Ares (5) - ich rede mit Ares' Hund... ja, ich bin verrückt geworden

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Ich verbrachte den ganzen Tag in der Natur. Es beruhigte mich, ließ mich für kurze Zeit alle Sorgen vergessen. Aiko hatte mich, kurz bevor ich den Waldrand erreicht hatte, eingeholt, und lief nun treudoof neben mir her. Ich hätte nie gedacht, dass Ares' Hund mich mögen könnte. Ich hätte auch nie gedacht, dass ich Ares je mögen könnte - Moment! Was?! Das hatte ich jetzt nicht ernsthaft gedacht! Ares und ich? Nein! Was für ein dämlicher Gedanke! Obwohl ich zugeben musste, dass ich mich langsam an ihn und seine arrogante Art gewöhnte. Aber das hieß noch lange nicht, dass wir Freunde waren.

Ich kämpfte ein bisschen mit den Zwillingen - einige Bäume hatten darunter sehr zu leiden - und warf ab und zu einen Stock, damit Aiko was zu Rennen hatte. Als wir eine kurze Pause einlegten, setzte ich mich auf einen ausgefallenen Baumstamm und der Hund ließ sich vor meinen Füßen nieder. In Gedanken verloren streichelte ich ihm übers Fell.

"Weißt du", begann ich zu reden, obwohl ich wusste, dass der Labrador mich weder verstehen, noch mir antworten konnte. "Dein Herrchen und ich... das geht weit zurück. Ich hatte ihn nie sonderlich gemocht. Es hat mich genervt, dass er immer den ganzen Ruhm für die Siege in den Kriegen erhalten hatte, obwohl ich mindestens genauso viel dazu beigetragen hatte." Ich schnaubte, als ich daran zurückdachte. Ares von allen Göttern - vor allem von Zeus - gelobt und ich stand einfach daneben und starrte hasserfüllt zu dem Kriegsgott.

"Mit der Zeit hatte ich mich daran gewöhnt und es akzeptiert. Ich hab mein eigenes Leben außerhalb des Olymps aufgebaut, ohne die anderen Götter. Hab mich nicht um andere Leute geschert, sondern mein eigenes Ding durchgezogen. Zu den Schlachten bin ich immer zurückgekommen und hab im Schatten dafür gesorgt, dass die Götter gewannen. Ohne mich wären sie schon längst dem Erdboden gleichgemacht." Ich schnaubte nochmal verbittert und Aiko legte den Kopf schräg, um mich mit seinen unschuldigen Hundeaugen zu betrachten.

"Wie es dazu kam, dass Zeus es auf mich abgesehen hat, fragst du?" Ich konnte nicht fassen, dass ich wirklich mit einem Hund redete - und dann auch noch mit Ares' Hund. "Tja, ich hatte angefangen, mich unter den Menschen aufzuhalten. Eigentlich hatte ich sie immer verabscheut, aber mir wurde langsam langweilig auf dem Olymp. Da oben ist nicht viel los, nur ab und zu kamen ein paar Halbgötter, mehr aber auch nicht. Also hab ich angefangen, in New York ziellos durch die Gegend zu laufen und die Sterblichen zu beobachten. Eventuell hab ich dann mitten auf dem Time Square mit meinen Messer herumgefuchtelt - der Nebel verdeckt sie ja vor den Sterblichen - und dann kam es, wie es kommen musste und eines meiner Messer steckte in einem Sterblichen. Ups." Ich zog eine Grimasse und Aiko winselte leise.

"Genau, Zeus ist ausgerastet und hat mich sofort auf den Olymp berufen. Er wollte mich sterblich machen, damit ich mal am eigenen Leibe erfuhr, wie es ist, einer zu sein, aber das konnte ich doch nicht zulassen. Ich hab das einzige getan, was mir aus dieser misslichen Lage befreien könnte. Keiner hätte das von mir erwartet - ich selbst hatte nicht erwartet, so etwas je zu machen. Ich bin auf Zeus zu gesprungen und hab ihm das Giftmesser in den Hals gerammt." Der Hund wimmerte erneut und fuhr sich mit der Pfote über die Schnauze, als wollte er sagen: Wie dumm kann man eigentlich sein?!

