Kapitel 2 : Tee und Schach

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Nachdenklich blickte ich in den Spiegel und fuhr mir dabei durchs Haar. So kurz geschnitten waren sie seit meiner Kindheit nicht mehr. Doch hatte es etwas klischeehaftes. Immerhin symbolisierte die neue Frisur einer Frau immer einen Neuanfang. Genau dieser Neuanfang brachte auch neue Aufgaben und Ziele in mein Leben. Ein Schicksal, mit dem ich mich abgefunden hatte. Eine Wahl bestand ja nicht.

Noch lange blickte ich in die goldenen Augen meines Spiegelbildes und suchte vergeblichst nach einer Regung oder einem Schimmer. Etwas menschliches...
Für manche mag es unverständlich sein. Doch keine Emotionen zu empfinden, war mühselig. Ja, fast schon trostlos.

Wer also gab mir das Recht, über die Ausdruckslose Weise Shu's zu urteilen. Konnte mein Blut ihm doch nichts anhaben? Ich war so verunsichert und das gefiel mir nicht. Wieder war es ein Vampir, der mich in meinen Gedanken verfolgte.

Frustriert stöhnte ich auf und warf mich auf meinen Sessel. Ein kleiner Kopf erhob sich vom Bett und sah verwundert in meine Richtung. Es war Chiko, der es sich eigentlich bequem gemacht hatte. Doch mein verständnisloses Gemurmel schien ihn gestört zu haben. Neugierig hüpfte er vom Bett hinunter und schlich auf leisen Tatzen zu mir heran. "Tut mir leid.", murmelte ich müde und hob den kleinen Kater hoch und auf meinen Schoß. Mit meinen sauber gefeilten Nägeln kraulte ich sanft den Kopf meines Freundes, was ihm ein entspanntes Schnurren hervorlockte. Ich versuchte es ihm gleich zu tun und legte meinen Kopf in den Nacken.

"Ist es nicht seltsam Chiko?", fing ich meinen Monolog an und starrte hinauf zur Decke. "Da begräbt man seine Gefühle unter einem Berg aus Staub und Dreck, um Erwachsen zu werden. Und dennoch geistern mir soviele Fragen und Gedanken durch den Kopf, das ich nicht weiß wo anfangen."

Mit weit ausgetreckten Beinen rekelte sich Chiko auf meinem Schoß und gab einen müden Ton von sich. Bei dem Anblick musste ich schmunzeln und fuhr mit der Streicheleinheit fort. "Da geb ich dir Recht. Das alles ist wirklich ermüdend. Vielleicht sollte ich mich wirklich erst auf das wichtigste Konzentrieren. Sonst verliere ich mein Ziel aus den Augen.", beschloss meine Wenigkeit und lehnte mich tiefer in den Sessel zurück. Mir war zwar bewusst, dass dieser Moment nur die Ruhe vor dem Sturm zu sein schien. Jedoch hielt es mich nicht davon ab, jede Sekunde zu genießen.

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"Wie lange haben wir noch Zeit, bis die Hexe Carena kommen wird?", fragte Reiji und unterbrach die zuvor herrschende Stille. Ich hatte mich mit Reiji zu einer Runde Schach und Tee einladen lassen. Es waren noch Dinge zu klären und der baldige Besuch der Hexe der Reinheit und Schicksals hatte zum Teil damit zutun. "Nur ein paar Tage. Ich möchte diese Sache schnell über die Bühne bringen.", erklärte ich und setzte meinen nächsten Zug. Mein Können im Schach bezeichnete ich zwar nie als Überragend, dennoch ließe sich nicht abstreiten das ich Spaß bei dem Spiel empfand. Und Reiji entpuppte sich als fairer Lehrer, indem er einem alle möglichen Kniffe und Tricks beibrachte. Wohl möglich liebte er nur die Herausforderung und einen ebenbürdigen Gegner. "Natürlich. Ist nur verständlich, das du keine Zeit verschwenden willst. Dennoch solltest du darauf achten, nicht unvorbereitet in das Treffen zu gehen. Und mach dir keine Sorgen um meine Brüder. Darum kümmere ich mich.", erklärte der Brillenträger mit ruhiger Stimme und studierte genau das Spielbrett.

"Um deine Brüder sorgen ich mich bei dem Thema nicht. Es wäre eher ein anderes Detail, worum ich mir Gedanken mache.", stöhnte ich leicht auf und massierte mir die Schläfe. Die Begegnung mit Yuma und Shu wollte ich hierbei auslassen. Ich kannte Reiji nur zugut und alles was mit anderen Männern, insbesondere Shu anginge, endete in Eifersucht. Diese war zunächts unerklärbar, da ich den Grund dessen nicht verstehen konnte. Teilte mir Reiji nicht einst mit, das von seiner Seite aus, nie Gefühle mit im Spiel waren. Vielleicht entstande die Eifersucht auch aus einem verletzten Ego. Bei Vampiren wäre dies nicht unnormal.

Mit hochgezogener Augenbraue schielte der Vampir zu mir hinüber, während er einen weiteren Schluck Tee zu sich nahm. Ich registrierte diese Geste und fuhr fort. "Nun, es ist nicht lediglich eine Verbündete, die wir suchen. Damit sich Hexen gegen ihre Schwestern auflehnen, muss es einen sinnvollen Grund geben, oder der Befehl noch von weiter Oben kommen."

"Inwiefern von Oben? Seit ihr Hexen der fünf Monde nicht bereits der oberste existierende Zirkel?".

Mit einem Nicken stimmte ich ihm zu und erhob ebenfalls die Tasse mit Tee. "Und genau das ist unser Problem. Diese Art der Gewalteinteilung obliegt uns nicht. Ehrfurcht, Respekt und Machtdemonstrationen sind unsere obersten Tugenden, um in den Rängen aufzusteigen. Und die Treppe endet nicht mit dem Zirkel der fünf Monde." Ich suchte Reiji's Blick und erkannte, wie Neugierig meine Worte ihn machte. Aufmerksam lauschte er meinen Worten, ehe ich fortfuhr. "Gibt es ihn nicht in jeder Rasse? Religion? Den Einen, welcher an der Spitze aller steht. Der angebetet wird, richtet und herrscht."

Doch ehe wir unser Gespräch fortführen konnten klopfte es an Reijis Zimmertür und ohne auf ein 'Herein' abzuwarten, stürmte ein weiterer Vampir den Raum. "Tss, verdammt nochmal Reiji~, was sollte das vorhin..?!", brüllte der ungebetene Gast in die Richtung des Brillenträgers, als sein Blick auf meinen traf. Ayato schien noch weniger begeistert über meine Anwesenheit, doch dies hinderte ihn nicht daran sein Anliegen vorzutragen. "Diese Sache mit den Hexen hier, bereitet meiner Wenigkeit ziemliche Kopfschmerzen."

Reiji rollte nur mit den Augen und ließ alle Anwesenden zu spüren, wie sehr ihm diese Situation an den Nerven zerrte. "Also wirklich Ayato... Wie oft muss ich dir noch sagen, das man anklopfen und höfflich warten soll, bevor man das Zimmer eines anderen betritt. "Hä, meine Wenigkeit hat doch geklopft! Und ebenso gewartet, nur waren alle anderen hier zu langsam.", maulte Ayato und steckte beide Hände beleidigt in seine Hosentaschen. Mit einem tiefen Seufzer schob der dunkelhaarige Vampir seinen Sessel mit einem Ruck in Position und warf elegant sein Bein über das andere. Seine Haltung verriet Autorität und vermittelte, diesem Respekt zu zollen. "Also dann Ayato. Erzähl mir nun bitte Sachlich, wo dein Problem liegt."

"Und DIE soll hier bleiben?", blickte Ayato in meine Richtung und schmollte. "Ich wüsste nichts, was dagegen sprechen würde. Mina's Anwesenheit kann hierbei nur positiv zur Sache beitragen." "Tss, na meinetwegen. Also angenommen diese Hexe kommt tatsächlich hierher, um uns vermeintlich zu helfen. Was wäre, wenn sie mit der verrückten Tussi zusammenarbeitet und uns alle vernichten will. Das wäre hier doch die perfekte Gelegenheit!", äußerte nun Ayato ehrlich seine Bedenken und ein Stück konnte ich seine Sorge gut verstehen. Der Angriff durch Lilith hatte alle beteiligten schwer zugesetzt und einige von uns sind nur mit einem blauen Auge davongekommen. Doch es war nicht die Sorge um sein eigenes Leben, was dem Rotschopf beschäftigte.

"Du machst dir Sorgen um Yui's Leben, oder?", warf ich in den Raum und sah ernst in Ayato's Richtung. Seine Mimik und Reaktion ließ sich leicht ablesen. Er sah ertappt aus. Gleichzeitig verärgert über die Erinnerung an Liliths Angriff und Sorge um Yui. Es fiel im deutlich schwer seine Gefühle einzuordnen. Ein Hürde, die keine seiner Brüder bisher bewältigen konnten. "Du musst nichts weiter dazu sagen. Ich verspreche dir, das Yui durch diesen Besuch kein Ärger droht. Keinem von euch.", versicherte ich und nickte ihm aufmunternd zu. Noch etwas verunsichert erwiderte Ayato die Geste und seine Gesichtszüge weichten auf. "Oi, das heißt also hier wird es irgendwann nur so von Hexen wimmeln, oder? Dann geh mal deinen Hexenhut anspitzen, bevor ich dich in dein Pfefferkuchenhaus jage.", beleidigte er mich mit einem frechen Grinsen auf den Lippen, ehe er sich umdrehte und den Raum so schnell verließ wie er gekommen war.

Mein Leben unter Vampiren | Sequel | Diabolik Lovers FanfictionWhere stories live. Discover now