meine Fahrkünste sehen. Ich fahre sicher", murmele ich. Unglaubwürdig nickt er. „Ich glaube eher, dass du die Straßen unsicher machen würdest", wieder schnaube ich. An einer Ampel halten wir und warten bis das Grünlicht erscheint.

Solange dreht er sich zu mir um und schaut mich an. „Niedlich", brummt er, als er mir in die Wange kneift. „Niedlich", äffe ich ihn verärgert nach. Ich bekomme nur ein kurzes Lachen als Antwort zurück. Wäre ich an seiner Stelle, würde ich totumfallen. Unser Flug ging um 6 Uhr in Florenz los, sodass er ziemlich früh auf den Beinen war. Dann kommen noch die 17 Stunden Flugzeit und die unendlichen Zwischenstopps ins Spiel, in denen er auch die ganze Zeit wach war. Jetzt fährt er den Wagen, während ich nur geschlafen habe.

Ich rieche etwas, was sich Schuldgefühle nennt.

„Wieder zurück zum Thema", motiviert setze ich mich auf. „Die Frage ist eher, in welchem Film du gelandet bist, dass du fremde Menschen mit einem Silvesterkuss belästigst".

„Mensch, nicht Menschen. Du warst und bist die Einzige, die ich je an Silvester geküsst habe"

Seine Worte lösen ein Kribbeln in meinem Bauch aus, was definitiv öfters passiert als es sollte. Ich räuspere mich. Ganz unauffällig schaue ich auf unsere verschränkten Finger. Ich bin wirklich süchtig nach körperlichem Kontakt geworden.

Ein Glück, dass er auch nur mit einer Hand fahren kann. Ich will nicht wissen, was du sonst gemacht hättest. Du wärst wegen Körperkontaktmangel gestorben.

„Und warum hast du mich geküsst?", „Es war halt Liebe auf den ersten Blick", antwortet er abrupt. Als würde auch er jetzt seine Worte realisieren, fährt er langsamer. Mein Herz hört für einige Sekunden auf zu schlagen, da auch dieses Organ sich beruhigen muss. Ich verkrampfe mich leicht. Auch wenn meine innere Stimme kreischend über meinen Schädel läuft, versuche ich mich unter Griff zu halten. Liebe auf den ersten Blick.

„Jetzt bin ich aber gespannt. Was war reizender: Dass ich dich nach jedem Satz nahezu zum Verschwinden angeschrien habe oder dass ich dir danach zwischen die Beine getreten habe?", meine Stimme ist zwar nicht klar wie sonst, aber zumindest habe ich mich nicht verhaspelt.

„Ich hätte fast vergessen, wie verrückt-", ich werfe ihm einen warnenden Blick zu, „wie entzückend du bist", beendet er seinen Satz. Meine Mundwinkel zucken. Die Ironie ist klar und deutlich zu hören.

„Seit wann weißt du es?", ich bin wirklich interessiert. Er war sich die ganze Zeit im Klaren, dass ich diejenige bin, die er an Silvester geküsst hat. Trotzdem hat er aber kein einziges Wort darüber verloren. Stattdessen musste erst ein Kuss passieren, damit ich es auch endlich verstehe. Naja, schlieplich arbeitet dein Gehirn nicht mehr.

„Als du zum ersten Mal in mein Büro stolziert bist", antwortet er. Ich bin gerade wirklich sprachlos. Ich hätte eher gedacht, dass auch er wie ich Schritt für Schritt zu diesem Entschluss gekommen ist. Agustín besitzt im Gegensatz zu dir viel mehr Gehirnzellen und hat ein funktionierendes Gehirn.

„Ich kann es nicht fassen. Wieso hast du dann nichts gesagt?"

„Wo bleibt dann der Spaß?"

