classic

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›Klassik‹, ›Klassiker‹, ›klassisch‹ sind Begriffe der Rezeption. Der Rezeptionsprozeß selbst aber ist ein historisches Phänomen. Zahlreiche Analysen der letzten zehn Jahre haben eben diese Historizität des jeweiligen Klassikbegriffs und seine ideologischen Implikationen thematisiert. Zumal für das 19. Jh., das gemeinhin als die zentrale Phase der Kanonisierung der Klassiker gilt, liegen differenzierte Untersuchungen vor, die die Prämissen dieser Bildformung erklären. Ein zentrales Ergebnis dieser Analysen war -in Anlehnung an Adorno- die traurige Feststellung, daß »die Fortdauer der Wirkung von Kunstwerken über die Epoche ihrer Entstehung hinaus zumeist nur durch die Neutralisierung ihres kritischen Gehalts möglich« sei. So konnte denn auch Henri Coulet 1974 auf einem Symposium französischer ›dix-septiémistes‹ die provozierende Frage stellen, »si étudier les chefs-d’œuvre classiques et les défendre est une activité réactionnaire?« Es ist jedoch nicht nur falsch, den Klassiker mit dem Bild zu identifizieren, das sich das 19. Jh. von ihm gemacht hat, es ist ebenfalls falsch, den Begriff des Klassikers mit dem Klassikerkonzept des 19. Jh.s gleichzusetzen. Denn damit wird nicht nur die Historizität des Rezeptionsprozesses vernachlässigt, ungelöst bleibt ebenfalls das Problem der immer wieder neu erfolgten Aktualisierung der Klassiker und ihrer permanenten Tradierung unter veränderten Umständen und mit veränderten Inhalten. Nicht zuletzt moderne Klassikerinszenierungen zeichnen sich durch einen ganz anderen, innovativen Umgang mit den Klassikern aus.

[Part of the Germanistische Symposien Berichtsbändebook series (GERMSYMP)]

Metropolis [Original Story]Where stories live. Discover now