1. Nordrudel

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Es hatte Angst. Konzentriert fixierte ich das weiße Häschen das nur wenige Meter vor mir hockte und ängstlich mit der Nase zuckte.

Langsam drehte es mir den Rücken zu und machte einen vorsichtigen Schritt nach vorn, die langen weißen Löffel immer nach hinten gerichtet.

Natürlich war mir klar das es mich schon längst bemerkt hatte.

In einer blitzschnellen Bewegung machte ich einen Satz nach vorne und schnappte nach dem Häschen. Zappelnd wand es sich zwischen meinen Kiefern und quiekte jämmerlich.

Mit einem hässlichen Knacken erschlaffte es zwischen meinen Zähnen und das quieken verstummte für immer. Ich schmeckte Blut, köstliches warmes Blut.

Zufrieden mit meiner Ausbeute machte ich Kehrt und rannte mit kräftigen Sprüngen zurück durchs Unterholz Richtung Rudel.

»Nikan! Ich hab mich schon gefragt wo du mal wieder steckst!« begrüßte mich mein kleiner Bruder Ahanu. Freudig sprang er um mich herum.

Behutsam legte ich das Häschen ab und stürzte mich auf Ahanu. Freudig quietschend nahm Ahanu die Herausforderungen an und verbiss sich in meinem flauschigen Fell. Nach wenigen Sekunden entstand daraus eine kleine Rauferei.

»Okay, jetzt ist aber genug, lass uns erstmal die Beute nachhause und in Sicherheit bringen,« sagte ich lachend.

Ahanu sprang auf. »Ohhh, darf ich den Hasen bitte tragen!,« bettelte er. »Klar«, antwortete ich knapp.

Da Ahanu ein ganzes Stück kleiner war als ich, schleifte der Hase zum Teil auf dem Boden. Dennoch stolzierte Ahanu erhobenen Hauptes mit dem Hasen im Maul, neben mir her.

Das gesamte Rudel lebte zwischen den Felsen im Norden, das Zentrum unseres Rudels war eine große Höhle die eine Menge kleinerer Nischen hatte.

Rund um die Höhle war ein riesiger Felsvorsprung der sich wie ein großer breiter Ring um die Haupthöhle schloss.

Zwischen den Felsen, unter dem Ring hatte sich jedes Mitglied des Rudels seine eigene Schlafkuhle gegraben, für die er auch selbst verantwortlich war.

Schnellen Schrittes liefen Ahanu und ich nebeneinander durch das Labyrinth aus Schlafkuhlen und Felsen, bis wir schließlich an der Haupthöhle ankamen.

»Hey Macawi«, rief ich einem der Wölfe zu der gerade den Eingang der Höhle bewachte.

»Nikan, was gibts?«

»Nicht viel, die Gegend rund um die Höhle ist extrem leer. Ich schätze das Ostrudel hat sich mal wieder an unserer Beute vergriffen«, antwortete ich ihm stirnrunzelnd.

»So ein Mist!«, fluchte er und deutete uns mit einer Kopfbewegung das wir die Höhle betreten durften.

»Naja, halt weiterhin die Ohren steif, vielleicht sehen wir uns ja nachher noch!«, rief er uns hinterher.

Immer noch mit dem Hasen im Maul lief Ahanu tapfer neben mir her. Da der Hase fast so groß war wie er, stolperte er mehrere Male über die herunterhängenden Hasenpfoten.

Ich blickte auf und erkannte Wapi. Die fürsorgliche Wolfsdame war für das verwalten der Nahrung zuständig, allgemein war sie so etwas wie die liebenswerte Oma des Rudels.

»Nikan! Ahanu! Meine süßen, was habt ihr mir denn da wieder schönes mitgebracht!«, empfing sie uns. Wapis sandfarbenes Fell war schon mit einer Menge weiß-grauer Härchen durchzogen, die im halbdunkeln der Höhle einen eigenartigen Lichtreflex auf ihr Fell warfen.

Immernoch voller stolz legte Ahnu das Häschen vor ihren Pfoten ab und blickte sie treuherzig an. »Das hast du sehr gut gemacht Ahanu«, lobte Wapi ihn.

Wapi verschwand kurz mit dem Hasen im Maul in der Nische und kam kurz darauf mit zwei kleinen Fleischstücken zurück.

»Hier, das ist für euch zwei«, sagte sie und warf die Bröckchen in die Luft. Mit einem Satz sprangen Ahanu und ich gleichzeitig hoch und fingen die Fleischstücken aus der Luft.

Mit einem Lachen blickte Wapi uns an. »Erzähl mal Nikan, wie sieht's mit der Beute draußen aus?«, fragte Wapi, ihr Lachen verschwand und wurde zu einem besorgten Gesichtsausdruck.

»Eher nicht so gut, es sind kaum Tiere dort und ich habe einige fremde Wölfe gewittert, wie es scheint haben sich die Ostwölfe mal wieder in unser Territorium getraut«, berichtete ich ihr.

»Ach du meine Güte, wenn das so weitergeht haben wir bald keine Nahrung mehr, wie du ja sicher schon weißt, steht es nicht so gut um Hiamovi«, sprach Wapi betrübt.

Hiamovi war der Rudelführer des Nordrudels. Er war weise, kampferfahren und hatte ein gutes Herz. Ganz im Gegensatz zu seinen Sohn Mato. Mato war ein kaltherziger, gehässiger Kerl der es nicht erwarten konnte deinen Vater endlich sterben zu sehen. Nur um dann die Herrschaft zu übernehmen und das komplette Nordrudel zu tyrannisieren.

Bei den Gedanken an Mato schüttelte es mich und ich blickte besorgt zu Ahanu der sich sorglos mit ein paar anderen Jungwölfen in seinem Alter unterhielt.

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Nikan = "Freund"
Ahanu = "er lacht"
Macawi = "großzügig"
Wapi = "glücklich"
Hiamovi = "großer Anführer"
Mato = "mutig"

Wolfheart - Stone of NightWhere stories live. Discover now