Ich hasse es. Ich hasse es, wie er meine eigenen Worte gegen mich verwendet. Fürs Protokoll, er verbringt zu viel Zeit mit dir. Daran ist nichts schlimm. Nein, zumindest bis jetzt. Ich befürchte aber, dass seine Psyche irgendwann darunter leidet und er auch so dumm wie du wird.

„Ich habe dir aber ständig Hinweise gegeben, Elaina", tadelt er. Ich will mich gerade beschweren, aber dann fallen mir die sogenannten Hinweise ein. Wie er immer wieder Sätze, die er zu mir an Silvester gesagt hat, wiederholt an. Immer wieder. Im Büro, im Restaurant und überall.

Ich habe mir einfach nichts dabei gedacht. Dann erinnere ich mich daran, dass mich jedes Mal, als wir uns nahe waren, ein bekanntes Gefühl durchströmt hat. Ich stöhne enttäuscht auf. Ich bin wirklich dumm. Das ist eine wirkliche Untertreibung.

Es wird still, während wir dem Reyes Gebäude immer näherkommen. In NYC ist es gerade später Nachmittag. Die großen Gebäude begrüßen uns, unübersichtliche Menschenmassen laufen quer durch die überfüllten Straßen, während die ganze Stadt nach Gedrängel, Chaos und Lärm schreit.

Im Gegensatz zu den friedlichen Tagen, die ich in Florenz verbracht habe, wird mir klar, dass ich diese Stadt kein kleines Bisschen vermisst habe. Liegt es nur an der Stadt oder eher an dem FBI Gebäude, an welchem wir gerade vorbeifahren? Mist, natürlich liegt es daran. Es graut mir schon davor, dieses Gebäude in wenigen Stunden wieder zu betreten. Schließlich wollte mich Carter wieder sehen.

Agustín hält vor dem Reyes Gebäude an. Langsam löst sich seine Hand aus meiner, was sofort für eine Leere in mir sorgt. Als er aus dem Wagen steigt, läuft er um den Wagen und öffnet mir die Tür. Dankbar steige ich dann aus dem Wagen. Es ist ja nicht so, dass ich mir selber die Tür hätte öffnen können. Romantik. Es nennt sich Romantik, Elaina.

Seite an Seite betreten wir das Reyes Gebäude. Wir sind heute übrigens im Partnerlook unterwegs. Agustín in seinem weißen Hemd und in der schwarzen Anzugshose, während ich ein weißes Oberteil wie gestern und eine schwarze Stoffhose trage. Es wäre gelogen, wenn ich sagen würde, dass es Zufall ist. Schließlich trägt Agustín fast jeden Tag dasselbe, da ist es nicht schwer sich passende Kleidung zuzulegen.

Es fühlt sich komisch an nach langer Zeit wieder hier zu sein. Okay, es waren gerundet nur fünf Tage. Trotzdem fühlen sich diese fünf Tage wie eine halbe Ewigkeit an, da so viel passiert ist. Sobald ich vom Weiten den blonden Haarschopf von der Hexe sehe, könnte ich nicht angriffslustiger und stolzer zu ihr schauen als jetzt. Ihre eisblauen Augen mustert gezielt Agustín und dann mich.

Aus zusammengekniffen Augen beobachtet sie wie ich absichtlich näher zu Agustín trete. Ich hätte fast vergessen, wie sehr ich es liebe, sie zu provozieren. Die Blicke der anderen Arbeiter, die uns einige Sekunden hinterherstarren, ignoriere ich gekonnt. Natürlich blicken viele zu uns, da Agustín wieder im Gebäude ist. Der Chef, der eigentlich nie ins Ausland reist, geschweige für mehrere Tage und dann noch mit Begleitung, ist wieder im Gebäude. Juhu.

Vor der Theke und somit vor der Liza bleiben wir stehen. Ihr Gesicht blickt von den Papieren auf ihrem Tisch zu uns hoch. Als würde sie uns erst jetzt sehen, schaut sie überrascht. „Ms Reyes, Sie sind ja wieder hier! Was für eine Freude!", strahlt sie ihn an.

