Agustín ~ Believe me

Od _arlinda_

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ABGESCHLOSSEN ❝ Vor wenigen Stunden waren wir noch Liebende und jetzt stehen wir uns hassend gegenüber ❞ Agus... Více

PREFACIO + AESTHETICS
PRÓLOGO
1 UNO
2 DOS
3 TRES
4 CUATRO
5 CINCO
6 SEIS
7 SIETE
8 OCHO
9 NUEVE
10 DIEZ
11 ONCE
12 DOCE
13 TRECE
14 CATORCE
15 QUINCE
17 DIECISIETE
18 DIECIOCHO
19 DIECINUEVE
20 VEINTE
21 VEINTIUNO
22 VEINTIDÓS
23 VEINTITRÉS
24 VEINTICUATRO
25 VEINTICINCO
26 VEINTISÉIS
27 VEINTISIETE
28 VEINTIOCHO
29 VEINTINUEVE
30 TREINTA
31 TREINTA Y UNO
32 TREINTA Y DOS
33 TREINTA Y TRES
34 TREINTA Y CUATRO
35 TREINTA Y CINCO
36 TREINTA Y SEIS
37 TREINTA Y SIETE
38 TREINTA Y OCHO
39 TREINTA Y NUEVE
40 CUARENTA
41 CUARENTA Y UNO
42 CUARENTA Y DOS
43 CUARENTA Y TRES
44 CUARENTA Y CUATRO
45 CUARENTA Y CINCO
46 CUARENTA Y SEIS
47 CUARENTA Y SIETE
48 CUARENTA Y OCHO
49 CUARENTA Y NUEVE
50 CINCUENTA
51 CINCUENTA Y UNO
52 CINCUENTA Y DOS
53 CINCUENTA Y TRES
54 CINCUENTA Y CUATRO
55 CINCUENTA Y CINCO
EPÍLOGO
EL FIN
Dedicación

16 DIECISÉIS

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Od _arlinda_

XXX Herzlos XXX

„Agustín", halte ich ihn auf. Als er mich hört, dreht er sich abrupt um. Verwirrt blickt er dann endlich zu mir. Seine Augenbrauen ziehen sich kurz streng zusammen, bevor er dann die Arme vor der Brust verschränkt. Abwertend blickt er mir entgegen, während ich auf sein weißes Hemd starre.

Es kommt so vor, als wäre der Stoff am rechten Arm viel dunkler als der weiße Stoff auf dem linken Arm. Skeptisch blicke ich an seinen Armen entlang. Gibt es Hemde, bei denen der Stoff an manchen Stellen dicker ist? Vielleicht war es ein Fehler? Vielleicht aber versucht er auch etwas zu kaschieren?

„Was?", lenkt Agustín meine Aufmerksamkeit wieder auf sein Gesicht. „Ja also, wir könnten jetzt über das Fotoshooting am Montag sprechen und über die Reise?", frage ich vage nach. Erwartungsvoll verlagere ich mein Gewicht vom linken Fuß zum rechten Fuß. Agustín hingegen aber schaut mich einfach stumm an.

„Also?", frage ich nochmal nach, als einige Minuten vergehen, indem nur Stille geherrscht hat. Als ich wieder spreche, schüttelt er kurz den Kopf, bevor er nun klarer zu mir sieht. „Natürlich, komm", sagt er dann schließlich. Nickend drehe ich mich um und erkenne noch, wie Agustín seinen Blick zum Keller zucken lässt.

Nach wenigen Treppen erreichen wir dann auch schon die erste Etage, in der wir dann in sein Büro gehen. Stillschweigend betrete ich nach ihm das Büro und lasse mich dann auf dem Stuhl vor dem Mahagoni Tisch nieder.

Solange spaziert Agustín zu seinem Lederstuhl und setzt sich auf diesen. Seine Hände platziert er auf den Tisch, während er sie ineinander verschränkt. Seufzend fahre ich mir durch die Haare, während ich mich versuche zu entspannen. Aus irgendeinem Grund bin ich gerade wirklich zappelig.

„Bezüglich des Fototermins. Wann wird die Kampagne veröffentlicht?", frage ich dann ruhiger nach. Agustín aber durchbohrt mich noch immer mit seinem Blick, was mich wieder nervös macht.

