Kapitel 22

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Vorsichtig greift er nach dem Tuch, welches ich bis eben vergessen in der Hand gehalten habe und tupft mir vorsichtig das Blut weg.

"Das ist meine Schuld. Lass mich dir helfen." sagt er mit seiner tiefen Stimme.

"Du brauchst mir nicht helfen." murmle ich so leise, dass er mich fast nicht hören kann, aber er ignoriert mich und macht weiter.

Während er das tut starre ich ihn die ganze Zeit an, aus Angst, dass er wieder verschwindet, wenn ich nur blinzle.

"Du brauchst dir keine Sorgen machen, Kleine. Ich verschwinde schon nicht. So leicht wirst du mich jetzt nicht mehr los."

"Wie meinst du das?" frage ich ihn vorsichtig.

"Ich meine das, was ich gesagt habe. Es ist meine Schuld, dass du fast gestorben bist. Hätte ich nicht Hektors Männer umgebracht, hätten sie dich nicht versucht zu erstechen." antwortet er und sieht mich dabei niedergeschmettert an.

"Es ist nicht deine Schuld." murmle ich leise.

"Doch das ist es." fährt er mich an und ich zucke leicht vor ihm zurück. "Es tut mir leid, Kleine. Ich wollte dich nicht erschrecken, aber du musst wissen, dass du mir nichts schuldest. Ich gebe dir nicht die Schuld dafür, was mit Dean passiert ist. Du kannst dafür nichts. Das ist alles Hektors Schuld. Und Dean hätte gewollt, dass ich dich beschütze." flüstert er, während er mit seiner Stirn meine berührt.

"Ich habe Dean versprochen, dass ich dich beschütze." antworte ich ihm. "Nach der... Nach der Beerdigung, da bist du verschwunden. Ich habe mir solche Sorgen gemacht. Ich dachte, wir sehen dich nie wieder."

"Jetzt bin ich wieder da und ich werde mein Versprechen meinem Bruder gegenüber halten. Jetzt lass uns zurück gehen, bevor die Anderen sich anfangen Sorgen zu machen. Ich habe dich vermisst." sagt er so leise zum Schluss, dass ich ihn fast überhöre.

"Ich dich auch."

Er hat seinen Arm um meine Schulter gelegt und führt mich zurück zu meinen Brüdern, die immer noch am Tisch sitzen, aber nun besorgt aussehen.

Nur Aidan sieht nicht besorgt aus, sondern eher verachtend, als er Ryders Arm um meine Schulter sieht.

Nachdem ich mich hingesetzt habe drückt Ryder noch einmal meine Schulter.

"Ich muss noch ein paar Dinge erledigen. Wir sehen uns."

Damit verschwindet er wieder in die Richtung des Eingangs.

Miranda sieht uns überrascht an und ich zucke nur mit den Schultern.

Während des Essens quatschen wir fröhlich, bis wir irgendwann von Jace unterbrochen werden.

"Sag mal, hast du sie schon drauf angesprochen?" fragt er Aidan.

"Worauf?" Überrascht drehe ich mich zu ihnen.

"Ich wollte dich fragen, ob du mich vielleicht trainieren kannst? Ich habe in drei Wochen meinen ersten Kampf." Aidan schaut mich hoffnungsvoll an.

Ich kneife meine Augen zusammen. "Für wen kämpfst du?"

Natürlich kenne ich die Antwort auf die Frage schon, aber ich will es einfach nicht glauben.

Jace' Miene wird schlagartig unsicher und das bestätigt mir meine Vermutung. "Du hast ihm Leon vorgestellt?" schreie ich Jace entgeistert an.

Der zuckt nur leicht zurück und Aidan antwortet für ihn. "Der kümmert sich doch auch um deine Kämpfe. Also, wo ist das Problem?"

"Du bist nicht ich. Du hast keine Ahnung, mit wem du dich da einlässt. Dir ist klar, dass du da nicht schnell wieder rauskommst?!" Ich merke, wie ich langsam die Kontrolle verliere und sich meine Hände zu Fäusten ballen, aber er antwortet nur ruhig: "Das ist mir klar. Aber ich will es trotzdem machen und deine Brüder sagen, dass du die Beste bist, wenn es darum geht Leute zu trainieren."

Ich vergrabe meinen Kopf in den Händen.

Wie konnten meine Brüder zulassen, dass er sich mit Leon einlässt?

Gedanklich zähle ich bis zehn, um mich zu beruhigen und hebe wieder meinen Kopf.

Es funktioniert nicht.

Die Jungs sehen mich gespannt an und ich nicke langsam.

"Du kommst da sowieso nicht mehr raus, also können wir auch gleich das Beste daraus machen." seufze ich. "Und mit euch rede ich noch."

Dabei zeige ich auf Jace und er schluckt einmal.

"Dann komm. Ich mach mich noch schnell fertig und dann können wir gehen. Ich habe heute sowieso nichts zu tun. Miranda wird später noch dazu kommen."

In der Schule kann ich nicht mehr bleiben, da mich hier alles zu erdrücken scheint.

Zuhause ziehe ich mir einfach nur eine Jogginghose und ein Pulli an.

Wir sind ja sowieso bald beim Sport.

Wir trainieren drei Stunden und sind beide am Ende ziemlich fertig.

Aber ich muss zugeben, dass er schnell lernt, obwohl er trotzdem noch ein ziemlicher Anfänger ist.

Als wir beide wieder zuhause ankommen sitzen die Jungs alle zusammen vor dem Fernseher und zocken mal wieder auf der Playstation.

Ich gehe zu ihnen rüber und ziehe den Stecker.

"Jungs, ich will wissen, was das mit Aidan soll?"

Nach ein paar lauten Heys beruhigen sie sich und ich sehe ihnen das schlechte Gewissen an.

"Ich habe die beiden einander vorgestellt, als wir letztens zusammen bei einem Kampf waren." sagt Derek und sieht schuldbewusst auf seine Hände.

"Wieso hast du ihn überhaupt da mit dir hingenommen? Falls ihr es nicht bemerkt habt, ist es so schon gefährlich genug für Jason und Aidan mit uns zu leben, da müsst ihr sie nicht auch noch mit zu den Kämpfen nehmen, geschweige denn, sie selber dort mitkämpfen lassen. Habt ihr etwa vergessen, dass Ben letztens erst an der Tür stand und ihm eine Pistole an den Kopf gehalten hat? Und was ist mit den Leuten die im Ring gestorben sind? Oder die Männer, welche Leon hat umlegen lassen? Sie sind deswegen gestorben! Und ihr wollt ihn da einfach rein schicken, obwohl ihr wisst, dass er noch nicht bereit dazu ist? Nach allen was ich durchgemacht habe? Sag mal seid ihr komplett bescheuert?"

Ich merke wie die ganze Wut von vorhin wieder hochkocht und jetzt sind es nicht nur die toten Boxer, die ich vor Augen habe, sondern auch die ganzen Kämpfer, die mit mir und gegen mich in der Arena gekämpft haben und jetzt tot sind.

Ich weiß, es klingt doof wenn ich nicht will, dass Aidan kämpft, ich dagegen aber selber kämpfe.

Aber er ist einfach noch nicht so erfahren wie ich.

Aidan hat vorhin mit mir den Raum betreten und jetzt wirble ich zu ihm herum.

"Ich werde dich trainieren. Du wirst tun was ich sage. Wir werden deine Ernährung umstellen müssen und ab sofort schläfst du in deinem eigenen Zimmer."

Damit stürme ich raus und die Treppe hoch.

Fighting the BadboyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt