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Er sah anders aus, als ich ihn in Erinnerung hatte. Er sah irgendwie älter aus, so als ob er sich durch viel hatte durchkämpfen müssen. Doch trotzdem war ich mir zu 100 Prozent sicher, dass er es war. Rio.
Denn er sah mich gerade mit dem gleichen Lächeln an, wie er es vor einem Jahr immer getan hatte.

Das konnte doch nicht wirklich sein, oder?
Dass er jetzt hier vor mir stand, unversehrt und mich anlächelnd, so als wäre nie etwas passiert. So, als ob er nie weggewesen wäre und ich nicht ein komplettes Jahr lang geglaubt habe, er wäre tot.

„Bist du es wirklich?", hauchte ich, während mir schon die ersten Tränen in die Augen stiegen.

„Natürlich bin ich es, chica! Jetzt komm doch erstmal her.", meinte Rio freudig und breitete seine Arme aus.
Das ließ ich mir natürlich nicht zweimal sagen und sofort befand ich mich in einer engen Umarmung von Rio, die ich so sehr vermisst hatte.
Ich konnte immer noch nicht glauben, dass er tatsächlich lebte. Dass er hier war.
Es war wirklich das beste Geburtstagsgeschenk, das ich je bekommen habe.

„Alles Gute zum Geburtstag!", nuschelte er in meine Haare.
Ich löste mich wieder aus der Umarmung, um ihn wieder anschauen zu können. Ich konnte gar nichts anderes tun, als ihn anzuschauen.

„Woher weißt du überhaupt, dass ich Geburtstag habe?", fragte ich, nachdem ich ihn für kurze Zeit einfach nur angestarrt habe.

„Vielleicht wegen der Deko?", schmunzelte Rio und ich schlug mir innerlich die Hand gegen die Stirn.
Natürlich wusste er es wegen der Deko, wie könnte er denn auch die riesigen ‚Happy Birthday Malu' Luftballons übersehen?
Ich war wohl wirklich nicht mehr in der Lage, klar zu denken.

„Rio, ich bin so froh, dass es dir gut geht, das glaubst du gar nicht! Aber ich habe so viele Fragen... ich weiß gar nicht, wo ich da anfangen soll."
Rio nickte verständlich.

„Ja klar, das verstehe ich. Ich werde dir auch wirklich alles erzählen, versprochen! Nur glaube ich, dass jetzt gerade nicht der richtige Zeitpunkt ist, oder?"
Rio nickte Richtung draußen und ich warf meinen Blick auf meine Gäste, die alle am Tisch saßen, fröhlich miteinander redeten und Kuchen in sich hinein stopften. Er hatte Recht, ich konnte sie jetzt nicht zu lange alleine lassen.

„Komm mit, ich stelle dich jetzt meiner Familie vor.", sagte ich entschlossen und zog ihn an seinem Arm nach draußen, bevor er sich weigern konnte.
Da ich annahm, dass er sich nicht gleich wieder nach Mexiko verabschieden würde sondern hier in der Gegend blieb und wir in Zukunft viel Zeit miteinander verbringen würden, würde er doch sowieso früher oder später meine Familie kennenlernen.

Das einzige Problem war, dass Marlee gleich eine tot geglaubte Person zu sehen bekam. Und das in Anwesenheit meiner Familie, die keine Ahnung davon hatte dass Rio existierte, geschweige denn, dass ich bis vor wenigen Minuten überzeugt war, seine Ermordung miterlebt zu haben. Doch ich vertraute darauf, dass sie ihre Reaktion gut verstecken können würde. Etwas anderes blieb ihr auch nicht wirklich übrig.

Zugegeben, als ich die Glastür zur Terrasse öffnete und mit Rio hinaus trat, war ich ziemlich nervös. Ich hatte Angst, dass meine Eltern irgendwie nicht allzu positiv reagieren würden und, dass Marlees Reaktion für Misstrauen sorgen könnte. Zudem konnte ich es selber immer noch nicht ganz glauben, dass Rio tatsächlich hier und am Leben war.
Doch dann stellte er sich neben mich und drückte kurz meine Hand, was mich deutlich beruhigte.

„Hey Leute, ich wollte euch kurz noch jemanden vorstellen."
Alle drehten neugierig ihre Köpfe zu uns um, doch ich beachtete nur Marlee. Als sie Rio entdeckte, glaubte ich fast, ihr fielen die Augen aus dem Kopf. Als ich schon dachte, sie könnte es nicht noch auffälliger machen, verschluckte sie sich an einem Stück Kuchen und fing an, kräftig zu husten. Ihr wurden besorgte Blicke zu geworfen und mein Vater hob skeptisch die Augenbraue.
Na super, das lief ja wie geplant.

Before DawnWhere stories live. Discover now