„Es wird lange dauern bis das Designerteam alles fertig macht. Laut Plan aber Anfang April", beantwortet er nach Jahrzehnten endlich meine Frage. Schade, dass Agustín und seine Geschwister diese Veröffentlichung nicht miterleben werden, da sie zu dieser Zeit schon im Gefängnis sein sollten.

Jetzt verstehe ich auch, warum ich so nervös bin. Die Zeit wird knapp. In einer Woche fliegen wir ab. In dieser Zeit wird die FBI genug Informationen haben, dass Agustín, nachdem wir wieder zurückkommen, gefangen genommen werden kann. Wie Acaimo und Ainara. Es sind nur noch wenige Wochen bis dieses Projekt endlich ein Ende gefunden hat.

„Wie geht es dir?", dringt eine Stimme zu mir durch. Sofort schaue ich zu Agustín zurück. „Wie bitte?", frage ich nach, um sicherzugehen, dass ich ihn richtig verstanden habe. Er murmelt etwas, bevor er dann deutlich sagt: „Ich habe gefragt, wie es dir geht".

Ich habe ihn richtig verstanden. Ein leichtes Lächeln breitet sich auf meinem Gesicht aus. „Mir geht es gut", antworte ich daraufhin. Agustín nickt zwar knapp, aber wendet seinen Blick nicht von mir ab.

Vielleicht kann er auch einfach nicht die Augen von dir nehmen wegen deinem Aussehen.

Ist das ein Kompliment?

Nein. Wahrscheinlich siehst du so schlecht aus, dass er grübelt, wie ein Mensch nur so schlecht wie du aussehen kann.

„Wie geht es dir?", stelle ich die Gegenfrage. Ich hätte fast gesagt, dass er heute gesprächig ist. aber als ich als Antwort wieder nur ein Nicken bekomme, beiße ich mir auf die Zunge. Agustín nimmt einen Stift in die Hand, lehnt sich zurück und dreht den Stift in seinen Händen.

Nervös tippe ich mit meinen Fingerkuppen auf dem Tisch. Wieso ist es nur so still? Ela, such nach einem Gesprächsthema. Ein Gesprächsthema. Worüber könnte ich mich mit Agustín unterhalten? Wahrscheinlich wären illegale Geschäft oder die Polizei nicht passende Themen. Private Sachen sowieso nicht.

„Warum kommst du mit auf die Geschäftsreise?", fragt er. Überrascht halte ich in meiner Bewegung inne. Damit habe ich nicht gerechnet. „Wieso sollte ich nicht mitkommen?", frage ich schlichtweg nach. „Weil du nicht gerne auf Geschäftsreisen gehst", wiederholt er meine Worte, die ich vor wenigen Tagen ausgesprochen habe.

„Gutes Argument", gebe ich zu, da ich dagegen nichts aussagen kann. Kurz schaut er mich schadenfroh an, als ich aber dann wieder ansetze zu sprechen. „Aber", beginne ich, während ich mit meinen Händen unter dem Tisch spiele.

„Aber wieso sollte ich mir die Chance vergehen lassen, mehr Promo für unsere Kooperation zu machen?", frage ich. Ich lasse ihn nicht aussprechen. Er hätte sowieso nicht gesprochen. „Außerdem habe ich rein gar nichts dagegen, Italien zu besuchen. Spanien wäre mir zwar lieber gewesen, aber Italien ist auch in Ordnung", antworte ich summend.

Still nickt er wieder. Ich kann das nicht mehr sehen. Wenn er noch einmal nickt, dann schlage ich seinen Kopf gegen den Tisch. Es herrscht mal wieder eine komische Stille.

Agustín scheint aber wirklich in Gedanken versunken zu sein. Sein Blick ist zwar noch immer auf mich gerichtet, aber nicht klar, sondern total abwesend. Grübelnd reibt er sich immer mal wieder über die leichten Stoppeln, während er sich danach durch die Haare fährt. Das erinnert mich an die Videoaufnahmen aus dem Keller.

Nachdem er den Keller in den Aufnahmen verlassen hat, war sein Haar total wirr auf seinem Kopf, was man darauf zurückführen kann, dass er sich mehrmals durch die Haare gefahren ist. Wie jetzt. Gerade wollte er auch wieder zum Keller. Ich ziehe einen Entschluss. Ich muss wissen, was in dieser schwarzen Kiste drinnen ist, die verschlossen im Keller liegt.

Irgendwann habe ich einfach einige Dokumente aus meiner Tasche geholt und angefangen zu arbeiten. Nach einer Weile hat mir Agustín nachgemacht und auch angefangen, seinen Kopf in verschiedene Ordner zu stecken. Immer mal wieder haben wir uns über einige Sachen ausgetauscht, aber größtenteils blieb es still.

Mit jeder Minute, die vergeht, werde ich noch unmotivierter als ich schon bin. Mein Blick gleitet alle zwei Sekunden zu der Digitaluhr, in der Hoffnung, dass die Zeiger 1pm schlagen, damit ich mit Ainara die Mittagspause verbringen kann.

Aber die Zeit scheint stehen zu bleiben, da sich der Zeiger gefühlt nur alle fünf Minuten um eine Sekunde verändert. Wieso kann die Zeit in solchen Momenten nicht schneller vergehen? In Momenten, in denen man aber möchte, dass sie langsamer geht, verfliegt die Zeit wie im Flug. Mit der Zeit könnten wir ja auch ein Wörtchen austauschen. Vielleicht lässt sich etwas machen, sagt meine innere Stimme unbeeindruckt.

Nur noch eine halbe Stunde. Nur noch eine halbe Stunde, dann kann ich dieses Büro verlassen und Pause machen. Es ist ja nicht so, dass du schon genug Pause machst. Stell dir mal die ganzen Menschen vor, die wirklich diesen Beruf über Jahre hinweg ausüben und mehr Stunden als du täglich im Büro bleiben. Zum Beispiel? Du kannst jeden Angestellten in diesem Gebäude als Beispiel nehmen, ruft meine innere Stimme.

„Wieso schaust du die Wand bemitleidend an?", fragt Agustín.

Ein bekanntes Gefühl durchflutet meinen Körper. Es fühlt sich an wie ein Déjà-vu. Ich habe diesen Satz bereits schon einmal gehört. Ähnlich. An Silvester. Ich halte die Luft an. Ich habe gar nicht mehr über einen Silvesterkuss nachgedacht. Schließlich kann ich mich nur an wenige Sachen erinnern. Hinzu kommt, dass in dieser Stadt zu viele Menschen leben, um auf eine Suchjagd zu gehen.

Skeptisch schaue ich in die blauen Augen von Agustín, welcher mich nun noch intensiver mustert. „Wie bitte?"; frage ich nach, damit er den Satz wiederholt.

„Ich habe gefragt, wieso du die Wand bemitleidend anschaust", wiederholt er den Satz, wobei er nicht ansatzweise die gleiche Wirkung wie eben hat. Trotzdem rattert es in meinem Kopf noch immer. „Ich habe mich nur gefragt, womit ich es verdient habe, meine Zeit mit dir zu verschwenden", erkläre ich keck nach.

Sein Gesicht verzieht sich gar nicht. Vielleicht liegt es auch daran, dass er sich mittlerweile an meine Sprüche gewohnt hat. Stattdessen schüttelt er nur den Kopf kurz und legt den Stift wieder auf den Tisch. Nachdenklich fährt er sich wieder über das Kinn.

„Wolltest du vorhin zum Keller?", frage ich ruhig nach. Meine Neugier ist wieder wach. Nun zieht er aber überrascht seine Augenbrauen hoch. „Vorhin als ich das Treppenhaus betreten habe, warst du auf dem Weg zum Keller", erinnere ich ihn wieder daran.

Er nickt. „Was wolltest du machen?", frage ich dann auch sofort nach. Vielleicht ein wenig zu schnell. Skeptisch blicken mich diese blauen Augen an, während ich einfach nur entspannt zurückstarre. Ich hätte das vielleicht nicht fragen dürfen, aber seit wann halte ich mich denn auch zurück?

„Papierkram", antwortet er schlicht. Lüge. Die Antwort kam zu langsam. Er musste nachdenken, was er jetzt antworten wird, und zwar nicht die Antwort. Damit bestätigt er mir mal wieder, dass er da unten kein Papierkram machen muss.

Daraufhin öffnet sich die Tür. Wir beide drehen uns um. Ainara steht am Türrahmen und blickt mich auffordernd an. „Hallo ihr beiden. Kommst du Ela?", fragt sie mich dann. Ich blicke auf die Uhr. Es ist tatsächlich endlich 1pm. Nickend stehe ich auf und ziehe mir den schwarzen Mantel über, während ich zu Ainara gehe.

