Das 11. Geschenk: Von Papiertaschentüchern und sehr viel schlechtem Gewissen

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Wütend starrte Hermine auf das Geschenk in ihrer Hand. Sie konnte nicht glauben, dass Draco plötzlich wieder in sein altes Selbst verfallen war, doch das Papiertaschentuch, das sie aus dem Geschenkpapier ausgewickelt hatte, sprach Bände. Nicht nur, dass er gestern im Streit mit Harry und Ron irgendetwas über Blaise erzählt hatte, nun kehrten auch die sinnlosen Geschenke zurück. Oder war das von Anfang an sein Plan gewesen? Sie musste an die kurze Szene im Drei Besen denken, als er ihre Hand ergriffen und ernsthaft getan hatte, nur um dann sofort in Gelächter auszubrechen. War sein Verhalten in den letzten Tagen genauso gemeint? Und steckte Blaise mit ihm unter einer Decke?

Nein, zumindest in dem Punkt war Hermine sich sicher: Blaise war ihr gegenüber aufrichtig gewesen, seine Gefühle definitiv ernst gemeint und echt. Was also war in Draco gefahren? Sie kam sich dumm vor, für heute und den nächsten Tag zwei teure Geschenke gekauft zu haben. Die Holzbox, zu er sie ihm bereits einen Schlüssel geschenkt hatte, würde Pflege brauchen, hatte Mr. Higgs gesagt, deswegen hatte sie Draco für heute Holzpolitur besorgt, die genau für die Holzart gedacht war. Beides war nicht billig gewesen, doch Dracos Verhalten in den letzten Tagen hatte ihr das Gefühl gegeben, dass es sich lohnte. Und nun?

"Hermine?"

Die unsichere Stimme von Harry neben ihr hätte Hermine beinah zur Weißglut gebracht - wieso sprachen ihre Freunde entweder unhöflich oder extrem verschüchtert mit ihr? Wieso konnten sie nicht einfach wie früher ganz normal mit ihr reden?

"Was ist?"

"Können wir ... später mal zusammen reden?", fragte Harry vorsichtig, "Ich glaube, in der letzten Woche ist viel schief gelaufen und ich würde das gerne aufklären."

Genervt und unwillig, sich jetzt mit ihren beiden Freunden zu beschäftigen, erwiderte Hermine: "Nicht jetzt. Ich will erst raus finden, was Draco mit dem, was er zu euch gesagt hat, gemeint hat."

"Ist dir Malfoy jetzt wichtiger als wir?", fuhr Ron sie von gegenüber erbost an. Mit vor unterdrückter Wut zitternder Stimme entgegnete Hermine: "Nein, aber er ist so ziemlich der Hauptgrund, warum wir drei uns streiten. Das würde ich gerne erstmal klären."

"Mh", machte Harry, doch beide drängten sie nicht weiter. Erleichtert wandte Hermine sich wieder ihrem Toast zu, doch so richtig viel Appetit wollte sich nicht einstellen. Sie hatte wenig geschlafen in der letzten Nacht, zu viel war am vorigen Tag passiert. Das Geständnis von Blaise hatte ihr geschmeichelt, aber gleichzeitig wusste sie, dass es ihre Beziehung zumindest eine Zeit lang erschweren würde. Und dann der Streit mit Ron und Harry über Draco und Blaise. Sie wurde das Gefühl nicht los, dass Draco ihre beiden Freunde regelrecht aufgehetzt hatte, damit sie Blaise etwas antaten. Nur warum? Warum sollte er seinem besten Freund Böses wollen? Und jetzt dieses Geschenk, falls man es überhaupt als solches bezeichnen konnte. Es war, als wäre der Draco, den sie in den letzten vier Jahren kennen gelernt hatte, wieder gekehrt und der Draco, den sie in den letzten Tagen meinte entdeckt zu haben, hätte nie existiert.

Aus dem Augenwinkel sah sie, wie Draco alleine den Slytherin-Tisch verließ und aus der Großen Halle Richtung Ländereien ging. Ohne ein Wort des Abschiedes sprang Hermine auf und folgte ihm. Auf den Stufen, die runter zum Quidditch-Feld führten, hatte sie ihn eingeholt.

"Malfoy!"

Hermine sah, dass er zusammen zuckte, als er ihre Stimme hörte, doch er drehte sich nicht um, sondern blieb einfach stehen. Sie trat an ihn heran, doch noch immer machte er keine Anstalte, sich ihr zuzuwenden.

"Kannst du mir mal erklären, was das ganze Theater soll?", verlangte sie zu wissen. Nun drehte er sich doch um, und Hermine sah, dass sein Gesicht von Wut verzerrt war: "ICH soll mich erklären? DU bist doch diejenige, die sich daneben verhält."

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