zwei

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Dem Flugticket nach war ihre Sitznummer Reihe 38 Sitz F. Der Raum in der Economy Class bestand aus 30 Reihen Sitzen, durch die zwei Gänge gingen. Es saßen also pro Reihe jeweils zwei Personen in Fensternähe und drei im Gang des Flugzeugs. Kellys Sitz befand sich auf der rechten Seite am Fenster. Das Flugzeug war schon einigermaßen gut gefüllt. Kelly ging schmachtend an den Sitzen der First Class vorbei und verfluchte sich innerlich dafür, nicht doch dort gebucht zu haben. Die Sitze waren fast doppelt so groß und breit wie die Sitze weiter hinten in den unteren Klassen und man hatte deutlich mehr Beinfreiheit. Seufzend begab sie sich zu ihrem Platz und verstaute ihr Gepäck in den dafür vorhergesehenen Schränken an der Decke. Sie ließ sich auf ihrem Platz nieder und starrte gedankenverloren auf den Sitz vor ihr.

"Entschuldige", sagte eine männliche Stimme und ließ sie aus ihrer Starre hochschrecken. "Ich müsste hier rein." Kelly hob den Kopf und sah in stechend grüne Augen. Sie stand auf und lächelte verlegen. Sie schätzte den Jungen der sich nun in seinen Sitz zwängte auf ungefähr 18 Jahre. Er war ein gutes Stück größer als sie und hatte dunkelbraune Haare.

"Ich bin übrigens Jeremy. Ich dachte ich stell mich gleich mal vor, bevor wir hier 13 Stunden herumsitzen und alles irgendwie unangenehm wird." Kelly lachte.

"Ich bin Kelly. Wo fliegst du hin?" Sie unterhielten sich eine Weile über ihre Reiseziele und das Mädchen erklärte Jeremy, dass sie eigentlich kein Ziel habe. Sie hatte sich für den Flug von London nach Los Angeles entschieden, weil er von der Zeit her gut als Anschlussflug funktionierte, was sie machen würde, wenn sie in LA angekommen war, wusste sie auch jetzt noch nicht. Jeremy flog nach Calabasas um den Sommer mit der Familie seiner Tante zu verbringen.

"Falls du doch in Los Angeles bleibst", Jeremy holte einen Notziblock heraus und kritzelte schnell ein paar Nummern darauf, "hier ist meine Telefonnummer. Vielleicht kannst du mich ja besuchen kommen." Kelly nahm dankend an. Es würde bestimmt nützlich sein, jemanden in dem fremden Land zu kennen.

Durch die Sprechanlage forderte die Stewardess alle Passagiere auf, ihre Lehnen aufrecht zu stellen und sich anzuschnallen. Das Flugzeug würde in Kürze abheben.

Kelly schloss die Augen und lehnte sich in ihrem Sitz zurück. Jetzt geht das Abenteuer los, dachte sie mit einem mulmigen Gefühl im Bauch und redete sich ein das dieses nur vom Start der Maschine kam.

Als sie endlich in der Luft auf einer gewissen Höhe waren, wurde das Anschnallen-Zeichen abgeschaltet und und die Stewardessen begannen, Getränke auszuschenken.

Erleichtert stand Kelly auf. Der Kaffee vor dem Flug war nicht die beste Entscheidung ihres Lebens gewesen. Sie schnappte sich ihre Tasche und verschwand in einer der winzigen Toilettenkabinen. Nachdem sie sich erleichtert hatte, betrachtete sie sich im Spiegel. Sie hatte große Ähnlichkeit mit ihrer Mutter, das hatte sie auf der Beerdigung so viele Male zu hören bekommen. Aber Kelly war anderer Meinung. Ihre Mutter war eine bildhübsche Frau gewesen. Die langen dunklen Haare standen im Kontrast zu ihren  eisblauen Augen. Der schmalen Nase folgte ein perfekt geformter Herzmund der fast immer zu einem Lächeln verzogen war. Sie selbst dagegen sah im Spiegel die etwas zu buschigen Augenbrauen, den Höcker auf der Nase und die leicht abstehenden Ohren. Sie hielt sich nie für hässlich, aber das Menschen sie mit ihrer Mutter verglichen, hatte sie immer als Spott empfunden. 

'Positiv denken, Kelly!' dachte sie, frischte ihr Makeup auf und machte sich auf den Weg zurück zu ihrem Platz.

Dort erwartete sie schon eine junge Stewardess, die aufgelöst Entschuldigungen stotterte.

"Miss, es tut mir so Leid. Ich habe aus Versehen die Kaffeekanne über ihren Sitz geschüttet. Ich werde mich sofort darum kümmern, dass sie einen trockenen Platz bekommen. Bitte warten sie einen Moment. Ich bin gleich zurück." Ein guter Anfang, dachte Kelly und ließ sich auf der Lehne ihres Sitzes nieder.

"Jetzt hast du keinen Sitz und ich keinen Kaffee", scherzte Jeremy. "Schade, ich hätte gern weiter neben dir gesessen. Vergiss nicht, mich anzurufen!" Er lächelte ihr zu und setzte dann seine Kopfhörer auf.

"Miss, ich der einzige freie Platz befindet sich in der First Class. Aufgrund der Umständlichkeiten möchten wir ihren Flug in der Economy Class gerne auf die Erste Klasse verlegen. Wenn sie mir folgen würden."  Die Stewardess lächelte einstudiert und lief voraus.

Kelly hüpfte vergnügt hinter ihr her. First Class, First Class, sang sie im Kopf vor sich hin.

"Hier ist ihr neuer Sitzplatz. Entschuldigung noch einmal, für die Umstände."

Kelly lächelte, beteuerte, dass es kein Problem sei und setzte sich in den furchtbar bequemen Sessel. Sie schloss die Augen und atmete einmal tief durch.

"Hi, my name is Niall." Sie hörte die Stimme, schlug die Augen auf und seufzte überrascht auf beim Anblick des Jungen, der nun 13 Stunden neben ihr sitzen würde.

It Started In Heaven (German)Where stories live. Discover now