5. Die Sicherstellung meiner Familie

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Alex steckte sein Handy wieder weg. "Wer war's?", fragte ich. "Laura", antwortete Alex, "sie holen zuerst deine Mutter und Geschwister. Ich hab ihnen gesagt, dass es etwas länger dauern wird mit deiner Behandlung." "Okay." Ich lag in einem weißen Zimmer auf einen Tisch. Ich musste auf dem Bauch liegen, damit der Arzt meine Wunden behandeln konnte. Damit es nicht so wehtat, hatte er mir ein leichtes Betäubungsmittel verabreicht. Während der Arzt die Splitter sorgfältig entfernte und die Schnitte nähte, hielt Alex meine Hand. Nach etwa einer halben Stunde verkündete der Arzt:"Fertig. Ihr könnt gehen. Wo ist eigentlich eure Mutter? Oder eine eurer Mütter? Ich sehe ja, dass ihr keine Geschwister seid ..." Ich sah Alex an, dann fiel mir plötzlich etwas ein:"Meine Mutter müsste bald kommen. Sie ist einkaufen." Der Arzt sah uns überrascht an, was ich auch verstehen konnte. Wer lässt schon sein Kind nach einem Unfall alleine in einem Krankenhaus zurück, nur um einkaufen zu gehen? Na gut, Alex war bei mir, aber trotzdem.

Um ihn nicht aufklären zu müssen, verabschiedeten wir uns schnell, traten aus dem Zimmer und setzten uns im Gang auf zwei Stühle. Auf einmal klingelte Alex' Handy nochmal. "Nick? Was ist los?", fragte er. Im Laufe des Gesprächs weiteten sich seine Augen. "Okay ...", sagte er leise. "Wir warten." Damit legte er auf. "Laughing Jack ist aufgetaucht und Laura kämpft gegen ihn", erklärte er, "Nick hat sich versteckt, um uns zu sagen, dass sie uns erst später abholen können. Doch jetzt will er Laura helfen, deine Geschwister zu verteidigen. Hoffentlich werden sie es schaffen ..." "Ich bitte dich", erwiderte ich, "es ist doch nur ein Creepypasta. Mit dem werden sie schon fertig. Laura ist stark." "Nick ist ein sehr guter Kämpfer", erwiderte Alex lächelnd.

Eine halbe Stunde verbrachten wir noch im Krankenhaus. Sie kam mir vor wie zwei Stunden. Ich ging auf und ab und machte mir schreckliche Sorgen. Ich wusste, dass Laura und Nick meine Geschwister mit ihrem Leben verteidigen würden, wenn es nötig war. Sie würden kämpfen, bis sie in Sicherheit waren. Mir gefiel der Gedanke gar nicht und hoffte, dass die beiden mit Laughing Jack fertig wurden. Andererseits würde ich dasselbe mit Lauras Bruder tun - ich würde ihn verteidigen, auch wenn ich dafür mein Leben geben müsste.

Plötzlich klingelte Alex' Handy erneut. "Nick! Seid ihr okay?", fragte er sofort. Dann atmete er erleichtert auf und ich entspannte mich ebenfalls. "Alles klar, wir kommen", sagte Alex und legte auf. "Also", erzählte er, "sie haben Laughing Jack in die Flucht geschlagen. Deinen Geschwistern fehlt nichts. Allerdings haben Laura und Nick einige Schrammen ... na, ich bin ja mal gespannt, ob es mehr als nur Schrammen sind." "Und ... was ist mit Laughing Jack? Ich meine, haben sie ihn verletzen können?" "Ja", antwortete Alex, "er ist stark verletzt worden und geflohen." "Ich hoffe, dass er nicht weit kommt und sie ihn schnappen können." "Hoffe ich auch. Übrigens hat Nick noch gesagt, dass wir draußen vor dem Krankenhaus auf sie warten sollen." "Dann gehen wir doch raus", sagte ich und stand auf. Doch weil die Bewegung zu schnell war, durchfuhr ein starker Schmerz meinen Rücken und ich musste mich wieder hinsetzen. Alex half mir wieder vorsichtig hoch und wir benutzten den Aufzug, um ins Erdgeschoss zu gelangen. Dann traten wir aus dem Gebäude und warteten. Dabei hielt ich mich mehr in den Schatten und Büschen auf, denn ich wollte nicht von meiner Familie gesehen werden, wenn sie kam. Außerdem wäre dann noch ein großes Platzproblem im Auto vorhanden: Ich konnte mich nicht einfach auf den Schoß eines anderen setzen und drei Kinder im Kofferraum waren zuviel. Zumindest würde meine Mutter das so sehen. Ich wollte nicht, dass jemand von meiner Familie von meiner Anwesenheit wusste. "Alex, ruf Nick nochmal an", forderte ich ihn auf, "und sag ihm, dass ich nicht will, dass meine Familie weiß, dass sie mich jetzt abholen wollen." Zuerst schaute Alex verwirrt drein, dann aber verstand er und rief seinen Zwillingsbruder an. "Alles klar", sagte er, nachdem er wieder aufgelegt hatte, "sie haben deiner Familie erzählt, dass sie nur mich abholen, und sie wollen ein kleines Ablenkungsmanöver machen, während du in den Kofferraum steigst." "Gut."