„Wohin?", hält uns die Stimme von Agustín auf. Ainara und ich drehen uns beide um, weil wir gerade aus dem Raum herausgehen wollten. „Irgendwohin", antworte ich, während Ainara „Straßencafé" murmelt. Grinsend blicke ich zu ihr. Wir hatten uns noch gar nicht geeinigt, wo wir hingehen.

Es kommt nur ein Nicken von dem Mann vor uns. Schulterzuckend ziehe ich dann Ainara hinter mir her, um endlich essen zu gehen. Während wir nach draußen gehen, unterhalten wir uns über alles Mögliche.

„Straßencafé, also?", frage ich neckisch nach. Kichernd richtet sie sich ihre Brille zurecht. „Ich habe tatsächlich eher an das kleine Restaurant an der Ecke gedacht", sagt sie und zeigt dann auf das kleine Restaurant, in welchem Agustín und ich zum ersten Mal gemeinsam gegessen haben. Verblüfft hebe ich meine Augenbrauen in die Höhe.

„Gerne, aber wie bist du auf das Restaurant gestoßen?", frage ich sie, während wir gemeinsam an der Ampel warten. „Agustín hat eines Tages darüber geredet, dass er dort essen war und ihm die Inneneinrichtung sowie das Essen sehr gefallen hat. Er wollte mit mir dort mal essen, aber hat es noch immer nicht geschafft. Also wieso nicht gemeinsam mit dir das Restaurant beurteilen?", erzählt sie grinsend.

Ein großes Lächeln breitet sich auf meinem Gesicht aus. Agustín hat es dann also noch mehr gefallen, als ich gedacht habe. „Tatsächlich war ich hier öfters", gebe ich dann zu, als wir es betreten. Wie immer, wenn ich hier reinkomme, verspüre ich ein wohles Gefühl. Ich habe fast jede meiner Mittagspausen hier verbracht und kenne auch mittlerweile das Restaurant in und auswendig.

„Hallo, Ela. Schön, dass du wieder hier bist. Hinten ist noch ein Tisch frei. Oh und heute hast du auch eine Begleitung mit. Willkommen!", rattert der Kellner Luca runter. „Hallo Luca", grüße ich ihn zurück. „Ja, genau. Das ist Ainara", stelle ich dann auch meine Begleitung vor. Lächelnd schaue ich zu Ainara, welche noch immer zu Luca schaut.

„Guten Tag, Ainara. Jetzt kommt", deutet er uns an und geht auch schon los. Schweigend folgen wir ihm. Zum Glück sitzen wir hinten. Ich mag es nicht vorne zu sitzen, da man dann von den neuen Gästen beim Hineinkommen immer angeschaut wird. Hinten nicht.

Als wir beide dann endlich Platz nehmen, reicht uns Luca die Speisekarten und richtet seine petrolgrüne Schürze. „Wenn ihr euch entschieden habt, einfach Bescheid geben", er zwinkert uns noch zu und flitzt auch schon los. Grinsend schüttele ich meinen Kopf, als ich sehe wie Ainara ihm noch immer hinterher schaut.

Ich kann sie verstehen. Er ist wirklich gutaussehend. Aber das scheint jeder in dieser Millionenstadt zu sein. Jetzt zum viel wichtigeren Punkt. Was will ich heute nur essen? Ich glaube, dass jetzt nur Pommes genug wären. Ich habe zu viel Kaffee getrunken.

„Gefällt es dir hier?", frage ich dann Ainara. Sie schaut von der Karte hoch und blickt sich noch einmal forschend durch den Raum. „Es ist noch besser als ich es mir vorgestellt habe. Natürlich war ich überrascht davon, dass Agustín ein Restaurant empfiehlt. Er ist nie mit etwas zufrieden", erzählt sie.

Nickend spiele mit meinen Händen. „Hast du dich schon entschieden?", frage ich sie dann noch. Sie nickt. Ich schaue mich nach Luca um. Als ich ihn dann entdecke und er zu mir schaut, hebe ich meine Hand. Er deutet mir an, dass er gleichkommen wird. Nach wenigen Sekunden erscheint er auch vor unseren Tisch.

