Kapitel 28

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Raven zog sich stöhnend auf den verschneiten Vorsprung und rieb sich bibbernd die eiskalten Hände. „Ich hätte mir Handschuhe mitnehmen sollen.", murmelte sie und trat vorsichtig an den Rand des Vorsprungs, der unter ihrem Gewicht bedrohlich knackte. Von dort aus konnte man die Zerstörung nur noch deutlicher erkennen. Die Dächer waren eingestürzt und, an den Stellen wo die Feuerwand sich bereits ihren Weg gebahnt hatte, waren die Häuser vollständig zerstört. Raven schaute zu Boden. Zwischen den Leichen stand Jade und winkte ihr zu.
„Alle sind hier weg!", schrie sie zu Raven hoch. Sie musste es zweimal wiederholen, bis Raven es verstanden hatte. Sie nickte und bedeutete Jade aus dem Weg zu gehen.
Dann warf sie einen erneuten Blick auf die Feuerwand, die sich nun direkt unter dem Vorsprung befand. Raven atmete noch einmal tief durch. Das war sehr riskant, selbst für sie. Wenn sie an der falschen Stelle einstach, würde sie womöglich mit in die Tiefe stürzen und unter den Schneemassen begraben werden.
Sie ließ ihren Blick über die Oberfläche des Gletschers gleiten und entdeckte einen kleinen Riss. „Hoffen wir mal, dass das funktioniert.", murmelte sie und umklammerte den Griff von Jades Schwert. Mit aller Kraft stieß sie ihr Schwert in den Riss. Die Klinge glitt bis zum Griff in das dünne Eis. Es knackte und der Riss wurde breiter. Im rasenden Tempo zog er sich bis zum Rand des Vorsprungs. Es knackte ein weiteres Mal. Raven wich einen Schritt zurück, als das Eis begann auseinanderzubrechen. Große Brocken fielen zu Boden und krachten knisternd ins Feuer.

„Es funktioniert!", hörte sie Jade von unten jubeln. Raven lächelte erleichtert. Doch die Erleichterung hielt nicht lange an, denn auch unter ihren Füßen begannen sich kleine Risse zu bilden. Raven bewegte sich langsam auf die Kante des Vorsprungs zu und begann mit klopfendem Herzen den Abstieg. Immer wieder rutschte sie mit dem Fuß ab, wobei sich kleinere Eisstücke lösten und zu Boden fielen. Sie hatte beinahe den Boden erreicht, als sich der kleine Vorsprung, an den sie sich gerade klammerte, vom Gletscher löste. Raven verlor den Halt und fiel rücklings zu Boden.
Wie in Trance hörte sie Jade ihren Namen rufen. Im nächsten Moment landete sie unerwartet sanft in einem Berg Schnee. Stöhnend griff sie sich an den Kopf und schaute auf. Jade stand vor ihr und hielt ihr die Hand hin. Dankbar griff Raven danach und ließ sich von ihr aus den Schneemassen ziehen.
„Du musst echt damit aufhören.", tadelte Jade und half Raven den Schnee von ihrer Kleidung abzuklopfen.
„Womit soll ich aufhören?"
„Du sollst aufhören immer irgendwo runterzufallen. Ich kriege jedes Mal einen Herzinfarkt. Erst in Tizan und jetzt hier."
Raven lachte auf. „Keine Sorge, so langsam bin ich es gewohnt." Dann schaute sie auf. „Sieht aus, als hätten wir das Feuer eingedämmt." Jade nickte. „Ja, das haben wir gut hingekriegt. Hoffen wir mal, dass sich diese komische Feuerwand nicht noch weiterbewegt."

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Raphael stützte sich entkräftet an einem der Regale ab und schaute zu Ylva, die sich über Evelyn beugte. „Evelyn? Bitte sag etwas.", flehte sie. Raphael seufzte und taumelte auf die beiden zu. Langsam ging er in die Hocke und legte Evelyn einen Finger auf die Stirn. Diese zuckte kurz zusammen und schlug dann die Augen auf. Raphael sank unterdessen erschöpft auf dem Boden zusammen. Der Dolch glitt ihm aus der Hand und rutschte über den hölzernen Boden. Ylva griff danach und ließ ihn in ihrem Gürtel verschwinden. Evelyn hatte sich inzwischen aufgesetzt. Entsetzt starrte sie auf den offenen Raum. „Den Lebensstein haben wir auch verloren, habe ich recht?", fragte sie leise und schlang die Arme um ihre Knie. Ylva nickte abwesend. Ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken. „Ja, das haben wir.", sagte sie traurig und atmete tief durch.
Nun fiel Evelyns Blick auf Raphael, der schwer atmend auf dem Boden lag. „Was ist mit ihm? Warum ist er hier?"
„Er ist hier aufgetaucht, als du bewusstlos warst und hat versucht Asmodeus zu erstechen. Asmodeus ist aber verschwunden, bevor ihn der Dolch treffen konnte."
Ein Stöhnen lenkte die Aufmerksamkeit der Frauen wieder auf Raphael, der sich langsam wiederaufrichtete. „Geht es euch beiden gut?"

Queens- When darkness fallsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt