Eine gestohlene Nacht!

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6. Oktober 1759



Ich ging ziellos durch die Straßen,doch irgendwann stand ich vor den Toren des Forts Arsenal undüberlegte, was ich jetzt tun sollte. Kurzerhand klopfte ich und Mrs.Marge öffnete mir und brachte mich lächelnd zum Hausherrn. Diesersaß an seinem Schreibtisch und brütete über Verträgen und Karten,denn auch bei ihm war einiges liegen geblieben in den letzten Tagen.


„Master Kenway, mit euch habe ichheute nicht mehr gerechnet." kam es erstaunt von dem Iren und ersah mich fragend an. „Ich hatte eigentlich auch nicht vor, hier zuerscheinen, Shay! Ich wollte mir nur... die Beine vertreten!"stammelte ich ein wenig, etwas das für mich eigentlich untypisch istund mir ein wenig unangenehm war. Jedoch entging Shay meineUnentschlossenheit nicht und reagierte wie selbstverständlich mitder Frage, ob ich etwas trinken wollte.


Kurz darauf saßen wir beide hier undsprachen dem Whiskey in nicht unbedingt kleinen Mengen zu, währendmein Patenkind sich die Plätzchen einverleibte, als gäbe es morgenkeine mehr. Irgendwann weiß ich nur noch, dass mich eine wütendekleine Schwester zurechtwies und mich beschuldigte, an dem Zustandihres Mannes schuld zu sein. Meine Erklärung, warum ich bereits vordem Mittag mit dem Trinken angefangen hatte, war erbärmlich undhörte sich lächerlich an. Das war ich eigentlich nicht. „Haytham,dass nennt man Liebeskummer. Dagegen habe ich aber keine Medizin.Denk einfach daran, dass Alex wieder zu dir zurück kommen wird."kam es leise von Faith, doch in diesem Moment tat es einfach weh undich würde alles dafür geben, noch eine Nacht an der Seite von Mrs.Frederickson sein zu können. „Dann segle ihr hinterher. Dochvorher solltet ihr wieder nüchtern werden. Denn in diesem Zustandihres Kapitäns kommt die Morrigan keinen Meter weit."


Und damit fand ich mich in meinemZimmer im Arsenal wieder und im Bett. Ich schlief zwar schnell ein,aber wirklich erholsam war es nicht, denn ich hatte die schlimmstenBilder im Kopf. Es könnte sein, dass die Jackdaw auf eineunsichtbare Sandbank läuft, dass sie beschossen wird unduntergeht... Irgendwann weckte mich dann meine kleine Schwester mitden Worten, es sei schon spät und wir sollten uns auf den Wegmachen.


Nur einen Moment später stand ich aufder Brücke der Morrigan neben Master Cormac und war aufgeregter alsein kleines Kind vor Weihnachten. Ich benahm mich wirklich wie einverliebter törichter Bengel, was hatte diese Frau nur aus mirgemacht? „Master Kenway, die Frauen haben eine gewisse Macht überuns, auch wenn wir sie nicht immer direkt zu spüren bekommen. Dochsie ist da und bleibt." grinste mich unser neuestes Ordensmitgliedan. „Da habt ihr vermutlich recht, Master Cormac. Ich werde michwohl noch daran gewöhnen müssen." erwiderte ich leise und sah inRichtung des Horizonts, welcher langsam dunkel wurde.


Und wieder einmal tigerte ich aufdiesem Schiff herum, weil ich nicht wirklich etwas zu tun hatte. Alsobeschloss Shay, mich in die Techniken des Segelns einzuführen.Schaden konnte es nicht, auch wenn ich es etwas merkwürdig fand,mich von IHM unterweisen zu lassen. Doch es lenkte mich ab und esmachte tatsächlich Spaß, auch wenn ich noch weit entfernt von demTitel eines Kapitäns bin.


Die Nacht verlief ohne Zwischenfälleund wir kamen gut voran, laut Aussage von Master Cormac. Die exaktePosition oder Route der Jackdaw kannten wir nicht, doch auch dafürhatte Shay einen Plan, denn er vermutete, dass sie sich einenabgelegenen Ort suchen mussten. Denn der Übertritt sollte jaungesehen von Statten gehen und somit hatte er den Kurs entsprechendberechnet, so dass wir vermutlich morgen Abend auf die Brig treffensollten. Die Morrigan war kleiner und schneller und so hoffte ich,dass er Recht behielt.

Das Tagebuch des Haytham E. Kenway - Die verlorenen Seiten - Part 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt