Obertaken by the past

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„Arnold für den 15/35." „Der 15/35 hört." Nimmt Arne den Funkspruch entgegen. Ich lenke den Wagen in die Straße, in der das Hotel, zu dem wir wegen einer Ruhestörung gerufen wurden, steht. Wir wollen gerade das Zimmer mit der Nummer 515 betreten um die Ruhestörung zu beenden, als der Feuermelder losgeht. Sofort drehen mein Kollege Arne und ich um und schicken die Hotelgäste auf dem Flur nach draußen. Wir alarmieren Feuerwehr und Rettungsdienst. Gerade als alle Gäste das Gebäude verlassen haben, fallen Schüsse. Zwei Stück. Durch den Knall sind die Hotelbewohner aufgeschreckt, schreien panisch und rennen sich gegenseitig um. Stumm verständige ich mich mit meinem Kollegen. Wir überlassen das Absichern des Hotels den nachgeforderten Profis und belassen es dabei die Tür zu sichern, damit keine Personen geschädigt werden. Ich greife gerade nach der Funke, um zu erfragen wie viel Zeit bis zum Eintreffen der SEK Beamten noch eingeplant werden soll, da tritt eine bewaffnete Person durch die Türschwelle. „Die Waffe runter, sofort!" Als er selbst mach zweimaliger Aufforderung die Waffe niederzulegen, dem nicht folge leistet, meldet sich Arne als frei, einen Schuss abzugeben. Aber noch bevor mein Kollege den Abzug seiner Waffe betätigen kann, löst sich ein Schuss aus der Waffe des Mannes. Im selben Augenblick spüre ich einen stechenden Schmerz in meinem rechten Oberschenkel und ich merke das Blut, das mein Bein entlang zu Boden sickert. Trotz der Schmerzen denke ich gar nicht daran auf die Knie zu fallen, sondern Feuer eine Kugel direkt in die Schulter meines Gegenübers ab. Dieser geht in dem Moment schreiend zu Boden, in dem die Kollegen eintreffen. Die Rettungskräfte machen sich sofort daran, den Schützen zu versorgen, während ich meine Hand auf die Wunde drücke. Vorsicht reiße ich meine Diensthose auf und inspiriere die Wunde. „Hey. Sanis. Meine Kollegin wurde getroffen!" Sofort nach dem Ausruf meines Kollegen eilt das Team um Oli zu mir, um meinen Streifschuss zu versorgen. „Und du stehst noch? Holla bist du robust. Aber jetzt setz dich mal bitte hin." Ich tue wie mir gehießen und lasse mich auch anstandslos in den RTW verfrachten, der mich in die Klinik bringen soll. „Ich hab Alex schon Bescheid gegeben. Er kommt zur Klinik." Dankbar nicke ich und bitte Oli sich um die anderen zu kümmern. Keine zehn Minuten später laufe ich in der Notaufnahme der Klinik am Südring ein und werde dort Frederik in Empfang genommen. „Hab schon gehört. Du bist heldenhaft stehen geblieben und hast dein Gegenüber erledigt." Amüsiert schüttle ich den Kopf. „Kümmere dich nur schnell um mein Bein. Ich muss wieder raus. Wir sind chronisch unterbesetzt." Empört schnauft der Arzt aus. „Du bleibst hier bis die Wunde sauber genäht ist und dann, kannst du dich von mir aus, auf eigene Verantwortung, selbsts entlassen." Zufrieden nicke ich und setze mich auf die Liege im Schockraum. „Kannst du die nicht einfach klammern?" Resigniert lässt Frederik die Schultern hängen. „Gut." „Schatz. Gehts dir gut?" Besorgnis spiegelt sich in den rehbraunen Augen meines Freundes, als er den Schockraum des Klinikums betritt. „Mir geht es gut, Liebling." Behutsam gebe ich ihm einen Kuss auf die Lippen, damit er sich beruhigt. „Es dauert noch Lou. Wir kriegen noch einen Verletzten." Seufzend lasse ich den Kopf auf die Brust fallen, als mein Blick auf dem Wundverschluss verharrt. „Ich geb dir noch ein Betäubungsmittel, dann mach ich dir die Wunde zu." Kurz sträube ich mich, knicke jedoch unter dem mahnenden Blick meines Freundes ein und nicke ergeben.