Nach einer Weile kam ein Auto angefahren und blieb ganz in unserer Nähe stehen. Alex lief hin und stieg in den Kofferraum. Dann stiegen der Polizeichef und meine Mutter aus. "Wissen Sie, ich habe meinen Geldbeutel vergessen und seine Eltern dürfen nicht erfahren, dass er sich verletzt hat. Können Sie mir bitte Geld leihen? Ich habe dem armen Jungen versprochen, die Behandlung zu bezahlen und seinen Eltern nichts zu sagen." "Na gut", erwiderte meine Mutter, "ausnahmsweise." Sie holte aus ihrer Handtasche ihr Portmonee, zog zwei Geldscheine heraus und reichte sie ihm. "Das müsste genügen." "Vielen Dank", sagte der Polizist. Dann verschwanden sie im Gebäude.

Ich sah wieder zum Wagen und beobachtete, wie Alex und meine Schwester ausstiegen. Alex öffnete den Kofferraum und ließ Nick heraus. Er ließ den Kofferraum offen. Nick öffnete die Beifahrertür und zeigte ganz kurz in meine Richtung. Dann stieg er ein und Alex schlenderte auf mich zu. Leonie - meine Schwester - eilte hinter ihm her. Alex ging schneller und als er an mir vorbeilief, flüsterte er:"Du kannst einsteigen. Nick lenkt deinen Bruder ab." Dann lief er schnell weiter, sodass Leonie keine Chance hatte, herauszufinden, warum Alex kurz zu den Büschen gegangen war, wenn sie nicht den Anschluss verlieren wollte. Nachdem auch die beiden im Krankenhaus verschwunden waren, huschte ich zum Auto und kletterte lautlos in den noch offenen Kofferraum. "Ich glaube, ich muss mich nochmal ausstrecken, bevor wir weiterfahren", verkündete Laura laut und kletterte aus dem Auto. Nachdem ich mich ganz hinten verkrochen hatte, stieg sie wieder ein und setzte sich so hin, dass sie mich vollends verdeckte. Währenddessen spielten Nick und mein Bruder Schnick-Schnack-Schnuck und unterhielten sich ein bisschen. Dann kamen die vier anderen wieder und Alex kletterte zu uns in den Kofferraum. Der Polizeichef machte ihn zu und stieg mit meiner Mutter und Leonie ein. "Wie heißt eigentlich diese Sekte?", fragte Leonie, nachdem wir losgefahren waren. "Wir wissen es nicht genau, doch sie experimentieren mit Tieren und versuchen, gutgläubige Kinder in die Sekte zu ziehen", antwortete Alex. "Wie gemein", fand Leonie. Nach einer kleinen Stille brummte mein Bruder:"Muss das wirklich sein? Ich hab echt keinen Bock auf den Knast." "Du kommst nicht in den Knast, Kumpel", sagte Alex und klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter. "Sondern auf eine Polizeistation. Das wird so ähnlich wie in einer Jugendherberge. Nur dass du nicht raus darfst." "Wunderbar", murmelte mein Bruder.

Wir kamen an der Station an. Es war eine andere als die, zu der wir Laura's Familie hingefahren hatten. Aus einem guten Grund: wenn sie sich begegneten und sich über uns unterhielten (wir hatten ihnen teilweise unterschiedliche Geschichten erzählt) würden sie dahinterkommen, dass ich nicht mehr vermisst war und dann würden sie glauben, dass alles nur Lügen waren. Na ja, das meiste waren sowieso Lügen. Doch wir wollten nicht riskieren, dass sie sich dann auf der Suche nach uns in Gefahr brachten - in Form von wandelnden Zielscheiben für die Creepypastas.

Meine Familie, der Polizeichef und die Zwillinge stiegen aus. Dann fiel dem Beamten noch etwas ein:"David, ruf bitte noch deinen Vater an und sag ihm, er soll in nächster Zeit aufpassen. Wenn ihm irgendwas merkwürdig vorkommt, muss er sich sofort melden und geholt werden." "Okay", sagte mein Bruder und zog sein Handy hervor. Während er telefonierte, gingen er und die anderen in die Station. Laura und ich verhielten uns ganz still und kauerten in der hintersten Ecke des Kofferraums. Nach einer Weile kehrten die Zwillingsbrüder mit dem Polizisten zurück. Nachdem sie eingestiegen waren, fragte Alex:"Und was machen wir jetzt?" "Wir erörtern die Creepypastas, fahren zu ihnen hin und schlachten sie ab", antwortete Nick. "Ich hätte es nicht besser formulieren können", erwiderte Alex sarkastisch. "Und so machen wir es", sagte der Polizeichef und fuhr los.

Die Invasion der CreepypastasWo Geschichten leben. Entdecke jetzt