"Ja, das frag ich mich auch", antwortete ich. "Jedenfalls war er dann einige Momente bewusstlos, sodass ich mich aus dem Staub machen konnte. Danach hatte es ein ziemlich heftiges Gewitter gegeben. Er war nun richtig wütend - noch wütender als eh schon, weil ich diesen Sterblichen ausversehen erstochen hatte. Und von da an begann die Jagd." Ich blickte auf Aiko hinunter und wartete darauf, dass er etwas erwiderte. Dann ging mir auf, dass er ja nicht sprechen konnte und hätte mich selbst für meine Dummheit schlagen können.

Ich seufzte und stand auf. "Komm, Aiko! Wir gehen zurück. Vielleicht ist dein Herrchen ja schon zurück." Der Hund bellte enthusiastisch und wedelte mit seinem Schwanz. Ich lachte leise über seine Reaktion. Solange er mich nicht anknurrte, weil ich Mordgedanken gegenüber Ares hegte, konnte das Tier echt lieb und süß sein. Aber nur weil Aiko dem Kriegsgott gehörte, hieß das nicht, dass diese Eigenschaften auch auf ihn zutrafen.

Ich lief gemächlich zwischen den Bäumen entlang, ohne zu wissen, wo es zurück zum Bunker ging. Aiko trottete vor mir her und ich hoffte, dass er nicht ganz so ahnungslos war wie ich.

Ein schriller Schrei riss mich aus meinen Gedanken. Ich fuhr erschrocken herum und griff hastig nach den Zwillingen. Doch es war zu spät und die scharfen Krallen einer Harpyie bohrten sich in meine Augen. Wieso hatte ich das Vieh nicht früher bemerkt? Normalerweise war ich nie so abgelenkt. Ich schrie vor Schmerz auf und taumelte zurück. Seit wann waren Harpyien bitte so schlau, dass sie gezielt die Schwächen ihrer Gegner angriffen? Und sie hatte gerade einen Volltreffer bei mir gelandet. Ich konnte überhaupt nicht - kein bisschen - ohne etwas zu sehen, kämpfen. Ich spürte, wie Ichor meine Wangen wie Tränen herunterlief. In der Hoffnung dass sie so schneller heilen würden, kniff ich die Augen fest zusammen. Ein weiterer Schrei der Harpyie ertönte - sie startete erneut einen Angriff. Beinahe panisch hob ich meine Messer. Ich hatte mich noch nie nur auf mein Gehör verlassen können. Warum wusste ich nicht - es war einfach nicht möglich. Jetzt blieb mir allerdings nichts anderes übrig. Ich versuchte, mich zu konzentrieren, doch ein einziger Satz dominierte meinen Kopf: Das wird schiefgehen!

Meinem Bauchgefühl nach zu urteilen, sollte die Harpyie sich... jetzt in meiner Nähe befinden. Ich schlug einmal blind um mich und traf... absolut nichts. Der nächste schrille Schrei klang wie schadenfrohes Gelächter. Zu meiner Rechten hörte ich Aiko bellen. Ich wusste nicht warum, aber ich wollte nicht, dass sich der Hund verletzte. Deswegen rief ich ihm zu: "Verschwinde, Aiko! Sie wird dich töten!" Ich war unsterblich, der Hund, glaub ich, nicht. Außerdem würde Ares mir das bestimmt übel nehmen, falls Aiko etwas zustieß. Und ich konnte nicht zulassen, dass es mir in meinem nächsten Kampf nicht gelingen würde, meine Waffen zu heben, weil der Kriegsgott sie verflucht hatte. Im Nachhinein wäre es für mich klüger gewesen, den Hund nicht wegzuschicken. Vielleicht hätten sich dann meine Chancen erhöht, nicht von der Harpyie zerstückelt zu werden. Aber jetzt war es zu spät.

Ich war nicht darauf vorbereitet, als sich Krallen in meine Brust bohrten. Ich brüllte vor Schmerz und packte reflexartig die Krallen der Harpyie, um sie daran zu hindern, tiefer in meine Brust einzudringen. Dabei fielen mir die Zwillinge aus der Hand, landeten beinahe lautlos auf dem mit Blättern bedeckten Boden. Ich hatte keine Chance. Vermutlich würde sie mich zu Zeus bringen, der sie bestimmt geschickt und ihr den Tipp mit den Augen gegeben hatte. Diesmal, musste ich mir eingestehen, hatte ich verloren.

Ares - Freund oder FeindWhere stories live. Discover now