Langsam werde ich genervt, weil ich schon seit über einer Stunde warte. „Mir reichte jetzt." Entschlossen erhebe ich mich und nehme die Klammern zur Hand. „Was um Himmelswillen machst du da?" Genervt verdrehe ich die Augen. „Wonach sieht es denn aus?! Ich mach mir die Wunde zu und geh dann raus zu den Kollegen." Gesagt getan. Ich setze das Gerät an und schieße mir die Klammern in den Oberschenkel. Es tut weh, aber ich habe gelernt Schmerzen zu ignorieren. „Spinnst du! Du hast keine Betäubung bekommen!" „Auf dem Feld hatte ich auch keine Betäubung. Ich hatte weder Zeit noch Platz für unnötiges Drumherum. Ich hatte keine fünf Minuten um wieder fit zu sein. Ich musste schießen, bevor ich erschossen werde." Ich sehe in erschrockene und entgeisterte Gesichter. Erst dann fällt mir auf, dass ich mich verraten habe. Ich habe soeben mein Leben zerstört. „Scheiße." Die Tränen steigen mir in die Augen, während ich mich auf die Liege fallen lasse. „Alex, bitte. Lass es mich erklären." Flehend schaue ich meinem Freund in die Augen, jene die sonst immer voller Wärme und Liebe waren und jetzt von Verwirrung und Skepsis geprägt sind. „Ich-. Ich war Soldatin. Bei der U.S. Army ich hatte Angst davor, euch das zu sagen. Ich hatte Angst, dass ihr mich für einen schlechten Menschen haltet." Meine Stimme klingt brüchig, leise und zittrig. Ein Schatten ihrer selbst. Wieder blicke ich in die Augen meines Freundes, doch diesmal spiegeln sich dort Gefühle, die ich niemals hätte sehen wollen. Wut, Zorn und Enttäuschung. Letztes ist das schlimmste. Die Tränen rinnen mir wie Sturzbäche über die Wangen. Kopfschüttelnd wendet Alexander sich ab und verlässt den Raum. „Nein!" Schreiend erhebe ich mich, trotz der immensen Schmerzen und laufe ihm hinterher. Frederik versucht noch mich aufzuhalten, doch ich ignoriere alles um mich herum und fokussiere mich auf meinen Körper und blende die Schmerzen aus. „Warte! Alex!" Achtlos renne ich dem Arzt hinterher, bis ich ihn eingeholt habe. „Lass es mich dir erklären. Bitte!" „Da gibt es nichts zu erklären Louisiana! Du hast mich angelogen." Ich versuche verzweifelt nach seinem Arm zu greifen, aber er zieht ihn mir weg. Schluchzend flehe ich ihn an sich meiner anzuhören. „Ich wollte es euch nicht erzählen, weil ich genau vor diesem Ausdruck in euren Augen Angst hatte." Weinend und erschöpft lasse ich mich auf den Boden fallen. Ich merke, dass meine Wunde wieder aufgerissen ist, doch ich ignoriere den Schmerz, oder fühle ich keinen. Ich bin innerlich tot. Er wird mich verlassen und mich verabscheuen. Ich werde nie ein normales Leben führen können. Ich bin ein Versager. Ein Peiniger. Ich füge jedem Schmerz zu, den ich liebe. Das einzige, was ich kann ist kämpfen. Um mein Leben. Und mit dem Blut, dass aus meiner Wunde sickert, schwindet der Wunsch nach einem normalen Leben und die Kraft, meinen Dämonen zu entfliehen. Ich gebe auf. Innerlich wappne ich mich für einen weiteren Kampf ums Überleben. Ich werde zurück zu meinen Dämonen kehren, kraftlos, ihnen ein weiters Mal zu entkommen.

Coming home on the runWhere stories live. Discover now