Als der Name Reyes fällt, bemerke ich das kurze Zusammenzucken von Agustín. Das Verlangen wieder nach seiner Hand zu greifen, wächst mit jeder verdammten Sekunde. Währenddessen ersteche ich die Hexe mit Todesblicken.

Hallo Hexe, falls wir uns noch nicht persönlich getroffen haben, so würde ich mich jetzt gerne vorstellen. Ich bin die innere Stimme von Elaina, der Person, die Agustíns Herz erobert hat. Könnten Sie jetzt aufhören ihren Seelenverwandten anzuschmachten? Falls nicht, so werde ich Ihnen jedes Haar einzeln aus ihrem Kopf reißen und Sie dann dazu zwingen, zu essen. Danke.

„Hallo, Liza. Falls Sie es nicht sehen, Ms Cooper ist auch wieder hier", betont Agustín. Gusti, ich liebe dich. „Natürlich, Guten Tag", damit wendet sie sich an mich. Von mir bekommt sie nur ein knappes Nicken. Eventuell auch ein süffisantes Grinsen.

„Elaina!", ruft eine weibliche Stimme. Suchend blicke ich mich um. Mein Blick bleibt bei der Brünetten, die gerade vom Treppenhaus kommt, stehen. Mit einem freudestrahlenden Lächeln kommt Ainara auf uns zu. Sobald sie mich umarmt, schließe ich meine Arme auch um sie. Es tut verdammt gut sie zu umarmen.

Wenn Ainara eins ausstrahlt, dann ist es Wärme. Sie strahlt solch eine Energie und Lebensfreude aus, dass ich mich manchmal frage, wie sie es mit ihren zwei Brüdern aushält. Man kann nicht anders, als sich ihrer Wärme hinzugeben und über beide Ohren zu lächeln.

„Hey, Ainara", murmele ich. „Ich wollte eigentlich böse auf dich sein", sagt sie und löst die Umarmung abrupt auf. Was hast du jetzt schon wieder gemacht? Was habe ich nicht gemacht, ist eher die Frage.

„Schau nicht so ratlos", brummt sie und erinnert mich damit an Agustín, zu dem ich blicke. Er hat seine Arme vor der Brust verschränkt. „Du bist einfach weggeflogen ohne ein einziges Wort", erinnert sie mich. Da war ja noch was. Schuldgefühle? Nein. Schlechtes Gewissen? Nein. Reue? Nein. Warum? Weil ich nichts an den letzten Tagen bereue.

„Ich dachte schon, dass ich etwas Schlimmes getan hätte", winke ich die Tatsache ab. Während Ainara mich gespielt empört anschaut, zucken die Mundwinkel von Agustín verdächtig. Sie wendet sich von mir ab. „Hola, hermano", begrüßt sie ihren Bruder, bevor sie von einem Bein auf das andere tritt. Sie schaut ihm nicht einmal in die Augen.

Das ist komisch. Ainara hatte bis jetzt immer eine gute Verbindung zu Agustín. Dass sie gerade nicht ihren Bruder in die Arme nimmt, macht mich stutzig.

In den Armen, in denen ich die letzten Nächte verbracht habe. In den Armen, die mich gehalten haben, als ich an einen Tiefpunkt war. In den Armen, die mich fühlen haben lassen, dass ich wirklich geliebt werde.

Ich räuspere mich leicht. Gedanken, Gedanken und noch mehr Gedanken. Probleme, Probleme und noch mehr Probleme. Die Hexe schaut zu mir. Ihren brennenden Blick bemerke ich sogar aus dem Augenwinkel. Ohne lange zu zögern, schaue ich direkt in ihre Augen. Langsam habe ich meine rechte Augenbraue hoch bis sie ihren Blick abwendet. Zum Glück.

