Kapitel 1.1 - Flussabwärts

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Frühlingsquell, 2145 n.n.O.
(Tag des Erstbadens, entspricht 0. Jir'Lore 2145 n.n.O.)


Ich hörte sein Lachen in meinem Kopf und eine neue Welle der Verzweiflung brach über mich herein. Mit einem leisen Aufschrei, wehrte ich mich erneut gegen den festen Griff um meine Taille, mit dem er mich schon seit Stunden durchs Wasser zog. Käme ich nur frei, könnte ich zur Oberfläche schwimmen. Sie schien so nah. Kaum eine Armlänge über mir brach sich das Licht funkelnd auf den Wellen und warf tanzende Schatten in mein Gesicht. Aber ich schaffte es nicht. Seine Hände waren wie Schraubstöcke, die mich zur Hilflosigkeit verdammten.

Wie hatte es soweit kommen können?

Erst ein wundervoller Kuss – dann das Grauen.

>>Ich bin mir nicht sicher, ob ich mich geschmeichelt oder beleidigt fühlen soll<<, hörte ich das Echo von Zacs amüsierter Stimme in meinem Kopf.

Panisch fuhr ich herum, sodass meine Haare im trüben Flusswasser als rote Flut vor meinem Gesicht schwammen und ich nur einen kurzen Blick auf ihn erhaschen konnte. Das war vielleicht auch besser so. Denn dieses fremde, reglose Gesicht, dessen kantige Züge trotz allem immer noch an Zac erinnerten, versetzten mich in Panik, wann immer sich mein Blick dorthin verirrte. Vor allem wegen dieser Augen, pupillenlos und ohne Weiß, einfach zwei grau-blaue Flächen, von denen ich nur erahnen konnte, wohin sie blickten. Wie tiefe Tümpel, auf deren Grund die schrecklichsten Dinge lauerten.

Entführungen zum Beispiel.

Mehr als alles andere konfrontierte mich der Anblick dieser Augen mit der Tatsache, dass ich gerade wirklich verschleppt wurde. Ohne, dass ich etwas dagegen tun konnte, entwand sich mir ein hoher, anhaltender, klagender Schrei.

>>Liebes<<, setzte die Stimme in meinem Kopf mit einem Ton unendlicher Geduld an. >>Das hatten wir doch schon. Du kannst gerne schreien, aber selbst wenn jemand am Flussufer stünde – was ich ehrlich gesagt bezweifle – würde er dich sowieso nicht hören. Dazu bist du nicht laut genug.<<

Ich schrie lauter.

Offenbar überraschte ich das Monster damit wirklich, denn es zuckte zusammen und ließ mich reflexartig los, um sich an die seltsam flossenartig geformten Ohren zu greifen.

Sofort fühlte sich mein Geist klarer an.

Weg. Ich musste hier weg. Hastig versuchte ich einige Schwimmzüge. Ich wollte nach Hause. Der Gedanke an Papa, Epoh und Hannah gab mir neue Kraft. Ich schwamm so schnell ich konnte, während sich eine leichte Strömung in meiner im Wasser flatternden Kleidung verfing und mich wieder schwer nach unten zog.

Trotzdem gab ich nicht auf.

Und wirklich: Einen wunderbaren Augenblick lang spürte ich, wie eine meiner Hände die Wasseroberfläche durchbrach und ein zarter Windhauch darüber hinweg strich, als wolle er mich begrüßen.

Doch da tauchte dieses Monster direkt vor mir auf und packte mich abermals mit einer seiner abartigen Händen, die sogar Schwimmhäute zwischen den Fingern hatten.

>>Das war direkt beeindruckend...<<, spottete Zacs Stimme gutmütig in meinem Kopf. Wieder überfiel mich das Bedürfnis hysterisch zu schreien.

Mit einem Mal wurde der Griff um mein Gelenk fester und mit einem kräftigen Ruck zog es mich zu sich herum, fing meine andere Hand und hielt mich damit still im Wasser, während kleine, aufgeschreckte Fische in verschiedene Richtungen davon stoben. Als sich seine pupillenlosen Augenflächen direkt auf mich richteten, zog sich eine Gänsehaut über meinen Rücken. >>Es ist gut, Senga. Dir geschieht nichts. Denk nach, Liebes. Ruhig....<<

Des Wassermanns Weib II - berührtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt