Kapitel 2.2 - Andere Schwärme, andere Sitten

170 35 358
                                    

10. Jir'Lore, 2145 n.n.O.

Zac ließ endlich meine Hüfte los und nahm stattdessen meine Hand in die seine, um die Gedankenverbindung aufrecht zu halten. Ich war nicht wirklich begeistert, doch angesichts der vielen Flussmenschen um uns herum, traute ich mich nicht, mich großartig zu wehren. Stattdessen sah ich mich weiter um.

Der Herzplatz stellte sich als eine Art „Dorfplatz" für Flussmenschen heraus. Nur eben ohne Häuser. Und ohne Straßen. Und ohne Brunnen. Und ohne überhaupt irgendetwas, das man von Dorfplätzen her kannte. Eigentlich war es einfach nur eine Stelle im Fluss, die – wie ich fand – auch jede andere hätte sein können. Zumindest sah der sandige Boden nicht anders aus, als der 200 Meter weiter hinten. Aber diese spezielle Stelle schien der Schwarm sich als eine Art Lebensmittelpunkt ausgesucht zu haben und statt einem Zeitstein, der auf normalen Marktplätzen zuverlässig Datum und Uhrzeit anzeigte, gab es hier einen Lore geweihten Schrein. Zumindest ging ich davon aus, da in den fünf Meter hohen Stein das Zeichen von Lore, die symbolischen vier Wellen, eingeritzt war. Doch sie waren nicht nur einfach in den Stein gehauen, sondern mit Glas ausgelegt, sodass jeder Lichtstrahl, der es schaffte durch das Wasser auf den Stein zu treffen, flickernde Lichter auf den sandigen Flussboden warf.

Ob hier auch Messen für Lore, dem Gott des Wassers und der Erneuerung gehalten wurden? Wie das wohl ablief? Dabei könnte ich es noch nicht einmal vergleichen, weil ich noch nie bei einer Götteranbetung gewesen war. Papa hatte es nie für nötig gehalten, mich dahin zu schicken, da er den Glauben in Götter und deren Gerechtigkeit verloren hatte, als Mama gestorben war.

Mit einem Mal hielten meine Gedanken inne. Es dauerte einen Moment bis ich darauf kam, was mich so verwunderte: Zac schwieg. Normalerweise kommentierte er meine Gedanken, egal ob ich nun wollte oder nicht und jetzt war er still? Zögernd linste ich in seine Richtung. Augenblicklich ruckte sein Kopf zu mir herum.

>>Dir kann man es auch nicht recht machen, oder?<<, witzelte seine Stimme amüsiert in meinen Gedanken, um auf meine vorherigen Überlegungen zu antworten.

Am liebsten hätte ich ihm die Augen ausgekratzt.

Doch der mahnende Griff um meine Hand erinnerte mich daran, dass ich sowas besser lassen sollte. Da kam ein weiterer Flussmann auf uns zugeschwommen, der genauso hässlich war wie Els, wie alle hier: Klein, gedrungen, kurze Flossen, schlammbraune Haut.

>>Das liegt am Fluss<<, hörte ich Zacs ungewollte Informationen in meinem Kopf. >>Die Schwärme unterscheiden sich oft optisch, weil sie den Bedingungen ihres Heimatgewässers angepasst sind. Hier in diesen Flüssen, ist es recht eng....<<

Ungewollt und unerwünscht kam die Neugierde, Zac war größer und schlanker als Els... wie da wohl sein Heimatgewässer aussah? Ich hätte diesen Gedankengang niemals zugegeben und hasste mich noch mehr dafür, als ich eine Welle der Zufriedenheit von Zac spürte. Immerhin sagte er wieder nichts. Seinen Kommentar wollte ich im Moment wirklich nicht hören

>>Warte hier<<, murmelte er stattdessen einen Moment später und ich sah ihn überrascht an. >>Ich muss kurz Grish folgen, um unseren Handel zu besiegeln.<< Damit ließ er mich los und folgte dem wartenden Flussmann, der wohl Grish war.

Ich war allein. Planlos sank ich auf den Flussgrund. Überall waren Flussmenschen und alle wirkten beschäftigt. Da waren zwei Flussfrauen, die beieinander saßen, um irgendwas mit einem Netz voller toter Fische zu tun. Fasziniert beobachtete ich, wie sich ihre Schwanzflossen immer wieder beiläufig berührten. Vielleicht unterhielten sie sich bei der Arbeit? Weiter weg konnte ich ein paar Flussmänner sehen, die damit beschäftigt waren, ein paar Speere zu schleifen. Beim Anblick der spitzen Waffen wurde mir mulmig zumute. Sie sahen nicht so aus, als würden sie nur für Übungszwecke benutzt werden. Und dahinten? Ich konnte es nicht genau sehen, weil es zu weit weg war, doch ich kannte die Bewegung der einen Frau. Sie sah aus, als würde sie Nähen. Bei der Erkenntnis juckte es mich in den Fingern. Am liebsten wäre ich zu ihr herüber geschwommen. Aber ich blieb wo ich war. Sicher war sicher und laut Zac konnte ich eh nicht mit ihr reden.

Des Wassermanns Weib II - berührtWhere stories live. Discover now