Nachdem Ainara eine kurze Fragrunde gestartet hat, was wir alles dort gemacht haben, verabschiedet sie sich aus. Sie macht sich eher aus dem Staub und flüchtet vor uns. In meinen Gedanken nehme ich mir vor, sie später nochmal anzusprechen.Agustín und ich steigen die Treppen zu seinem Büro hoch. Warum zum Henker benutzt er eigentlich nicht das Büro in dem ersten Stockwerk mehr als das in den unteren Stockwerken. Gute Frage.

„Warum sind wir meistens im vierten oder sechsten Stock und nicht in den anderen Büros?", frage ich nach, als wir gerade das vierte Stockwerk ansteuern. „Angenehmer", brummt er. Natürlich. Leicht ramme ich meinen Ellbogen in seine Seite. „Lügen darf man nicht".

„Dein Büro ist im fünften Stockwerk. Ich bin durch Büro 4 und 6 in deiner Nähe"

Ich werde gleich ohnmächtig. Agustín, fang mich auf. Kurz blicke ich zu Agustín, der emotionslos nach vorne starrt und weiterhin die Treppen hochsteigt. Schnell schaue ich hoch und herunter, bevor ich es irgendwie schaffe, ihm einen Kuss auf die Wange zu drücken.

Agustín Reyes ist zu einem unglaublich niedlichen, romantischen Mann mutiert. Agustín rümpft mit der Nase so, als hätte er meine Gedanken gehört. „Wir sind im Gebäude", merkt er an. „Na und?", frage ich nach. „Keine Berührungen im Gebäude, Elaina"

Ich glaube, dass ich gerade nicht richtig höre. Ich auch.

Ich halte an, sodass auch Agustín in seiner Bewegung innehält. „Hast du gerade das gesagt, was du gesagt hast?", komplett verwirrt von meiner Frage nickt er einfach. Ich gehe eine Treppenstufe über ihm und lehne mich zu ihm herunter und greife nach seinem Gesicht.

Grinsend drücke ich ihm schnell jeweils zwei Küsse auf jeder Wange, dann auf die Stirn, auf die Schläfe und dann auf die Nase. „Ich will diese Wörter nicht mehr hören, wenn ich ehrlich bin. Sollte ich sie aber noch einmal hören, dann gibt es gar keine Berührungen", murmele ich nah an seinen Lippen.

Agustín nickt langsam. Zufrieden lege ich meine Lippen auf seine. Das Gefühl von seinen Bartstoppeln auf meinen Händen kitzelt gegen meine Handinnenfläche, während Agustín mich näher zu sich zieht. Ich werde mich nicht daran gewöhnen können, ihn zu küssen. Niemals. Es ist einfach unvorstellbar.

Vor wenigen Monaten hätte ich mir nicht vorstellen können, ihm auch nur ansatzweise nahe zu kommen. Heute kann ich es mir nicht mehr vorstellen, ihm nicht nahe zu sein.

Langsam lösen wir uns voneinander und betreten endlich das Büro. Er öffnet die schwere Holztür. Sofort erblicke ich den großen Mahagoni Tisch, die zwei schwarzen Lederstühle und die gigantischen Regale im Hintergrund. Das was mich aber interessiert, ist der Ausblick aus den Fenstern auf New York.

„Ich will zu dem höchsten Stockwerk", begeistert drehe ich mich zu ihm. Agustín nickt und schon verlassen wir auch das Büro schnell. „Ich bin wirklich begeistert, dass du noch nicht zusammengeklappt bist, Gusti. Schließlich bist du vor mir nur Aufzüge hoch und runtergefahren".

„Keine Sorge, meine Ausdauer ist bemerkenswert", zwinkert er mir zu. Grinsend nicke ich nur.

Nach einer gefühlten Ewigkeit kommen wir dann auch im zehnten Stock an. Ehrlich gesagt, bin ich wirklich außer Puste. Ich sollte öfters Sport machen. Ich hätte da einige Vorschläge, aber eine besondere Sportart wäre mir am liebsten. Ich gebe dir einen Tipp: Es beinhaltet dich und Gusti, aber ohne Klamotten.

Ich versuche diese Gedanken aus meinem Kopf zu schlagen, weil sie verdammt nochmal schmerzen. Agustín und ich. Ich will mir nicht vorstellen, was passieren würde, wenn wir diesen Schritt wagen würde. Ich komme gerade nicht ganz mit. Ich weiß nicht, ob ich es verkraften könnte, den Mann mit dem ich schlafe, hinter Gittern zu bringen. Deswegen bleiben wir bei den unteren Schritten. Meine innere Stimme schweigt.

Zurück zum Thema. Ich bin sportlich. Nur war ich halt die letzten Monate nicht mehr aktiv. Sobald ich wieder zu meinem normalen Alltag zurückkehre, werde ich wieder aktiv sein. Irgendwelchen Verbrechern werde ich hinterherlaufen, den Tag im Büro verbringen, um die Akten von Kriminellen durchzugehen und mich mit Kaffee betrinken. Mein Alltag wird so aussehen.

„Da wären wir", sagt er. Das ist das erste Mal, dass ich hier oben bin. Das Büro sieht gleich aus, schließlich waren die Innenarchitekten sehr kreativ. Wahrscheinlich aber liegt es eher an Agustín, da ich mir nicht vorstellen kann, dass er den Architekten die ganze Arbeit gelassen hat.

Staunend gehe ich an die Fensterfront. Vorsichtig lege ich meine Finger auf die Glasscheibe ab, da ich Angst habe, dass ich herunterfallen könnte. Ich wünschte, dass es wirklich passieren würde. Vielleicht würdest durch den Aufprall mit dem Boden aus dem zehnten Stock zu Sinne kommen?

Agustín umklammert mich von hinten. Entspannt lehne ich mich gegen ihn.

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Gerade streife ich mir die Jacke über, als die schwere Tür aufgerissen wird. Sofort drehe ich mich um.

„Hermano", macht Acaimo seinen Bruder aufmerksam. In einem T-Shirt und einer Jeans bekleidet sieht er zu uns beiden. Wie er bei einem solchen Wetter in solchen dünnen Kleidungsstücken rumlaufen kann, ist mir heute noch ein Rätsel. Es ist bald Frühling. Agustín nickt ihm knapp zu, als er einen Schritt von mir wegtritt.

„Schwägerin", wendet sich Acaimo an mich.

Sobald ich seine Worte realisiere, kann ich nicht anders als zu lachen. Bei dem Klang meiner grottigen Lache verziehen sich die Mundwinkel der beiden Brüder nach oben. Das kam überraschend. Acaimo hat mich gerade wirklich durch ein einziges Wort zum Lachen gebracht.

Lächelnd trete ich zu ihm. „Ich wollte gerade los. Also wünsche ich dir noch eine gute Nacht, Schwäger", neckisch grinse ich ihn an. Acaimo schaut mich wie immer arrogant an, aber trotzdem lässt sich in seinen Augen auch wie bei Agustín das Funkeln bemerken. Tatsächlich greift er nach meiner Hand und zieht mich in eine Umarmung.

Unbeholfen klopfe ich ihm leicht auf die Schulter. „Buenas noches", murmelt er, bevor er sich löst und dann auf dem Stuhl, auf welchen ich bis gerade eben saß, Platz nimmt. Wartend blickt er zwischen mir und Agustín. „Ich muss noch einige Sachen mit meinem Bruder klären", sagt er.

Ich habe natürlich den Wink mit dem Zaunpfahl verstanden und nicke. „Ich bin gleich wieder da", murmelt Agustín noch zu seinem Bruder, bevor wir zusammen das Büro verlassen.

Zur Krönung des Tages bekomme ich eine Umarmung auch von dem letzten der Reyes Geschwistern. Wohlig seufze ich auf, als ich mich in seinen Armen befinde. Er legt sein Kinn auf meinen Kopf ab, während ich die Arme um ihn schlinge.

