12. Unerwarteter Besuch

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"Ich hasse diese kalten, feuchten Gänge hier", sagte Nina und sprach somit meine Gedanken aus. Wieder einmal liefen wir völlig planlos durch irgendwelche Gänge und hofften darauf, unsere Kollegen oder zumindestens ein paar Creepypastas anzutreffen, doch nichts. Weder eine Veränderung der Gänge, noch irgendein Anzeichen von Leben. Ich achtete auf jedes Geräusch in der sonst so erdrückenden Stille und vernahm nach einiger Zeit ein regelmäßiges Tropfen. Ich suchte den Urpsprung des Geräusches und fand ein undichtes Rohr, welches die Wand entlanglief. Leider verstummte dieses Geräusch schon bald, als wir weiterliefen. Um der Stille zu entgehen, fing ich ein Gespräch an. "Findest du es nicht auch komisch, dass hier so rein gar nichts ist? Ich meine, noch nicht einmal Fallen oder Blut oder so etwas?" Nina blieb stehen und ignorierte meine Frage. Stattdessen stellte sie als Gegenfrage:"Hast du das auch gehört?" "Was?" "Na dieses Quietschen ... hat sich wie eine Tür angehört." Sie ließ mir nicht einmal Zeit zum Antworten, als sie bereits loslief, ich folgte ihr um die nächste Ecke. Dieser Gang sah genauso aus wie die vorherigen Gänge, gut beleuchtet, dennoch kalt und von den Wänden tropfte eine Flüssigkeit, ich vermutete Wasser. Allerdings befand sich hier noch eine Tür. Sie war lediglich angelehnt und bewegte sich im Rythmus des leicht wehenden Windes. Ich hörte das Quietschen, welches immer an mein Ohr drang, wenn sich die Tür ein Stück öffnete oder wieder schloss. Nun bemerkte ich auch die ganzen anderen Türen, vermutlich waren sie mir nicht aufgefallen, da sie geschlossen waren. "Denkst du, hier sind Creepypastas?", flüsterte Nina, um in diesem Fall keine Aufmerksamkeit zu erregen. Ich zuckte mit den Schultern. "Lass uns nachsehen." Langsam näherte ich mich der halb offenen Tür und stellte mich daneben, dann lauschte ich, doch nichts war zu hören. Ich sah zu Nina, die an der anderen Seite der Wand stand und schüttelte meinen Kopf, sie verstand. Mit dem Messer in der Hand setzte ich ein paar Schritte in den düsteren Raum und fand sofort einen Lichtschalter, den ich betätigte. Ich war leicht überrascht, da dies ein ganz normaler Raum war. Er beinhaltete zwei Betten, einen großen Schrank an der gegenüberliegenden Seite und einen Schreibtisch. Außerdem befand sich noch eine Tür gleich neben dem Schrank. "Das ist so ziemlich der erste Raum hier unten, der kein Blut beinhaltet", stellte Nina fest und bewegte sich auf die andere Tür zu. "Hier, falls dort wer drinnen ist." Ich drückte ihr das Messer in die Hand und lief weiter zu dem Schreibtisch. Auf diesem lagen Fotos von Kindern, genauso wie damals in Slenders Hütte. Ich schüttelte den Gedanken ab und legte die Fotos beiseite, darunter befand sich ein roter Faden. Ich folgte ihm und hob meinen Kopf. "Hier ist ein überraschend sauberes Badezimmer. Nichts Außergewöhnliches", hörte ich Nina sagen. "Das kann ich nicht behaupten, du solltest dir das hier mal ansehen." Ich wartete ab und blickte weiterhin unentwegt auf die Wand vor mir, als ich meine Freundin aus dem Augenwinkel sah. Jedenfalls dachte ich, es wäre Nina, doch stattdessen stellte ich fest, dass jemand Fremdes vor mir stand, zu spät um zu verhindern, dass ich gegen eine Wand geschleudert wurde. Ich fiel auf meine Knie, richtete mich schnell wieder auf und betrachtete kurz die Person vor mir. Es war eine junge Frau, doch das war es nicht, was mich wunderte, sondern ihre verschiedenfarbigen Augen und den Metallschutz um ihren linken Arm. Ich überlegte nicht lange und lief auf sie zu und verpasste ihr einen gekonnten Schlag in die Seite. Was ich nicht wusste, sie trug einen Schutz unter ihrem Top und sie war bewaffnet. Ich spürte das Messer an meinem Arm entlanggleiten und trat sofort ein paar Schritte zurück. Die Wunde tat weh, war durch die 'spezielle' Kleidung aber erstaunlicherweise nicht ansatzweise so tief wie sie hätte sein sollen. Das schien wohl auch die Frau bemerkt zu haben, denn sie knurrte wütend. Nun stürmte ich auf sie zu und verdrehte ihren Arm, sodass sie ihr Messer fallen ließ. Wir beide versuchten, es zu erwischen und rollten über den Boden, bis ich sie mit einem Tritt wegstieß. Ich rollte mich ab und war sofort wieder auf den Beinen, auch die Frau kam wieder auf die Beine. Ich beobachtete sie und bemerkte für den Bruchteil einer Sekunde etwas Glänzendes an ihrer Hand. Noch bevor sie auch nur eine der Nadeln werfen konnte, war ich bei ihr und trat auf ihre Hand. Es knakste und sie war gezwungen, sie zu öffnen, sodass die Nadeln zu Boden fielen. Ohne zu zögern schlug ich mit den flachen Händen auf ihre Ohren und