„Also was kann es sein?", fragt er nach. Sollte ich die Blicke, die sich Ainara und Luca zuwerfen, ignorieren? Nein, solltest du nicht. „Für mich Cola und Pommes", sage ich, während ich ihm die Karte reiche, welche er annimmt. Nun setzt auch Ainara an zu sprechen.

„Cola und Pizza Margherita", gibt sie dann auch ihre Bestellung auf, während sie ihm das Menü reicht. Luca krizelt auf dem kleinen Block etwas, nickt und geht dann auch. „Pizza", summe ich grinsend. „Hast du schon andere Sorten ausprobiert?", frage ich sie. Vage schüttelt sie ihren Kopf. „Acaimo hat vorgestern eine andere Sorte bestellt. Ich glaube aber, dass ich bei Margarita bleibe"; gibt sie dann zu.

Ich lege meinen Kopf schief. „Du siehst noch immer angespannt aus", sage ich. Ich habe gedacht, dass wenn wir rausgehen würden, dass sie sich entspannen würde. Stattdessen sind ihre Augenbrauen wie die von Agustín streng zusammengezogen, ihre Schultern sind angespannt hochgehoben und sonst wirkt sie insgesamt nicht entspannt.

Sie seufzt. „Es ist gerade viel los. Agustín fliegt in einer Woche weg. In seiner Abwesenheit darf nichts schieflaufen, da ich in dieser Zeit für alles verantwortlich bin", gibt sie erschöpft von sich. Das wundert mich nicht. Wem könnte Agustín mehr als seinen eigenen Geschwistern vertrauen? Wobei man bedenken muss, dass Acaimo bestimmt nicht die erste Wahl für Agustín ist. Ainara ist viel verantwortungsvoller und arbeitet auch richtig.

„Das ist natürlich viel Verantwortung, aber das schaffst du. Schließlich hast du es bis jetzt auch geschafft.", spreche ich ihr aufmunternd zu. Es scheint ihr wirklich viel Druck zu machen. „Kannst du dich noch daran erinnern, als ich gesagt habe, dass du dringend eine Pause verdient hättest?", frage ich nach. Sie überlegt kurz und nickt dann. „Ich kann dir zwar keinen Urlaub geben", grinse ich sie kurz an, was sie erwidert. „Was sagst du zu einem Mädchentag? Nur wir beide?", frage ich nach.

Überrascht schaut sie mich an. „Wie meinst du das?", erkundigt sie sich näher. „Nun ja, du könntest am Samstagabend zu mir kommen und dann bei mir übernachten. Am späten Sonntag könntest du dann wieder los und dich richtig für die Arbeit am Montag ausschlafen", gebe ich schulterzuckend von mir.

„Wie eine Übernachtungsparty?", fragt sie nach. Ich nicke. Schließlich könnte ich dann aus ihr einige Informationen rausquetschen, wenn wir an einem privaten Ort nur zwischen uns sind. „Was hältst du davon?", frage ich nach. Langsam aber sicher breitet sich ein Lächeln auf ihrem Gesicht aus. „Das hört sich fantastisch an", strahlt sie mich nach einiger Zeit an.

„Schauen wir dann Filme und quatschen über alles Mögliche?", fragt sie wie ein kleines Kind. Kichernd schüttele ich meinen Kopf. „Nein, wir werden natürlich an diesem Tag arbeiten, was das Zeug hält", antworte ich ironisch. Kurz schaut sie geschockt, aber bricht dann ins Lachen aus.

„Ich hätte dir fast geglaubt", grinst sie. Dann beginnt ihre Miene zu bröckeln. Ihre Mundwinkel verziehen sich nach unten. „Das war auch Ironie. Das war nicht ernst gemeint", versuche ich sie zu beruhigen, aber sie schüttelt ihren Kopf. „Nein, daran liegt es nicht. Wie konnte ich es nur vergessen?", regt sie sich auf.

Fragend schaue ich ihr entgegen. Was ist jetzt los? „Ich arbeite am Sonntag. Ich habe nie frei", sage sie dann todesernst. „Deshalb habe ich auch nie Pläne. Kaum freue ich mich auf etwas, vergesse ich alles", murmelt sie und legt ihren Kopf in ihre Hände. Ich glaube, dass sie erwartet hat, dass ich sie bemitleidend anschaue. Das ist aber nicht der Fall.

