❁Kapitel 6❁

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T A E H Y U N G
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Wo Taehyung eben eigentlich nicht rein wollte, so stand er wenige Minuten später doch in Jeongguks Zimmer. Das Klemmbrett war fest unter seinem Arm geklemmt und auf den Lippen lag ein leicht unsicheres und schräges Lächeln. Der Arzt musste schließlich seinen Job erledigen und Weglaufen war nun wirklich keine Option. Seokjin hatte die beiden allein gelassen mit der Ausrede, er wolle noch nach seinen anderen Patienten sehen und dass Taehyung es schon alleine schaffe.

Schließlich musste er Jeongguk nur seinen Zustand mitteilen. Und dieser sah gar nicht gut aus, gleich nachdem sich Taehyung Jeongguks Krankenakte durchgelesen hatte.

Auf Jeongguks Lippen lag ein erfreutes Lächeln, als er den jungen Arzt erblickte.
»Sind Sie der schöne Mann aus meinen Träumen?«

Vollkommen perplex blieb Taehyung mitten im Raum stehen und sah seinen Patienten sprachlos an. Musste er ausgerechnet jetzt anfangen zu flirten? Falls das überhaupt Flirten war, zumindest stand Taehyungs Herz gerade ziemlich still.

Jeongguk lachte daraufhin leicht verlegen und kratzte sich am Hinterkopf.
»Tut mir leid, Sie verunsichert zu haben. Das wollte ich nicht.«

Ja, wollten sie alle nicht, taten sie im Endeffekt aber doch. Taehyung nickte nur stumm und nahm sich einen Stuhl, der in der einen Ecke des Raumes stand und stellte es neben Jeongguks Bett, um sich dahinzusetzen.

»I-Ich bin Dr. Kim Taehyung, I-Ihr Assistenzarzt. Ich ... Ich werde Sie über Ihren Zustand und über das weitere Verfahren informieren«, stotterte Taehyung nervös und sah verzweifelt auf die ganzen Buchstaben, die auf dem Zettel standen, anstatt mit seinem Patienten Augenkontakt aufzunehmen. Irgendwie hatte ihn Jeongguks Spruch viel zu sehr aus der Bahn geworfen.

»Neu als Arzt?«, fragte der Patient und Taehyung sah blinzelnd auf. Ihm war es mehr als peinlich, als Anfänger angesehen zu werden, aber bei seinem momentanen Verhalten nahm er es Jeongguk auch nicht wirklich übel.

»Nur nervös ...«, nuschelte Taehyung und fuhr sich durch das dunkle Haar. Doch er versuchte, sich zusammenzureißen.

»Also«, begann Taehyung erneut - diesmal mit einer etwas sicheren Stimme - und räusperte sich noch kurz, bevor er sprach. Er musste sich zusammenreißen, bevor er gänzlich zum Deppen mutierte.
»Sie sind Jeon Jeongguk, 27 Jahre alt und leiden an einer hypertrophen obstruktiven Kardiomyopathie. Oder um es leichter auszudrücken: Sie haben eine Verdickung der Herzmuskeln in der linken Herzkammer, die für eine Verengung der linksseitigen Ausflussbahn verantwortlich ist und somit ist auch die Pumpfunktion des Herzens eingeschränkt. Hinzu kommt eine Compliance-Störung; eine Versteifung mit verminderter Dehnbarkeit des Herzmuskels.«

Jeongguk nickte und auf sein Gesicht schlich sich ein leicht trauriger Ausdruck.
»Ja ... Die Diagnose wurde vor etwa fünf Jahren gestellt. Leider schlagen die Medikamente nicht an und auch eine Septumablation* hat nicht gereicht ...«, murmelte er seufzend und fing erneut an, mit der Decke herumzuspielen.

»Das war nicht das erste Mal, dass ich einfach umgekippt bin. Ich war nur spazieren. Und dann war ich einfach weg ... Mit Tanzen musste ich auch aufhören, ansonsten wäre ich Gefahr gelaufen, einem plötzlichen Herztod zum Opfer zu fallen. Naja, obwohl mein Herz es womöglich eh nicht mehr lange aushalten wird ...«

Taehyung hörte ihm stumm zu und kaute aus Gewohnheit erneut auf seinen Lippen herum. Sein Blick glitt so unauffällig wie möglich wieder zu Jeongguks Gesicht, der in Gedanken versunken in die Ferne schaute.