kurz darauf auf die Schläfe. Sie fiel bewusstlos zu Boden. Ich keuchte und hob die Waffe vom Boden auf, als mir Nina einfiel. Ich wollte schon den Raum verlassen, beschloss dann allerdings, zuerst ein Seil aus dem Schrank zu suchen, die Frau zu fesseln, ihr ihren metallenen Armschutz abzunehmen und einen Schal um den Mund zu binden. Danach nahm ich mein Handy aus der Tasche und fotografierte den Plan aus verwirbelten Fäden und Fotos von bestimmten Leuten und Orten an der Wand. Ich setzte den Armschutz an; ich wusste, wofür er gut war, so etwas benutzte man, um Hiebe von Messern oder gar Schwertern abhalten zu können. Ein Krachen ließ mich hochschrecken und ich stürmte nun in das Badezimmer hinein. Ich sah, wie Nina im Raum stand, leicht außer Puste, aber unverletzt. In der Badewanne lag noch eine Person. Diesmal erkannte ich sie, es war Laughing Jill. Sie war wohl auch bewusstlos, aus einer Wunde an ihrem Kopf floss Blut. "Ist alles okay bei dir?", frage mich Nina und ich löste meinen Blick von der bewusstlosen Frau. "Ja. Ich habe etwas Interessantes gefunden, außerdem weiß ich jetzt, wem das Zimmer gehört." Ich zeigte Nina das Gewirr aus Fäden und Bildern an der Wand, sowie die bewusstlose Frau. "Wir sollten die andere auch fesseln...oder meinst du, wir sollten sie gleich beseitigen?", fragte ich zögerlich. Nina nickte. "Wir kommen sowieso nicht drum herum." "Okay." Ich lief zuerst ins Bad und schlitzte, genau wie Nina bei dem Psychopathen-Trio, die Kehle der Frau auf." Dann wandte ich mich schnell ab und lief zu der zweiten Frau, wo sich noch Nina befand. Ich bemerkte nun, wie sie aufwachte. "Warte", sagte Nina, als ich das Messer ansetzen wollte. Sie entfernte den Schal und die Frau keuchte. "Wurdest du geschickt, uns zu suchen?", fragte Nina. Die Frau zögerte und sah mich wütend an. "Sag schon!" Ich drückte ihr das Messer an den Hals und sie schüttelte den Kopf. "Nein, ich habe es einfach nur nicht gern, wenn jemand in meinem Zimmer herumschleicht. Ihr seid doch die Mädchen, die sie letztes Jahr schon hier reingesteckt haben, oder? Es ist schon erstaunlich, dass ihr überlebt habt." Man hörte die Verachtung heraus. "Ja und nun sind wir hier, um euch aufzuhalten. Das Psychopathen-Trio haben wir bereits getötet und du bist die nächste." Nun wurde sie sichtlich nervös. "Und wenn ich mich euch anschließe? Ihr könnt mir vertrauen." Ich wusste nicht, was ich antworten sollte. Dann fiel mir allerdings etwas ein und ich hob die hauchdünnen Nadeln vom Boden auf, Giftnadeln. "Nein, können wir nicht." Ich nickte kaum merklich und Nina stach ohne zu zögern zu. Sie musste mir wohl wirklich vertrauen, wenn sie das so ohne weiteres tat. Nun erhob sie sich und zeigte auf den Armschutz, den ich trug. "Ist der von ihr?" Ich nickte. "Das war Sunny. Mir ist es durch ihr hinterhältiges Grinsen aufgefallen. Sunny ist dafür bekannt, dass sie gerissen, sehr klug, aber auch hinterhältig ist." Nun verließ ich das Zimmer, Nina folgte mir. Vor der Tür blieb ich noch einmal stehen und drückte Nina zwei der Giftnadeln in die Hand. "Steck die ein. Für den Fall, dass du in Schwierigkeiten kommst, und davon können wir ausgehen, kannst du dich hiermit verteidigen." Sie nickte und ich steckte die anderen zwei ebenfalls ein. Als wir weiterliefen, bemerkte ich, dass Nina nun zwei Messer hatte. Eines länger und schärfer als das andere. Ich spürte mein Messer in der Hand liegen und auch der Armschutz machte sich schwer bemerkbar. Wir waren bewaffnet und wir waren bereit zu kämpfen. Ich wollte den Creepypastas beweisen, dass wir nicht die hilflosen Mädchen waren, die damals in Slender's Wald geraten waren. Und wir waren auch nicht so hilflos wie damals, als Jeff uns hierher entführte. Wir waren stark, gemeinsam waren wir stark. Plötzlich fasste ich einen Gedanken. Ich hielt an und bemerkte, wie Nina dies ebenfalls tat. "Was ist, wenn die Creepypastas uns trennen wollen?" "Was meinst du?", fragte Nina. "Ich meine, dass wir zwei zusammen stark sind, das wissen die Creepypastas. Was also, wenn sie bereits einen Plan schmieden, uns zu trennen und uns dann zu beseitigen?" Es war ein plötzlicher Gedanke, der mir durch den Kopf schoss, doch er klang durchaus logisch. "Dann dürfen wir das nicht zulassen. Wir müssen eben immer dicht beisammen bleiben, wir schaffen das schon", redete sie mir zuversichtlich zu und ich nickte, obwohl ich nicht überzeugt war. Die Creepypastas waren hinterlistig und definitiv nicht dumm. Ich wusste, dass sie so etwas durchaus geplant haben konnten und ich hatte ein mulmiges Gefühl, als ich nach Nina einen etwas breiteren und wesentlich düsteren Gang betrat.

Die Invasion der CreepypastasWhere stories live. Discover now