Stattdessen versuche ich mein Grinsen zu verstecken. „Ainara", mache ich sie auf mich aufmerksam. Sie schaut mich aus trüben Augen an. Das Mädchen ist wirklich niedlich. Sie freut sich über alle kleinen Dinge, die normal sind. „Mach dir darüber keine Gedanken. Das kriegen wir schon hin. Vergiss einfach nicht am Samstag zu mir zu kommen", summe ich vielversprechend.

„Wie?", fragt sie. „Ich muss arbeiten. Ich nehme mir nie frei", widerspricht sie mir. „Dann ist es an der Zeit, sich einen freien Tag zu nehmen", summe ich weiter. „Agustín wird das nicht zulassen", gibt sie wieder ernst von sich. Sie scheint wirklich Respekt und Angst vor ihm zu haben, was man bei Acaimo nicht behaupten kann.

„Das regele ich schon", winke ich diese Tatsache ab, als Luca endlich mit unseren Bestellungen kommt und uns einen guten Appetit wünscht.

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„Herein", ertönt es von der anderen Seite.

Ich betrete den Raum. Statt mich zu setzten, lehne ich mich einfach gegen die große Holztür. Ich hoffe, dass jemand reinkommen wird und du dann hinfällst. Wow, meine innere Stimme ist in letzter Zeit ruhiger, aber gemeiner geworden.

„Hallo, Agustín", begrüße ich den Spanier heute zum zweiten Mal. Mittlerweile ist es aber bereits nach 11pm. Nachdem ich mit Ainara wieder ins Gebäude gekommen bin, hatte ich ein langes Meeting mit dem Foto Team und musste danach mit dem Designerteam Papierkram durchgehen. Erst jetzt habe ich es geschafft, mir die Zeit zu nehmen, um mit Agustín zu reden.

Damen und Herrn, statt einfach nur wieder zu nicken, steht der große Mann tatsächlich auf und lehnt sich gegen seinen Schreibtisch. „Hallo", sagt er. Manchmal vergesse ich, wie groß er eigentlich ist, da wir die meiste Zeit über nur sitzen. Seine langen Beine streckt er aus, während er seine Hüfte gegen den Tisch lehnt. Seine Arme verschränkt er vor seiner Brust.

Kopfschüttelnd fahre ich mich durch die Haare. „Ich wollte Bescheid geben, dass Ainara am Sonntag nicht arbeiten wird", sage ich nebensächlich. Er will tatsächlich wieder nicken, aber realisiert dann meine Wörter und hält mitten in der Bewegung inne.

„Nein, wieso sollte sie nicht hier sein?", fragt er mich. „Weil sie den Tag mit mir verbringen wird", antworte ich. Nun stelle ich mich aufrecht hin, da ich das Gefühl habe, dass es wieder in einer Diskussion enden wird. Es würde mich nicht wundern.

„Sie kann nach der Arbeit Zeit mit dir verbringen. Sie braucht dafür keinen freien Tag", bestimmt er. „Doch, das braucht sie. Sie verlässt dieses Gebäude erst nach Mitternacht. Dann ist sie total erschöpft und müde. Das will ich nicht. Sie wird ausschlafen und nicht zur Arbeit kommen", widerspreche ich ihm, während ich einige Schritt auf ihn zugehe.

„Ainara wird arbeiten", wiederholt er sich. „Nein, wird sie nicht", widerspreche ich ihm. „Doch, sie wird arbeiten", sagt er wieder. „Ich habe gesagt, dass sie sich diesen Tag frei nehmen wird", widerspreche ich ihm weiter. So geht das dann einige Runden weiter, bis Agustín dann seine Geduld zu verlieren scheint.

„Nein, sie wird arbeiten!", ruft er aus. Überrascht halte ich inne. Es ist selten vorgekommen, dass Agustín geschrien hat. Meistens strahlt er mit seiner souveränen Art Ruhe aus, aber strenge Ruhe. Dass er schreit passt gerade nicht in das Bild. Genervt reibt er sich an den Schläfen und zischt.

Es wird still. Wir stehen nur wenige Zentimeter voneinander getrennt, da wir währenddessen immer nähergekommen sind. „Wieso willst du, dass sie sich frei nimmt?", fragt er ruhiger nach. Ich trete von dem einen Bein zum anderen. „Ich habe das Gefühl, dass ihr eine kleine Pause guttun würde", erkläre ich knapp.

