Ares (1) - zufälliges Treffen?

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Das Café war abgelegen und heruntergekommen. Mich wunderte es, dass darin noch Licht brannte und ein entspanntes Treiben herrschte. Eigentlich war ich meist darauf bedacht, mit möglichst wenig Menschen, Göttern und anderen Wesen in Kontakt zu kommen – es könnte ja sein, dass sie mit meinem lieben Vater unter einer Decke steckten -, aber ich hatte mir eine Pause von dem ewigen Weggerenne verdient. Also betrat ich das Lokal und setzte mich an einen der weniger dreckigen Tische in der Ecke. Es war nur schwach von einer flackernden Lampe beleuchtet und da es draußen bereits dunkel wurde, konnte durch die großen Fenster auch nicht viel mehr Licht in den Raum gelangen. Es schien, als wäre es früher mal ziemlich prachtvoll und einladend gewesen, aber diese Tage waren längst vorbei. Heute kam eine gelangweilte Bedienung in einer dreckigen Schürze zu mir rüber und fragte unhöflich, was ich bestellen wollte. Ich sagte ihr, ich hätte gerne einen Kaffee, auch wenn ich ihn nicht trinken würde - das Zeug schmeckte widerlich -, und sie verschwand wieder. Ich lehnte mich auf der Bank mit dem zerschlissenen Polstern zurück und betrachtete das Geschehen um mich herum. Ein alter Mann mit mufflig aussehenden Klamotten saß mit einer Zeitung, die aussah, als hätte er sie aus dem Müll gefischt, an einem Tisch etwas entfernt von mir und nippte an einer Tasse. Ansonsten war der Laden mit Ausnahme der zwei Bedienungen leer. Ich hatte die Menschen nie wirklich gemocht, eher verabscheut. Sie waren so schwach und langweilig. Eventuell hatte ich mir auch kleine Späße mit ihnen erlaubt – ein paar Erblindungen hier, ein paar gebrochene Knochen dort – nichts Großes, niemandem war es aufgefallen. Aber als es dann den ersten Toten gab - ein Versehen meinerseits -, konnte Papi nicht mehr wegsehen. Ich grinste grimmig in mich hinein. Wir durften uns nicht in die Angelegenheiten auf der Erde einmischen, hörte ich ihn sagen und verdrehte innerlich die Augen. Zeus war nie der Vater gewesen, den ich mir gewünscht hatte. Wir waren zu unterschiedlich und er hatte mich nie verstanden. Er hatte mich nie als ebenbürtig geachtet...

Gerade kam die Bedienung und stellte wortlos eine dampfende Tasse mit schwarzer Plörre vor mir auf den Tisch. Ich beachtete sie nicht, genauso wenig wie sie mich. Ich griff in die Innentasche meiner schwarzen Jacke und holte ein Stück Ambrosia hervor. Für Sterbliche mag es aussehen wie ein gewöhnlicher Keks, aber es war so viel mehr. Ich steckte mir ein Stück in den Mund und kaute nachdenklich darauf herum. Ich überlegte, wie ich weiter vorgehen werde und wohin ich als nächstes fliehen könnte.

Plötzlich zog ein dröhnendes Motorengeräusch meine Aufmerksamkeit auf sich. Ich blickte durch eines der Fenster auf die Straße und sah, wie ein schwarz-rotes, großes, protziges Motorrad vor dem Café hielt. Ein großer, muskulöser Mann stieg ab. Er hatte keinen Helm auf, nur eine getönte Sonnenbrille. Mit einem auf einmal aufgetauchten Baseballschläger über die Schulter geworfen, schlenderte er lässig in das Lokal. Sofort drehten sich alle zu ihm um. Der alte Mann blickte von seiner Zeitung auf und starrte den Neuankömmling mit großen Augen an. Die Bedienungen ließen alles stehen und liegen und warfen sich ihm förmlich vor die Füße. Er wies sie grinsend ab und so schnell sie erschienen waren, verschwanden die beiden jungen Frauen wieder. Ich verschränkte die Arme vor der Brust und verdrehte die Augen. Mit seiner schwarzen Lederjacke und den breiten Stiefeln hatte ich ihn sofort erkannt. Das konnte nur Ärger bedeuten, aber fürs Abhauen war es bereits zu spät, weshalb ich einfach wartete, bis er sich mir gegenüber hingesetzt hatte.

