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17.06.2020

»Jimin?« Er konnte es langsam nicht mehr hören. Wieso? Wieso sprach Jin seinen Namen immer so voller Trauer und Reue aus? Wieso sah er ihn immer so an, als wäre er eine Enttäuschung für ihn? Jimin drehte sich etwas um, im Türrahmen stand Jin und hielt etwas in seiner Hand. Ihm wurde dabei ganz unwohl und er wandte seinen Blick ab, tunkte seinen Pinsel in die Farbe und strich damit über die Leinwand. Dreh dich wieder um und verschwinde aus meinem Zimmer. Seufzend ging Jin zum Jüngeren, setzte sich neben ihn auf den Teppich und war ihm dabei ganz nah. Er konnte seinen Atem im Nacken spüren und er ahnte bereits worauf das Gespräch hinauslief. »Dir hat da jemand einen Brief geschickt.« Jimin hielt bei den vorsichtigen Pinselstrichen inne und starrte auf die schwarze Leinwand.

»Geh raus.«, hauchte er leise und rückte von Jin weg, nahm sich einen Becher Wasser und säuberte seinen Pinsel darin. »Es ist von Yoongi.« Jimin presste seine Lippen aufeinander, reagierte aber nicht darauf und suchte sich einen feinen Pinsel aus. Seine Hand zitterte leicht, während er nach der Farbe griff. »Ich lege es dir hier hin, okay? Ich glaube das wird der letzte Brief von Yoongi sein. Bitte lies ihn dir wenigstens einfach durch.« Jin stand wieder auf, fuhr Jimin kurz durch seine Haare und ließ ihn dann alleine. Still gab Jimin einen Kleks weißer Farbe auf ein Stück Pappe, mischte es zu einem dunklen Grau und ließ die Haare des Pinsels über die Leinwand fahren.

Nach zwanzig Minuten senkte Jimin langsam den Pinsel auf die Pappe, starrte leer auf die dunklen Farben und verspürte wieder dieses bedrückende Pochen hinter seiner Schläfe. Er hatte doch den Beamten verboten die Briefe von Yoongi an ihn weiterzuleiten. Wieso verstanden sie es nicht? Schweigend ließ er seinen Blick zum Briefumschlag gleiten, nahm ihn dann vorsichtig in seine Hände und befleckte ihn mit der schwarzen Farbe an seinen Fingern. Sein Name stand auf der Rückseite geschrieben, die Tinte war ein glitzerndes Silber. Jimin riss vorsichtig den Umschlag auf, schüttete den Inhalt auf seinen Schoß. Er erblickte einen gefalteten Brief, ein Foto und eine Karte. So ähnlich wie eine Geburtstagskarte, nur in weiß gehalten. Jimin nahm den Brief in seine Hände, starrte auf diesen und zerknüllte ihn dann.

Er warf den Brief in die Ecke seines Zimmers, sah diesem noch kurz hinterher und hatte es dabei schwer sein stark schlagendes Herz auszublenden. Schluckend nahm er das Bild, drehte es um und erblickte vier Männer auf diesem. Drei Fremde und Yoongi. Sie standen nebeneinander vor einer Backsteinwand, grinsten in die Kamera. Über und unter den Insassen wurden mit einem Edding deren Namen hingeschrieben, die sich Jimin schnell durchlas; Binyan, Tig, Yoongi, Jehn. Er sah sich die Männer an, welche sich in einer weiten Alterszeitspanne befanden. Tig könnte der Vater von Binyan sein, so unterschiedlich alt sahen sie aus. Er legte das Bild zur Seite, griff nach der Karte und öffnete sie.

In ihr befand sich eine gepresste, getrocknete weiße Rose, welche mit dünnem Klebeband an das dicke Papier befestigt war. Jimin betrachtete die Blumen, strich über die rauen Blüten und den Stiel. Weiteres war auf der Karte nicht aufzufinden. Lange sah er einfach die Blume an, ehe er vorsichtig die Rose von dem Papier löste und das Klebeband entfernte. Er stand schnell auf, holte sich neues Tesafilm und befestigte die Rose in der Mitte seiner schwarzen Leinwand. Er lächelte schwach, griff nach der nun leeren Karte, dem Bild und dem zerknüllten Brief in der Zimmerecke. Jimin ging zu seinem Mülleimer, musterte noch ein letztes Mal das Foto, ehe er alles weg schmiss und seine Aufmerksamkeit wieder seinem Gemälde zuwandte.

𝐂𝐀𝐋𝐋 𝐌𝐄, 𝐏𝐋𝐄𝐀𝐒𝐄! 𝟐 ✓Where stories live. Discover now