Das 6. Geschenk: Von Weihnachtsgeschichten und Kartoffelsuppe

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Das Glas schimmerte leicht im Licht der aufgehenden Morgensonne, die durch die großen Fenster in die Halle schien. Die Stiel, vollkommen aus Silber gefertigt, stellte eine sich windende Schlange dar, die auf ihre Kopf das eigentliche Glas balancierte. Die Konstruktion sah so zerbrechlich und filigran aus, dass Draco beinahe Angst hatte, es nach dem Auspacken noch einmal anzurühren. Wer auch immer ihn beschenkte, besaß offensichtlich Geschmack und ein gutes Auge dafür, was ihm gefallen könnte. Er war selbst überrascht, wie viel Gefallen er an all diesen Geschenken fand – vorher hatte er sich nie für schöne Sachen interessiert, was er besaß, musste praktisch sein. Doch die Schultasche, die er am Vortag bekommen hatte, ebenso wie dieses Glas waren Alltagsgegenstände, die ob ihrer Zerbrechlichkeit eigentlich unpraktisch waren und ihm dennoch gefielen.

Zufrieden schaute er sich um. Heute konnte er das Geschenk erneut genießen, ohne ein schlechtes Gewissen haben zu müssen. Es war nichts Besonderes, was er sich für Hermine ausgedacht hatte, tatsächlich hatte er nur ein Leder-Notizbuch verschenkt ähnlich dem, dass er selbst zu Beginn erhalten hatte. Trotzdem würde sie nicht da sitzen und sich ärgern, während er sich über sein Geschenk freute. Die Geschehnisse der letzten Tage hatten seine Gedanken über die Wichtel-Aktion verändert. Er verspürte kein Interesse mehr, Hermine zu verletzten mit den Geschenken.

Während sein Blick durch die Große Halle schweifte, bemerkte er eine Bewegung am Gryffindor-Tisch. Hermine hatte ihr Geschenk ausgepackt und sich vorsichtig zu ihm umgedreht. Auf die Entfernung konnte er nicht sicher sein, doch es wirkte, als würde sie ihm amüsiert zulächeln. Er verstand nicht, was genau sie so lustig fand, doch immerhin war sie tatsächlich nicht wütend. Er deutet ein Nicken an, dann wandte er sich wieder dem Gespräch am Tisch zu.

oOoOoOo

Wie so oft die letzten Tage wanderte Hermine alleine ins Dorf hinunter. Nach den Ereignissen des Vortages hatte sie kein Interesse mehr daran, die Zeit mit Harry, Ron, Ginny und Lavender zu verbringen. Es stimmte, was Blaise und Draco sagten: Sie war nicht freiwillig alleine, aber wenn sie wählen konnte, zog sie dies hier definitiv dem Gefühl, als fünftes Rad am Wagen zu stören, vor. Und wenn sie ehrlich zu sich war, hatte sie nicht einmal schlechte Laune. Das Geschenk, das sie heute von Draco erhalten hatte, war wenig kreativ – vermutlich basierte die Idee auf dem Notizbuch, dass sie ihm anfangs geschenkt hatte, was das Ganze sehr amüsant machte – aber immerhin war es keine erneute Beleidigung. Sie wusste nicht, ob es so gemeint war, aber sie interpretierte es als Friedensangebot.

„Hey, Hermine! Bleib doch mal stehen!"

Überrascht hielt sie an und drehte sich um. In einiger Entfernung hinter ihr kam Blaise winkend angerannt, das Gesicht gerötet von der Kälte und der Anstrengung, und offensichtlich aus der Puste seinem Keuchen nach zu urteilen. Als er bei ihr ankam, holte er einige Male tief Luft, ehe er sagte: „Junge, bist du schnell unterwegs. Ich habe dich aus dem Schloss gehen sehen und dachte mir, ich geselle mich dazu ... aber wenn ich nicht gerannt wäre, hätte ich dich nie eingeholt. Puuuh."

Hermine kicherte: „Tut mir leid, wenn ich gut gelaunt bin, neige ich dazu, sehr große Schritte zu machen. Mir ist dann immer nach Bewegung."

Blaise lächelte sie an und setzt dann gemeinsam, aber langsamer als zuvor, den Weg mit ihr fort: „Du bist also gut gelaunt?"

„Ja, in der Tat", erwiderte sie, „und rate mal, wessen Verdienst das ist."

„Na, Potter und Weasley waren es bestimmt nicht. Ich habe gesehen, wie die zwei dich gestern zugunsten ihrer neuen Freundinnen vernachlässigt haben."

„Erinnere mich bloß nicht daran!", sagte Hermine mürrisch, „Sonst kriege ich nur wieder schlechte Laune. Aber du hast Recht, die zwei waren es nicht. Und vermutlich kommst du sowieso nicht drauf. Dein guter Freund Malfoy hat's angerichtet."

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