❁Kapitel 4❁

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T A E H Y U N G
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Es war ein ruhiger Ort. Dunkelheit und Stille herrschten um Taehyung herum, während er einfach nur mit leerem Blick gegen die Wand starrte. Es mussten schon Stunden vergangen sein, die er in dieser kleinen Abstellkammer verbracht hatte. Vielleicht waren es auch nur Minuten. Ein Zeitgefühl hatte Taehyung noch nie gehabt. Sein Kopf war wie leergefegt, sodass es keine Chance gab,  einen klaren Gedanken zu fassen.

Er hätte sich nicht wie ein Feigling hier verschanzen sollen. Er hätte gar nicht erst wegrennen dürfen, zumal es nicht einmal einen triftigen Grund dazu gab. Dieser Mann von vorhin war nur ein Patient wie jeder andere auch und doch hatte Taehyung das Gefühl, dass diesmal etwas anders war. Irgendetwas hatte dieser Jeongguk in ihm ausgelöst, was Taehyung sich einfach nicht erklären konnte.

Der Arzt baute oft eine Bindung zu Patienten auf. Es lag in seiner Natur und er tat es auch gerne, denn es waren alles nur Menschen, die auf Hoffnung aus waren, wieder gesund zu werden. Aber es war Taehyung auch bewusst, wann und mit wem er eine engere Bindung aufbaute.

Doch diesmal schien es völlig anders zu sein. Wie ein Faden hatte sich dieses Band zwischen sie gespannt und sie aneinander festgebunden, sodass es für Taehyung nicht mehr möglich war, wieder vom Patienten loszukommen.

Taehyung raufte sich das Haar und schloss verzweifelt seine Augen. Dr. Kim Seokjin würde ihn ganz sicher aus der Kardiologie werfen und darauf bestehen, ihn einer anderen Abteilung zuzuteilen. Ein unkonzentrierter Arzt war nutzlos und unbrauchbar.

Vielleicht hätte Taehyung froh darüber sein sollen, woanders assistieren zu dürfen, doch es war das erste Mal, dass er dem Kardiologen zugeteilt wurde. Auch wenn dies nicht sein liebstes Gebiet war, so wollte er sie dennoch nicht einfach so aufgeben. Taehyung wollte lernen, er wollte aufsteigen und sich verbessern. Und tief in seinem Herzen war der Assistent fest dazu entschlossen, dem herzkranken Patienten zu helfen.

Denn es war schließlich Taehyungs Job. Egal, wer Hilfe benötigte; jeder sollte eine Chance bekommen, wieder gesund werden zu dürfen. Und sei es auch ein junger und viel zu gut aussehender Mann, der einem jegliche Konzentration raubte.

Doch auch wenn Taehyung sich endlich wieder beruhigt hatte, so schaffte er es dennoch nicht, vom kalten Boden aufzustehen. Seine Beine waren wie festgefroren und weigerten sich, Taehyung zu gehorchen. Innerlich spürte er die Unsicherheit, die noch immer an ihm nagte. Auf der anderen Seite hielt er zeitgleich an seiner Entschlossenheit fest. Und dennoch ... Warum schaffte er es nicht aufzustehen, da rauszugehen und Seokjin unter die Arme zu greifen?

Hatte Taehyungs Angst immer noch die Oberhand? War der Zweifel stärker als die Entschlossenheit? Oder war Taehyung schlichtweg nur ein Feigling, der sich den falschen Job ausgesucht hatte? Wurde ihm jetzt erst bewusst, wie kräftezehrend es war, Arzt zu sein?

Konnte er einfach nicht mehr zusehen, wie er versagte und Menschen durch seine Schuld sterben mussten?

»Tae?«
Die Tür wurde plötzlich aufgerissen und ein völlig aufgebrachter Jimin platzte in die kleine Abstellkammer. Spärliches Licht fiel in den dunklen Raum, sodass Taehyung - dessen Augen gerade an die Dunkelheit gewöhnt waren und nun von der Helligkeit geblendet wurden - diese schließen musste.

»Tae!«, rief Jimin erleichtert und hockte sich zu Taehyung auf den Boden. Dieser hatte die Beine nur noch mehr an seinen Körper gezogen und ignorierte Jimin beinahe komplett. Schließlich hatte sich Taehyung nicht umsonst hier versteckt, damit ja kein Mensch ihn stören konnte. Doch da hatte er wohl falsch gedacht und Jimin maßlos unterschätzt. Wen wunderte es auch? Jimin kannte sich in diesem Krankenhaus wie kein Zweiter aus und eine Abstellkammer war ein 1A-Versteck, in dem verzweifelte Ärzte sich als erstes verschanzten. Nein, hier war man eigentlich nie sicher.