„Du hast das Gefühl?", fragt er sarkastisch nach. „Nein, ich weiß es. Wie ein Roboter läuft sie den ganzen Tag durch das Gebäude und arbeitet. Dass sie müde und erschöpft von dem allen ist, zeigt sie natürlich nicht, sondern lächelt einfach weiter. Ihr würde eine Pause guttun. Sie hat sich diesen freien Tag mehr als verdient. Ich kann nicht glauben, wie man ihr bis jetzt noch nicht frei gegeben hat?", rege ich mich auf.

„Jetzt mal ehrlich. Wie unmenschlich muss man sein, seiner eigenen Schwester keine Pause zu gönnen?", frage ich laut nach.

Seine Zähne beißt er zusammen, während er seine Hände zu Fäusten ballt, sodass die Knöchel weiß hervorstechen.

„Hat sie dich je gefragt, ob sie sich einen freien Tag nehmen kann? Wahrscheinlich nicht. Wieso sollte man ihr dann diesen Wunsch nicht gewährleisten?", steche ich weiter nach, als ich ihm einen Schritt nähertrete.

Er hat den Kopf noch immer nach unten gesenkt. Schau mich an, wenn ich mit dir spreche. Als hätte er meine Gedanken gelesen, hebt er seinen Kopf an und schaut mir entgegen.

„Wie kann man nicht bemerken, dass die eigene Schwester erschöpft und total kaputt ist?", frage ich weiter nach.

Mit jedem Wort werden seine Augen dunkler. Er scheint hin und hergerissen zu sein. Er weiß nicht, was er darauf antworten soll.

„Das machen nur herzlose Menschen. Hast du kein Herz, Reyes?", frage ich nun leise nach.

Als hätte ich ihn geschlagen, zuckt er zusammen. Skeptisch schaue ich seinen rechten Arm an, welcher zu zittern beginnt. Sofort versteckt er ihn aber hinter seinem Rücken, bevor er sich abrupt nach vorne bewegt.

Mit einem kräftigen Schritt kommt er mir so nah, dass sein Atem gegen mein Gesicht peitscht. Kräftig packt er mich an meinen Oberarmen.

„Rede nicht so mit mir!", schreit er mich an. Meine Augen weiten sich, als ich seine Wut erkenne. „Du kennst mich nicht, also halte deinen Mund, wenn du nichts weißt!", schreit er mich weiter an.

Die Schlagader an seinem Hals sticht hervor. Er bebt am ganzen Körper, während er mich wütend anschaut. Er atmet hektisch ein und aus. Sein Griff um meine Oberarme verfestigt sich. Ich selber aber starre ihn aus großen Augen an. Was ist nur mit ihm?

„Lass mich los", sage ich leise. Als er aber nicht loslässt, wiederhole ich mich. Er schaut mich einfach nur weiter wütend an, während er versucht, sich selber in Schach zu halten. „Ich habe gesagt, dass du mich loslassen sollst, Agustín", sage ich und versuche selber seine Hände von meinen Oberarmen zu nehmen.

Als ich seine Hände berühre, springt er sofort nach hinten. Im Raum wird es wieder still. Man hört nur das hektische Atmen von Agustín, der mir den Rücken zugewandt hat. Sein ganzer Körper ist angespannt.

Ich will einen Schritt näher zu ihm treten, aber seine Stimme lässt mich innenhalten.

„Geh jetzt", befiehlt er mir. „Ich werde-", setzte ich an, aber seine laute Stimme lässt mich wieder innehalten. Er dreht sich aufbrausend zu mir um. „Geh weg!", ruft er mir entgegen. Dieses Mal zucke ich zusammen. Geh weg. Verschwinde.

Ich bleibe stehen und schaue ihm entgegen. Mein Blick ist durchbohrend, während er mich total außer sich anschaut. Seine Augen spucken Feuer. Seine Hände sind noch immer zu Fäusten geballt, während seine Halsader hervorsticht.

Geh weg. Wortlos drehe ich mich herum und verlasse mit schnellen Schritten sein Büro und dann das gesamte Gebäude.

Und ich hatte mich fast gewundert, wieso er ein Krimineller ist. Lächerlich.

"Leben, das ist das Allerseltenste in der Welt - die meisten Menschen existieren nur"

Oscar Wilde

Nicht vergessen auf das Sternchen ⭐️ zu drücken... hehe

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