Der junge Mann war noch immer wunderschön, selbst wenn ein großes Pflaster die Stirn halb verdeckte und die Arme verkabelt am EKG sowie mit mehreren Schläuchen besetzt waren. Das Gesicht war so blass wie die einer Leiche. Doch auch wenn seine Augen eine gewisse Sehnsucht und Traurigkeit ausstrahlten, so leuchteten sie dennoch in einem gewissen Glanz.

»Wir können Ihnen dennoch helfen ...«, erwiderte Taehyung, woraufhin sich Jeongguk leicht überrascht zu ihm umdrehte. Leichte Hoffnung spiegelte sich in seinen Augen wider.
»Ich könnte eine Myektomie vorschlagen, bei der Teile des verdeckten Gewebes entfernt werden, sodass das Blut besser fließen kann. Aber zunächst sollten wir ein MRT machen.«

Jeongguk nickte und lächelte dankbar.
»Ich mache alles, insofern mein Herz wieder etwas mehr Luft bekommt.«

Er lehnte sich zufrieden zurück und sah leicht seufzend gen Decke, während Taehyung ihn noch immer unbewusst musterte. Er konnte einfach nicht mehr den Blick von ihm wenden, so sehr überwältigte Jeongguk ihn.

Doch der Arzt schüttelte den Kopf und fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. Er musste sich zusammenreißen, er konnte nicht erneut eine Beziehung aufbauen und das schon gar nicht mit einem Herzkranken ...

»Haben Sie Angehörige, die wir anrufen sollen?«, fragte Taehyung, um sich irgendwie von seinen Gedanken ablenken zu können. Jeongguk schüttelte auf seine Frage hin nur den Kopf und seufzte leicht.

»Meine Mutter lebt in Daegu und zu ihr hatte ich nie wirklich eine Bindung gehabt. Mein Vater hat unsere Familie verlassen, noch bevor ich überhaupt auf die Welt kam. Und mein älterer Bruder ...«
Jeongguk stoppte kurz bei den Gedanken an seinen Bruder und sah leicht niedergeschlagen auf seine Finger.
»Er litt auch unter HOCM und starb an einem plötzlichen Herztod. Und weil es bekanntlich vererbbar ist, habe ich mich auch darauf testen lassen. Naja, ich hatte genauso wenig Glück. Womöglich von unserem Vater geerbt.«

Warme Finger schoben sich zwischen die von Jeongguk, sodass dieser überrascht zu Taehyung sah, der nur mit einem aufmunternden Lächeln seine Hand hielt.
Scheiß auf die Bindung, denn wenn Taehyung ehrlich war, war es schon längst zu spät. Er hatte dieses Band ungewollt zwischen sie gespannt, noch bevor sie überhaupt in ein richtiges Gespräch kommen konnten.

Es hatte nur einen Blick gereicht, um Taehyung aus der Fassung zu bekommen. Es hatte nur ein Blick gereicht, um Taehyungs Herz höher schlagen zu lassen. Wie war das? Taehyung war verliebt?

Es fühlte sich surreal an, aber gleichzeitig irgendwie auch richtig. Denn wenn er Jeongguk sah oder nur seine Stimme hörte, blieb sein Herz in einem Moment unwillkürlich stehen.
Und doch war es ein großer Fehler, sich in einen Patienten zu verlieben; in diesen Patienten. Taehyung war Chirurg. Er musste Urteile ohne irgendwelche emotionalen Einflüsse fällen können.

Nur in diesem Moment konnte der Arzt einmal nicht auf seine Vernunft hören. Er wollte einmal sein Herz entscheiden lassen. Und es tat gut, einfach nur Jeongguks Hand zu halten und ihm damit zu demonstrieren, dass Taehyung für ihn da war. Und dass er alles tun würde, damit es ihm besser ging.

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*Septumablation: Verfahren, bei dem Alkohol in die kleinen arteriellen Blutgefäße zugeführt wird, sodass die verdickte Herzscheidewand versorgt wird und das verdickte Gewebe veröden lässt.

𝐇𝐞𝐚𝐫𝐭𝐛𝐞𝐚𝐭ᵏᵒᵒᵏᵛ ✓Where stories live. Discover now