„Sicher, dass ich dich nicht fahren soll?", fragt er zum fünften Mal in dieser Minute. Ich schüttele wieder den Kopf. Er seufzt. „Wenn du noch einmal fragst, dann-", „Ich habe es verstanden. Du wirst mich aus dem zehnten Stockwerk werfen und danach falls ich lebe, bringst du mich wieder hoch und wirfst mich wieder aus dem zehnten Stockwerk", unschuldig hebt er die Arme hoch.

Zufrieden nicke ich. „Gute Nacht, Fremder"

„Gute Nacht, Fremde", er lehnt sich gegen die Wand, während ich die Treppen heruntersteige.

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„Agent Cooper, wie geht es dir?", fragt Carter. Seufzend verschränke ich meine Hände auf den Tisch. Ja, ich befinde mich gerade im FBI Gebäude. Es wäre schlecht gewesen, wenn mich gefahren hätte, oder nicht? Hör auf deine komischen Witze abzuziehen und konzentrier dich auf deinen Arbeitgeber.

„Einigermaßen in Ordnung, Ihnen?", frage ich nach. Einigermaßen in Ordnung, äfft mich meine innere Stimme nach. Was hätte ich sonst sagen sollen? Ich glaube, dass wir alles falsch machen. Wir sollten gar nicht hinter Agustín Reyes her sein, den sie seit Jahren jagen und der sie vor dem Gericht und sämtlichen Sicherheitsbehörden bloßgestellt hat. Nochmal: Wir sollten nicht denjenigen hinter Gittern bringen, für den Sie so viel Zeit und Arbeit investiert haben, um ihn halt hinter Gittern zu bringen.

Agent Carter wird es verkraften.

„Mir ging es noch nie besser, Elaina". Heilige Bohne. Er nennt mich beim Vornamen. Rückzug, ich habe Rückzug gesagt! „Das freut mich zu hören", säusele ich zerknirscht. Ich kann mir nur allzu sehr vorstellen, warum er glücklich ist.

„Freust du dich auch darüber, dass du nur noch wenige Tage mit dem Burschen aushalten musst, bevor du einer unserer wichtigsten Projekte, beendest?", fragt er nach. Ich habe Agent Carter noch nie so glücklich und schadenfroh zugleich gesehen.

Ich könnte ihn jetzt anlügen und sagen, dass es genauso ist. Aber wen will ich anlügen? Einen erfahrenen FBI Agent? Deshalb schüttele ich meinen Kopf. „Ehrlich gesagt, weiß ich nicht, was ich von der Situation halten soll", gestehe ich.

Okay, du hast den ersten Schritt gewagt. Ich bin wirklich stolz auf dich! Verdammt stolz, Elaina. Auf dem Weg zum FBI Gebäude bin ich zum Entschluss gekommen, dass ich unbedingt mit ihm über alles sprechen muss. Es kann nicht so weitergehen.

Mein Herz und mein Verstand führen einen wilden Kampf gegeneinander. Wieso sollte ich nicht mit ihm darüber sprechen? Schließlich bin ich sowieso dazu verpflichtet, ihm alles zu erzählen, was mit den Reyes Geschwistern zusammenhängt.

Was mich zu diesem Entschluss geführt hat? Ich fühle die Umarmungen der Reyes Geschwistern noch immer auf meiner Haut. Ainara, die sich über meine Rückkehr gefreut hat. Sie hat mir das Gefühl gegeben, dass ich bereits ein fester Bestandteil ihres Lebens geworden bin. Acaimo, der mich überrumpelt hat. Auch der jüngere Bruder gibt mir das Gefühl, dass er sich langsam öffnet.

Agustín Reyes, der mich glücklich macht.