„Hey, Süße!", grüßte er mich mit allem Charme, den er besaß. Also nicht viel.

„Fresse, Ares!", knurrte ich, doch sein Grinsen wurde nur breiter. „Was willst du? Hat Vater dich geschickt?"

„Nö! Ich bin aus freien Stücken hier."

Ich zog eine Augenbraue hoch. Das sah ihm gar nicht ähnlich. „Was willst du dann?", fragte ich nochmal.

„Ich war halt gerade in der Gegend und wollte schauen, wie es meiner Lieblingsgöttin geht." Er nahm die Sonnenbrille ab und blickte mich aus seinen Flammen-Augen an – jedenfalls vermutete ich, dass er zu mir sah, dass konnte man wegen der fehlenden Pupillen ja sehr schlecht feststellen.

„Ich dachte Aphrodite wäre deine Lieblingsgöttin." Die beiden hatten ein schon Jahrhunderte laufendes Verhältnis.

„Quatsch! Aphrodite und ich... das ist... wie soll ich es sagen... langweilig geworden."

Ich schnaubte verbittert. „Und jetzt hast du mich als dein nächstes Opfer auserwählt?!" Schon bei dem Gedanken daran, Ares könnte an mir Interesse haben, wurde mir schlecht. Der Kriegsgott war mir viel zu überheblich und ein zu großer Arsch. Vielleicht sah er gut aus – mit seinen kurzen, schwarzen Haaren, die ordentlich nach oben standen und den muskulösen Armen -, aber nein! Er war der größte Arsch unter den Göttern – lieber würde ich mich auf diesen, fetten Idioten Dionysos einlassen. Obwohl...

„Ach komm, Süße..."

„Nenn mich nicht so!", fiel ich ihm harsch ins Wort.

„Ach komm, Larea, ich kenn ein Versteck, wo Vater dich niemals finden würde."

„Und warum sollte ich dir vertrauen?"

„Weil du keine andere Wahl hast." Wieder dieses selbstgefällige Grinsen. „Oder willst du weiter weglaufen. Wir wissen beide, dass er dich irgendwann schnappen wird."

Ich grummelte vor mich hin. Er hatte Recht und wenn es dann einmal so weit war, würde ich meinen persönlichen Tartaros erleben. „Na schön." Genervt und verärgert wandte ich mich von ihm ab. „Was habe ich schon zu verlieren?"

„Eben." Er stand auf und setzte sich die Sonnenbrille wieder auf die Nase.

Ich erhob mich geschlagen und folgte ihm widerwillig aus dem Lokal. Aus dem Augenwinkel nahm ich wahr, wie die Bedienungen uns mit offenem Mund nachstarrten, beziehungsweise Ares – den heißen, geheimnisvollen Biker (ich könnte kotzen).

„Und wo ist dein so tolles Versteck?"

„Wir müssen hinfahren." Er grinste mich frech an und ich schaute mürrisch auf das Motorrad. Hatte ich denn eine Wahl, als mit ihm auf dieses Ding zu steigen? Leider nicht. Er schwang sich darauf und sah mich abwartend grinsend an. Ich verdrehte stöhnend die Augen und setzte mich hinter ihn.

"Wenn du nicht runterfallen willst, solltest du dich an mir festhalten", rät er mir, doch meine Hände behielt ich bei mir. Lieber würde ich ihm Tartaros schmoren.

"Na gut, wie du meinst." Er lachte leise in sich hinein und ich schnaubte nur.

Er startete den Motor und mit einem plötzlichen Ruck fuhr er los, sodass ich überrascht nach hinten gedrückt wurde. Beinahe wäre ich wirklich runtergefallen, doch aus Reflex hatte ich mich um Ares' Hüfte geklammert. Er grinste mich über die Schulter selbstgefällig an und ich warf ihm einen vernichtenden Blick zu. Wenn ich die Fähigkeiten dazu hätte, wäre er jetzt tot umgefallen.

Ares - Freund oder FeindWhere stories live. Discover now