Und dennoch zog Taehyung sich immer wieder hierher zurück. Es war eben irgendwo doch ein ganz passender Rückzugsort.

»Sag nichts ...«, wisperte Taehyung nur und starrte mit leeren Augen auf die Regale mit den Verbänden und Mullbinden. Und Jimin sagte nichts, er saß nur still und schweigend neben seinem besten Freund und machte es Taehyung nach. So starrten beide gegen das Regal und hingen dabei ihren eigenen Gedanken nach.

Doch auch diese Stille wurde unterbrochen, als Taehyung eine Hand auf seiner spürte.
»Denk immer daran, dass da Leute draußen sind, die sich noch beschissener fühlen als du. Du bist Arzt und ich weiß, dass du es gerne tust, auch wenn manche Fälle schon so einiges von dir abverlangt haben. Aber du bist immer und immer wieder aufgestanden und hast mit einem Lächeln weitergemacht, ohne jemals einmal gejammert zu haben. Außer heute ... Heute sitzt du auf dem Boden, vollkommen fertig und zerstört. War die Kardiologie denn so ein Horror für dich gewesen?«

Taehyung schwieg. Er sah nur auf das Regal und schwieg, während Jimin sich geduldig gegen die Wand lehnte und ein leises Seufzen von sich gab.

»Das ist es nicht«, murmelte Taehyung schließlich nach etlichen Minuten des Schweigens und wandte den Blick vom Regal ab.

»Sondern?«

»Er ...«, hauchte Taehyung mit gläsernen Augen und erneut brach die Angst in ihm aus, als er an den Patienten denken musste. An diese Augen, das Gesicht ... Und dann sein Herz, das plötzlich aus dem Takt geraten war. Es hatte Taehyung einen viel zu großen Schrecken eingejagt.

»Schon auf den ersten Blick hat er mich auf eine gewisse Weise fasziniert ... Und gleichzeitig hat es mir auch das Herz gebrochen, ihn so schwach und schutzlos vor mir liegen sehen zu müssen ...«

»Du gehst immer noch Bindungen mit Patienten ein? Taehyung ...«, seufzte Jimin, doch der Assistenzarzt unterbrach ihn, indem er seinen besten Freund mit festem Griff am Arm packte und ihn aus ernsten Augen ansah.

»Es war keine gewollte Bindung! Ich wollte es nicht einmal und trotzdem hat er mich irgendwie in seinen Bann gezogen. Ich hab nicht einmal richtig mit ihm gesprochen, nein, verdammt, er hatte auch noch Kammerflimmern und Dr. Kim Seokjin hat mir die Aufgabe überlassen ...«

Verzweifelt und mit Tränen in den Augen ließ Taehyung wieder von Jimin ab und lehnte seinen Kopf gegen die weiße Wand.
»Ich kenne ihn doch gar nicht ... Und dennoch habe ich das Gefühl, dass er jemand ist, den ich ihn schon mein Leben lang gesucht und nun endlich gefunden habe.«

Ein Rascheln erklang neben Taehyung, als sich Jimin schließlich so hinsetzte, um Taehyung besser in die Augen sehen zu können.

»Hörst du deinen Herzschlag? Spürst du ihn?«

Verwirrt musterte Taehyung seinen besten Freund, nickte jedoch langsam auf seine Frage hin.
»Wie schnell schlägt dein Herz?«, fragte Jimin weiter.

»Schneller als 100 bpm, würde ich sagen ...«, erwiderte Taehyung - noch immer irritiert, worauf Jimin überhaupt hinaus wollte.

»Schlägt es schon die ganze Zeit so? Seit du diesen Patienten gesehen hast?«
Erneut bejahte Taehyung diese Frage mit einem Nicken, jedoch zögerlich.

Jimin nickte daraufhin ebenso und nahm Taehyungs Hände in seine, während er ihm mit einem sanften Lächeln in die Augen sah.
»Die Diagnose ist damit klar, Kim Taehyung: Sie sind verliebt! Das nennt man auch Liebe auf den ersten Blick!«

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𝐇𝐞𝐚𝐫𝐭𝐛𝐞𝐚𝐭ᵏᵒᵒᵏᵛ ✓Where stories live. Discover now