Kapitel 5

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Jade stieg die letzte Stufe der langen Treppe hinauf und befand sich nun auf dem Flur des Wohntraktes, der nur den Königen, oder jetzt wohl eher Königinnen, der Reiche vorbehalten waren, wenn diese einmal im Versammlungshaus übernachten mussten, wie nach einer späten Mission oder nach einer Besprechung, die noch bis tief in die Nacht ging. Raven und ihr Bruder Peeter hatten hier ein Zimmer bezogen. Jade gähnte. Wie gerne würde sie jetzt in ihrem Bett liegen und einfach schlafen, aber sie wusste, dass sie keine Ruhe finden würde, bis sie wenigstens versucht hatte, Raven zu trösten, wenn diese das überhaupt wollte. Doch Jade würde es versuchen. Sie wusste nur zu gut, wie schwer es manchen Leuten fiel um Hilfe zu bitten, selbst wenn sie diese bitter nötig hatten. Und vor allem würde sie versuchen Ylva davon abzuhalten Raven noch mehr wehzutun. Selbst Raven hatte dies nicht verdient.

Jade bog gedankenverloren um eine Ecke und stieß beinahe mit Ylva zusammen. „Was machst du hier?", fragte Ylva überrascht. Jane beantwortete diese Frage mit einer Gegenfrage. „Bist du schon fertig damit Raven anzuschreien?", fragte sie tonlos. Ylva kratzte sich beschämt am Kopf. „Ich habe mich dazu entschieden ihr erst später die Leviten zu lesen.", sagte sie leise, „Außerdem war sie eh nicht in ihrem Zimmer."

Jade verschränkte die Arme. „Also hast du dich erst dazu entschieden sie nicht anzuschreien, nachdem du gesehen hast, dass sie nicht da war, habe ich das richtig verstanden?" Ylva verdrehte die Augen. „Wenn du es so willst, ja." Ylva funkelte Jade wütend an. „Glaube mir, dieses Thema ist noch nicht vom Tisch, egal wie stark du versuchst sie zu verteidigen. Sie arbeitet die ganze Zeit gegen uns. Sie gibt uns für alles die Schuld, wobei sie sich verhält wie das letzte Stück Scheiße! Ich meine, wie kann sie uns die Schuld für die Zerstörung Tizans geben? Wir sind so schnell gekommen wie wir konnten! Wir können nichts dafür, dass sie den Angriff zu spät bemerkt hat!" Ylvas Brust hob und senkte sich unruhig. Jade sah sie nur ruhig an. „Bist du jetzt fertig?" Ylva verdrehte die Augen und schob sich ohne ein weiteres Wort an Jade vorbei und stapfte eingeschnappt den Flur entlang. Sofort bekam Jade ein schlechtes Gewissen. „Ylva warte...es tut mir leid." Doch ihre Freundin reagierte nicht und war kurze Zeit später verschwunden.

Seufzend drehte sich Jade zu einem der großen Fenster und ließ ihren Blick über Cosmo streifen. Der Himmel färbte sich bereits blutrot und kündigte den baldigen Sonnenaufgang an. Jade hatte gar nicht bemerkt, dass sie seit über zwanzig Stunden ununterbrochen auf den Beinen war. Jede einzelne Zelle ihres Körpers sehnte sich nach Schlaf. Müde fuhr sie sich über die Augen. Das hatte ihr gerade noch gefehlt, Streit mit einer ihrer besten Freundinnen. Sie nahm sich vor sich nachher bei Ylva entschuldigen, aber erst später. Ylva musste sich erst einmal wieder beruhigen und Jade musste Raven finden. Langsam ließ sie ihren Blick über den Innenhof schweifen. Keine Menschenseele war zu sehen. Frustriert drehte sie sich wieder vom Fenster weg. Plötzlich huschte ein dunkler Schatten durch ihr Sichtfeld. Jade kniff die Augen zusammen und sah eine Gestalt auf den Stall zugehen. „Raven!", murmelte sie und wandte sich vom Fenster ab. So schnell sie konnte rannte sie den Gang entlang, zurück zur Treppe und stürmte diese im Eiltempo herunter. Schnellen Schrittes durchquerte sie die Eingangshalle und riss die Tür auf. Bereits völlig außer Atem rannte sie zu den Ställen und blieb abrupt stehen, als ein Pferd an ihr vorbeizischte. Darauf saß Raven und krallte sich in die lange Mähne des Tieres. Castiells Hufe klapperten laut über den Steinboden. „Raven! Bitte warte!"

Raven hörte Jades Stimme hinter sich. Sie drehte sich um und sah sie traurig an, bevor sie das eiserne Tor des Innenhofes passierte. Erneut hörte sie Jades Stimme, doch was sie genau sagte, konnte sie nicht verstehen und sie wollte es auch gar nicht. Sie würden sie nur wieder fertig machen. Normalerweise würde Raven dann kontern, doch diesmal hatte sie einfach nicht die Kraft dazu. „Lasst mich bitte in Ruhe, nur einmal.", dachte sie traurig und wischte sich eine Träne aus dem Gesicht.

Queens- When darkness fallsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt