One Minute More | ᴸᵃʷˡᶤᵍʰᵗ ᶠᶠ

† K A P I T E L 5 †

Light verkniff sich sein siegessicheres Grinsen. Noch hat Mikami kein Zeichen gegeben. Der Braunhaarige musterte Near. In seinen Augen war er ein weißhaariger, kleiner Junge mit Spielzeug vor seiner Nase, und im Hintergrund seine Betreuer. Er war es nicht würdig, den Namen des ehemaligen weltbesten Detektiven zu tragen.

Je länger er ihn jedoch musterte, desto weniger sah er den weißhaarigen Jungen. Vielmehr begann er in ihm den schwarzhaarigen Detektiven zu sehen, in den er sich verliebt hatte.
Den Kira hasste, den Light liebte.

Sein Gesichtsausdruck wich von seiner Siegessicherheit ab, er wurde traurig. Ein stetiger Wechsel. Zum ersten Mal seit sechs Jahren kämpfte Light Yagami gegen die Macht Kiras an, zum ersten Mal schien er Kira zu unterdrücken.

Hinter Near sah er ihn schließlich. L. In diesem Augenblick schien die Zeit stillzustehen. L näherte sich Light, sein Gesicht von seinem schwarzen, unordentlichen Haar bedeckt. Dies war der Moment, in dem der Braunhaarige auseinander brach. Eine Flut von Tränen fanden ihren Weg über sein Gesicht, befeuchteten schließlich den Boden.
"Es tut mir leid, es tut mir so unendlich leid", schluchzte er. "Ich wollte dich nicht umbringen, Ryuzaki verzeih mir!"
L berührte den Jüngeren an der Wange, diese Wärme tat ihm gut. "L Lawliet", meinte er in einer beruhigenden Stimme.
Light sah verwundert zu dem Detektiven auf. "Das ist mein richtiger Name."

Light rappelte sich wieder auf, dann umarmte er ihn fest. Es fühlte sich so an, als würde er noch leben. "Verzeih mir", murmelte er noch einmal. "Du hast nichts verbrochen, Light", gab L zurück und strich behutsam durch seine Haare. "Und mach dir keinen Kopf, was jetzt passiert. Wir sehen uns im Himmel wieder." Er gab ihm noch einen letzten Kuss auf die Stirn, Light spürte ein letztes Mal seine warmen Lippen, dann verschwand der Ältere lächelnd.

Seine Umgebung nahm von alledem nichts wahr, sie sahen nur die Trauer in seinem Gesicht, die den Triumph so langsam aber sicher verdrängt hat.
"Meine Herren, ich wäre Ihnen verbunden, wenn Sie diese Halle verlassen würden und mich mit Herr Yagami alleine unterhalten lassen", sprach Near in einer kindlich klingenden Stimme. "Aber", wiedersprach einer seiner eigenen Leute, doch Near hob nur den Finger. "Keine Widerrede."
Murrend verließen sämtliche Polizisten die Lagerhalle, nur Near und Light blieben zurück.
"Ich möchte mich mit Light Yagami unterhalten, dazu müsste Kira auch den Ort hier verlassen."

Light ballte die Hände zu Fäusten, er versuchte, vereinzelte Tränen zu unterdrücken, er kniff die Augen zusammen. Nur schwach sah er, wie der Weißhaarige auf ihn zugelaufen kam. Er war um einiges kleiner als Light, dennoch versuchte er, die Hand tröstend auf seine Schulter zu legen.
"Ich bin mir nicht sicher, was du gerade fühlst, aber ich denke dass ich es weiß", sprach er monoton.
Das gab Light den Rest.
Er begann zunächst leise zu schluchzen, sank auf die Knie und wurde von Near gestützt. Eine Umarmung entstand, und egal wie sehr der Braunhaarige ihn hasste, diese Umarmung tat gut.

"Wenn ich verlieren würde, dann lieber gegen L. Er hat diesen Erfolg mehr verdient", nuschelte er durch zusammengebissenen Zähnen. "Und ich habe ihn getötet."
Near klopfte dem Älteren auf den Rücken. "Nein. Kira hat ihn getötet, nicht Light Yagami. Und ich bin mir sicher, dass er das da oben auch weiß", meinte er beruhigend.
"Nichts desto trotz besteht die Gefahr, dass Kira wieder Überhand nimmt, weshalb du jetzt verhaftet bist."

Light entzog sich der Umarmung, und dann ging alles ganz schnell:
"Niemals wird sich der Gott der neuen Welt von einem Knirps wie dir besiegen lassen!", schrie er hysterisch, Kira hatte wieder die Kontrolle erlangt. Matsuda trat wütend ein und schon spürte Light, wie sich das Geschoss in seine Schulter bohrte. Und noch eins. Matsuda schrie nun wütend, wurde von Aizawa und Mogi zurückgehalten. Dann ergriff er die Chance und flüchtete aus dem Gebäude.
Unaufhörlich rannte er, orientierungslos rannte er, bis er sich mühsam auf eine Treppe schleppte.
Er wusste, seine letzten Sekunden waren angebrochen. Er wusste, Ryuk würde ihn umbringen.
Er spürte noch einmal L's Präsenz.

Dann schloss er die Augen. Für immer.