»Spinner.«

Er hatte seinen Arm um meine Stuhllehne gelegt und schnaubte lachend, während ich mich trotz alledem an ihn lehnte und mit der halbleeren Kakaotasse in den Händen spielte.

Augenblicklich vernahm ich wie sich ein Schlüssel in der Haustür drehte und jemand zwei Einkaufstüten auf den Fußboden abstellte. »Liam? Julia? Seid ihr zu Hause? Mom ist da«, rief sie, was aber gar nicht nötig gewesen wäre, da sie uns beide eine Sekunde später am Küchentisch sitzen sah.

»Hallo Mrs Baker.«

»Hi Mom«, begrüßte er sie und hob die Hand.

»Oh...hallo.« Sie schloss die Tür und strich sich eine ihrer langen blonden Haare hinter ihr Ohr und legte lächelnd ihren Kopf schief. »Ich-ich habe dich gar nicht erwartet.«

Ich wurde wieder leicht verlegen und hatte nicht mehr als ein schiefes Lächeln übrig, da ich nicht so wirklich wusste, wie ich reagieren sollte. »Aber, ich bin froh dich zu sehen, Hailey«, sagte sie, während sie die Einkäufe auf die Küchenablage abstellte und auf uns zukam.

»Liam, bitte, bitte hilf mir. Ich habe so Angst«, rief Julia aus ihrem Zimmer, woraufhin dieser die Stirn runzelte.

»Was ist denn los?«

»Nein, du musst kommen, ich-ich...«

»Ist ja gut, Sekunde.« Er erhob sich von seinem Platz, aß die letzten Reste seines Pfannkuchens auf und ich sah, wie er den Weg in Richtung Julias Zimmer einschlug. Auch ich ließ nichts mehr auf dem Teller übrig und trank den letzten Schluck meines mittlerweile kalten Kakaos aus und gesellte mich herüber zu seiner Mutter, die gerade die Einkäufe auspackte.

»Kann ich ihnen helfen, Mrs Baker?«

»Ach, das brauchst du nicht. Das geht doch ganz schnell.«

»Aber zu zweit deutlich schneller.« Sie drehte ihren Kopf zu mir herüber, dachte nach und nickte schließlich. Ich lächelte und sortierte sämtliche Milchprodukte in den Kühlschrank, während sie gespültes Geschirr in die Schränke räumte.

»Danke für alles«, sagte sie, drehte sich zu mir, mit einem aufrichtigen Blick in den Augen, dass meine Gesichtszüge erweichten und meine anfängliche Anspannung von meinen Schultern fiel. »Ach, doch nicht dafür«, winkte ich ab und schüttelte den Kopf.

»Nicht nur für die Einkäufe. Dafür, dass...dass mein Sohn wieder lächelt. Ich habe ihn schon lange nicht mehr so gesehen seit-«

»Sie meinen seit der Sache mit Rachel und...seinem Vater?« Ich schluckte hart. Woher hatte ich plötzlich so viel Mut gefasst, dass ich ein so sensibles Thema ganz offen ansprach

Mrs Baker stand nur dort und ihre Mundwinkel hoben sich. Ich dagegen war verwirrt. »Er hat es dir also erzählt«, erklang ihre zarte Stimme beinahe in einem Flüsterton, was ich mit einem langsamen Nicken bestätigte. Sie legte das Geschirrtuch zur Seite und schaute mich geradewegs an: lange blonde Haare, dunkle Augen, und ein hübsches Sommerkleid schmeichelte ihre Figur. Seine dunklen Augen musste er von ihr geerbt haben.

»Du bist wirklich...ich bin mir ziemlich sicher, etwas ganz Besonderes. Er hat dich unfassbar gern, Hailey. Ihm geht es so gut, wie schon lange nicht mehr und die Kleine spricht auch nur ständig von dir. Du tust ihm wirklich gut. Und die Tatsache, dass er dir davon erzählt hat...«

Die letzten Worte hingen nur so in der Luft, da mich Mrs Bakers Worte förmlich überwältigten. Mir fiel es schwer, mein Innerstes adäquat in Worte auszudrücken und ich spürte nichts als tiefe Dankbarkeit und Zufriedenheit in mir.

