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»Wenn du Körperverletzung sagst...« Er griff nach meiner rechten Hand und strich sanft mit dem Daumen über mein Handgelenk. Das sollte er lieber lassen. Zum Glück war die Luft so frisch, dass er nicht sagen konnte, ob die Gänsehaut von seinen Berührungen gekommen war, oder ob sie auf Grund der Kälte meine Arme zierte.
Ich biss mir auf die Unterlippe und spürte wie Christian sich anspannte.
»Ich mach ihn fertig.«
»Er...« Wie sollte ich nur sagen, was wirklich passiert war. Was würde er über mich denken.
»Nimm ihn bitte nicht in Schutz.«
»Ich nehme ihn nicht in Schutz! Du kennst meine Geschichte nicht, also bilde dir kein Urteil!«, blaffte ich ihn direkt an. Genau deswegen redete ich nicht darüber. Die Leute stempelten mich direkt ab. Sie glaubten immer, ich würde seine Taten rechtfertigen wollen. Aber so war es nicht. Es war nur nicht so einfach darüber zu reden, was passiert war.
»Es gibt nicht einen Grund, der einem Mann erlauben würde, eine Frau so zu behandeln.«
»Mag sein, wenn man das perfekte Leben hat. Wenn man allerdings niemanden hat und abrutscht, ist das Leben nicht sonderlich fair zu einem.« Ich vergrub mein Gesicht in meinen Händen.
»Also ist es für dich okay, wie er dich eben behandelt hat? Als wärst du sein Eigentum?« Christian war aufgesprungen. Schien es neben mir kaum noch auszuhalten, so wütend machten ihn meine Worte. Es war deutlich zu erkennen, welcher Sturm in ihm tobte. Ich würde Matt nicht in Schutz nehmen, aber ich konnte es Christian nicht erklären. Es war etwas zu Persönliches.
»Das habe ich nie gesagt.« Ich stöhnte genervt auf, all das war mir zu viel. Dieses Gespräch mit Christian, wie die Leute mich ansehen würden, Matts auftauchen und seine Drohung er würde noch einmal aufkreuzen. Ich spürte diese bekannte, verhasste innerliche Unruhe in mir aufleben. Ich konnte das alles nicht gebrauchen.
»Dann erkläre es mir, damit ich dich verstehen kann.«
Ich wollte nichts erklären. Es ging ihn gar nichts an. Nichts von all dem ging ihn etwas an. Ich erhob mich und lief an ihm vorbei, ohne ihn auch nur eines Blickes zu würdigen. Ich musste hier weg, ich musste für mich sein. Ich durfte nicht zulassen, dass diese Unruhe zurückkehrte.
»Jenna«, sanft hatte er seine Hand auf meine Schulter gelegt.
»Lass es gut sein Chris«, meinte ich tonlos. Schüttelte seine Hand ab, ehe ich die schwere Metalltür aufriss und in der Menge der feiernden Menschen untertauchte. Egal was eben war, die Welt drehte sich für alle anderen weiter. Zu sehen, wie sie nun wieder feierten war ein gutes Beispiel dafür. Ich musste zurück zum Campus, auch auf die Gefahr hin, draußen von Matt abgefangen zu werden. Aber sicher hatte er sich längst verzogen, aus Angst das doch jemand die Polizei rufen konnte. Selbst der Parkplatz war voller Leute. Er hätte also nicht mal hier warten können.
»Wohin Jenna?« Ben stellte sich mir in den Weg und musterte mich kurz.
»Ich geh, ich brauch...«
»Soll ich Chris s...«
»Nein, ich laufe, danke«, unterbrach ich Ben direkt und lief an ihm vorbei. Ich wusste, der große Bär meinte es nur gut mit mir. Aber ich konnte auf mich selbst aufpassen. Es war besser, wenn ich allein war.
»Das halte ich für keine gute Idee, Jenna.«
Der nächste, der meinte er könne mich schützen. Ich brauchte keinen Schutz.
»Glaub mir, ich habe das so oft gemacht« seufzte ich und drehte mich kurz zu ihm um.
»Lass mich wenigstens ein Uber rufen.«
Doch ich schüttelte den Kopf und lief weiter. Frische Luft war alles, was ich jetzt noch brauchte und Ben ließ mich gewähren. Er schien zu wissen, wann es besser war sich zurückzunehmen. Vielleicht hatte er aber auch die Wut in meinen Augen gesehen. Die Wut über mich selbst, die Wut darüber, dass Matt die Frechheit besaß hier aufzutauchen und mein neues Leben ebenfalls ruinieren zu wollen. Die Wut darüber, dass Christian meinte, sich in Dinge einzumischen, von denen er einfach keine Ahnung hatte. Seine Worte hallten in meinem Kopf immer und immer wieder. Es verletzte mich, dass er glaubte, ich wolle Matt schützen.
Denn das wollte ich nicht, aber ich wusste, er brauchte Hilfe. Ich kannte seine zwei Gesichter und mit jedem Absturz wurde das eine hässlicher. Ein Grund, warum ich ihn irgendwann auf Abstand gehalten hatte. Aber auch das schien ihn nicht zu interessieren. Er war erneut am Boden aufgeschlagen. Christian hatte also keine Ahnung, was passiert war und es ging ihn verdammt noch mal nichts an. Ich würde morgen früh dringend meine Anwältin anrufen müssen. Ich hätte es schon ahnen müssen, als ich am Krankenhaus auf ihn getroffen war und hätte damals schon reagieren sollen, anstatt ihn einfach wegzuschicken. Nichts dergleichen hatte ich getan. Nur blind darauf vertraut, er würde von allein verschwinden. Dabei wusste ich es doch besser. Matt verschwand nicht einfach. Nicht wenn es um mich ging.

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