Ich habe noch nie eine solche Aufmerksamkeit wie die, die ich von Agustín bekomme, genossen. Seine ständigen intensiven Blicke, die er mir während der Arbeit zugeworfen hat. Die kleinen, kurzen Berührungen, die sich noch immer auf meiner Haut brennen. Die verdammten Küsse. Ich kann und will nicht genug von denen bekommen.

„Du siehst wirklich gestresst aus, Elaina. Was ist passiert? Konntest du dich nicht wehren und es ist etwas passiert?", seine Stimme hört sich jetzt besorgt an. Ich schüttele sofort meinen Kopf. „Nein, nein. Er hat nichts gemacht. Außerdem, ich könnte mich gegen jedermann wehren", versuche ich die Stimmung ein wenig zu heitern.

„Was ist es dann?". Ich räuspere mich.

„Ich habe die Reyes Geschwister über diese Zeit besser kennengelernt", beginne ich irgendwo, während mir Carter zuhört. „Ich habe jeden einzelnen Schritt befolgt, damit das klar ist. Ich habe an einigen Stellen improvisiert, damit überhaupt die Schritte zustande kommen."

„Ich habe wichtige Informationen, die mich seit Tagen aufwühlen", nun schaut er gespannt.

„Die Reyes Geschwister sind nicht die Einzigen, nach denen wir suchen sollten oder überhaupt suchen sollten. Ich habe Informationen über die Eltern, Agent Carter"

Ich habe mit Erstaunen gerechnet. Ich habe mit Überraschung gerechnet. Ich habe mit Schock gerechnet. Ich habe mit Neugier, Verblüffung, Wissbegier und Aufregung gerechnet. Nicht damit, dass er mit einer Handbewegung die Tatsache zur Seite schiebt, die mich mental belastet.

„Ach, das wissen wir schon", sagt er. Verdattert blicke ich zu ihm. „Sie wissen was?", frage ich nach. „Der Vater der Reyes Geschwister, Álvaro Reyes, hat uns von seiner Familie erzählt", ich weiß nicht, ob ich bei Vater oder Álvaro oder Familie mehr geekelt war.

„Álvaro Reyes?", frage ich benommen nach. Das ergibt keinen Sinn. „Ja, er hat uns die endgültigen Beweise gebracht. Wir haben Agustín Reyes. Der Gerichtsbeschluss wird in wenigen Tagen ankommen, da Álvaro uns überzeugende Beweise wie Telefonate, Dokumente und alles andere, wonach wir die letzten Jahre gesucht haben, geliefert hat"

„Einen Moment. Und was ist mit Álvaro?", „Was soll mit ihm sein?".

Der Gedanke, dass Álvaro sich zum zweiten Mal gegen seinen beschworen hat, kommt mir in den Sinn. Ich werde wütend. Bevor ich aber ansetzen kann zu sprechen, wird die Tür aufgemacht.

Agent Carter und ich schauen zu dem älteren Mann, der den Raum betritt. Blaue Augen, die mir nur zu bekannt vorkommen, blicken düster zu mir.

Lyrics: Khalid ~ Better

Your back against the wall, this is all we've been talkin' aboutIn my ears
Nothin' feels better than this (no, no, no)Nothin' feels better

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Hello...

Endlich habe ich es auch geschafft, ein Kapitel zu veröffentlichen. Meine Klausurphase hat angefangen, weswegen ich einfach nicht mehr so viel Freizeit habe. Aus diesem Grund: Rechnet in den nächsten Wochen nicht mehr mit regelmäßigen Updates ಠ_ಠ

However, ich kann es kaum abwarten, bis ich alle Klausuren hinter mir habe und mich wieder vollkommen auf das Schreiben konzentrieren kann. Also habt Geduld! Ich weiß, dass es schrecklich ist auf Updates länger zu warten, aber es geht gerade einfach nicht anders.

0-0-0-0-0-0-0-0-0-0

Nicht vergessen auf das Sternchen ⭐️ zu drücken... hehe

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