»Mrs Baker ich-«

»Ach, nenn mich doch bitte Mary.« Ich machte eine Pause und auf meine Lippen stahl sich ein erneutes Lächeln.

»Das was sie gesagt haben...das beruht sehr wohl auf Gegenseitigkeit.« Ihre Augen wurden groß, als könnte sie nicht glauben, was sie da gerade hörte, doch es war nichts als die Wahrheit.

»Dein Ernst Julia, das war so eine winzige Spinne«, hörte ich eine tiefe Stimme im Flur, gefolgt von einer ganz hellen Stimme, die beleidigt die Arme vor der kleinen Brust verschränkte und einen wütenden Gesichtsausdruck aufgesetzt hatte. »Aber du weißt wie viel Angst ich vor Spinnen ab!« Sie lief trotzig ein paar Schritte vor ihm und die Wut war ihr augenblicklich aus dem Gesicht gewichen, als sie ihre Mutter in der Küche sah. Julia stürzte sich auf sie und zog sie in eine lange Umarmung.

»Mama, Hailey hat Pfannkuchen gemacht und Liam hat uns super leckeren Kakao gekocht...ich meine ich. Ich habe tollen Kakao gemacht.«

»Ja, habe ich gesehen, Liebes. Gut habt ihr das gemacht.«

Eine Stille machte sich breit, die das gesamte Haus erfüllte. Es fühlte sich richtig an. Dieser Moment. Sein Vater war wohl schon lange kein Thema mehr in diesem Haus, und das war wirklich gut so. All die Liebe fand ihren Platz hier, wenn die drei vereint waren. Das sah ich mehr als nur deutlich in ihren Augen und ich spürte, wie mich das Glück von ihnen selbst umhüllte.

***

»Kann's losgehen?«

»Ich bin bereit.«

Idee 8: »Im Moment leben.«

»Unser Alltag ist ständig stressig und manche von uns hangeln sich von Wochenende zu Wochenende, nur damit sie ein wenig Zeit für das übrig hatten, was sie wirklich erfüllte. Aber ist das dann ein erfülltes Leben? Wohl weniger. Vielleicht wäre es von Vorteil, sich den kleinen Dingen zu widmen, die wir im Alltag übersehen. Einmal innehalten und bewusst ein- und ausatmen und das zu schätzen, was jetzt gerade ist.

Ja genau, das gerade. Selbst, wenn es uns nicht immer blendend geht, sollten wir versuchen, mehr im Moment zu leben und das zu schätzen wissen, was wir jetzt gerade in dem Moment haben.

Uns Menschen in der westlichen Welt geht es viel zu gut, als dass wir ständig einen Grund haben, um uns zu beschweren. Jeder Moment im Leben ist so einzigartig – du bekommst ihn nämlich niemals mehr zurück. Niemals. Schätze also das, was du hast und lebe im Hier und Jetzt. Springe nicht ständig von der Vergangenheit in die Zukunft. Das, was wirklich zählt?

Jetzt.

Mach das Beste daraus.

Und glaube mir, dann kannst du gar nicht anders, als glücklich zu sein.«

Liam drückte auf den Aufnahme-beenden- Knopf und ich knetete meine Hände.

»Hailey?«

»Mmh?«

»Ich schätze das, was ich habe. Hier und Jetzt. Dich«, äffte er mich mit einem gespielt ironischen Ton in seiner Stimme nach, als ich bereits ein Kissen in sein Gesicht schmiss und er schnaubend lachte.

Das tue ich doch auch, Spinner.

Danke fürs Lesen.♥️

LAST SUMMERWhere stories live. Discover now