Kapitel 17

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Es kam mir wie eine Ewigkeit vor, bis ich meinte, eine Bewegung zwischen dem Bewuchs zu erkennen. Das Laub raschelte leise.Gefühlt in Zeitlupe trat eine riesige, braune Bestie aus dem Schutz der Bäume, ein Bündel Kleidung zwischen den Zähnen.

Er lief zu der Tasche, die einige Meter weiter lag und legte dann seine Kleidung daneben. Er war riesig, jedenfalls soweit ich es beurteilen konnte. Mein Kopf wollte nicht wahrhaben, dass das Vieh und Tyler ein und dieselbe Person oder was auch immer, waren. Ich wollte eigentlich nur die Beine in die Hand nehmen und um mein Leben rennen. Doch ein einzelner Gedanke vernichtete diesen Wunsch fast genauso schnell wieder. Ein Wolf war ein Raubtier. Würde ich nun wegrennen, könnte es dafür sorgen, dass er mich jagt. Und ich wollte mir bei bestem Willen nicht vorstellen, was passiert, wenn die Bestie mich eingeholt hat.
Ich schluckte.
Tyler hingegen blieb ganz ruhig, soweit ich dies beurteilen konnte. Woher sollte ich auch, abgesehen von den ganz offensichtlichen Dingen, so etwas gelernt haben. Als Mensch hatte man meist doch nur bei der Begegnung mit einem Werwolf das Ziel, nicht aufzufallen und ihn nicht wütend zu machen.
Ein furchtbares Knacken und reißen ertönte. Ungläubig beobachtete ich das Geschehen vor mir. Dem riesigen Wolf vor mir schien jeder einzelne Knochen zu brechen. Alles weitere passierte so unglaublich schnell, dass meine Augen es gar nicht erst erfassen konnten. Vor mir stand wieder Tyler, in seiner rein menschlichen Form, und zwar so, wie er auf die Welt gekommen war.
Nackt.
Ich wusste überhaupt nicht, wo ich hinsehen oder besser gesagt nicht hinsehen sollte. Nach geschlagenen fünf Sekunden schloss ich, einer Kurzschlussreaktion folgend, die Augen. Doch konnte diese Entscheidung nicht das, was ich gesehen hatte, vergessen machen. Ich konnte förmlich fühlen, wie das Blut seinen Weg über meinen Hals in mein Gesicht fand und dieses hochrot werden ließ. ,,Seh ich so schlimm aus?", ertönte die belustigte Stimme meines Gegenübers. Antworten tat ich zwar nicht, doch erreichte mein Gesicht eine ganz neue Stufe an Röte. ,,Ach Kleines, nackt zu sein, ist für uns Werwölfe völlig normal. Es ist eigentlich schon verwunderlich, dass du niemand anderen aus dem Rudel meiner Eltern so gesehen hast. Ich hätte ehrlich gesagt auch nicht erwartet, dass mein Vater so viel Rücksicht nimmt und uns raus schickt, bevor er seinen Gelüsten nach meiner Mutter nachgeht." Etwas verstört öffnete ich die Augen, nur um in das belustigte Gesicht von Tyler zu gucken. Für ihn schien der Gedanke ganz normal zu sein, dass seine Eltern möglicherweise vor uns... naja. ,,Aber wenigsten hast du jetzt deine Augen wieder offen", meinte er, wohl um ein anderes Thema anzuschneiden, welches mir angenehmer ist. Tyler setzte sich mir nah gegenüber. Ich bemühte mich ihm nur ins Gesicht zu sehen und nirgendwo anders hin. Mir war zwar bekannt, wie der männliche Körper aussah, jedoch nur aus Schulbüchern. Nie hatte ein Junge aus meiner Schule Interesse an mir gezeigt und ehrlich gesagt hatte ich damit gerechnet, dass es den Rest meines Lebens auch so bleiben würde. Sanft legte Tyler seine Hände um mein Gesicht und nur eine kurze Distanz trennte unsere Gesichter. Sein warmer Atem streichte über mein Gesicht und seine Finger strichen über die Konturen meines Gesichts. Mein Herz setzte einen Schlag aus, nur um dann mit doppelter Geschwindigkeit weiterzuklopfen. ,,Du musst mir einfach nur Vertrauen...", murmelte er mir entgegen. Ich wusste nicht, wieso ich es tat, doch ich nickte leicht. Seine Augen strahlten mir entgegen und bevor ich mich versah, lagen seine Lippen auf meinen. Ein unbeschreibliches Gefühl rauschte durch meinen Körper. Meine Augen waren geschlossen und ich lehnte mich den Berührungen entgegen. Es war wie ein Rausch für mich.

Wolfsseele - Verliebt in einen AlphaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt