Der Wettstreit

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Wild as wind,and light as feather
~ Samuel Johnson

Der restliche Vormittag war sehr anstrengend. Ein Test folgte dem Nächsten: Fitness draußen, Kampf in der Halle. Als es endlich Mittag gab war ich so erleichtert und hungrig. Ich glaube ich hab noch nie so viel auf einmal gegessen. Joris Laune hatte sich nach dem Treffen mit Eric nicht gerade verbessert und meine Unfähigkeit mit den Waffen umzugehen hatte diesen Umstand nicht gerade verbessert.
„Ich hoffe ihr habt gut gegessen. Alle Tests sind abgeschlossen!!" Halbherziger Jubel kam auf. Ich war anscheinend nicht die einzige, die total fertig war.
„Ihr bekommt eine Stunde Pause. Danach erhält jeder seinen individuellen Stundenplan. Doch bevor ihr entlassen seid noch eines: Wir haben einen Drachen unter uns! Wir ihr wisst ist das ziemlich selten. Und wir ihr wahrscheinlich auch wisst, braucht jeder Drache einen Reiter. Am Ende der Woche findet ein Turnier statt: wer gewinnt wird Drachenreiter und wird damit automatisch eine hohe Position nach eurer Ausbildung bekommen! Also strengt euch an!"
„Jawohl"
Bei diesen Worten wurde mir unwohl. Ich brauchte keinen Reiter. Ich bin bisher auch so gut durchs Leben gekommen außer, naja, dass ich mich nicht hatte verteidigen können. Einen Reiter zu bekommen hieß aber auch, dass ich mich zeigen muss und das hab ich seit Ewigkeiten nicht getan. Ich habe mich so sehr daran gewöhnt, mein wares Selbst zu verstecken, dass sich alles in mir widerstrebt, mein Geheimnis preis zu geben. Spätestens jetzt wurde mir klar: es würde sich alles von Grund auf ändern.

Ich verbrachte die freie Stunde damit mir den Kopf zu zerbrechen. Immer wieder schwirrten mir die Kommentare der anderen im Kopf rum, die sich zum einen Fragten, wer der Drache sei und zum anderen Vermutungen anstellten, wer am Ende der Woche gewinnen würde. Nur Joris schwieg. Doch in seien Augen erkannte ich, dass er es wusste. Denn er hatte mich nackt aus dem Übungsraum kommen sehen.

Pünktlich standen wir alle wieder da, bereit unsere Pläne abzuholen. Ich wusste nicht, was ich zu erwarten hatte, aber das, was auf meinem stand, überraschte mich und deprimierte mich zugleich. Kampf und Fitnesstraining die ganze Woche. Es schien, als wollten sie meine Schwächen ausmerzen und ich wusste, dass das nicht schmerzlos werden würde. Ein Blick in die Runde verriet mir, dass viele ähnlich dachten. Nur Joris verzog keine Miene. Was war nur los mit ihm? Ich wurde aus diesem hübschen Gesicht einfach nicht schlau.

„Parieren, parieren, Schlag, zurück.... parieren, parieren, Schlag zurück" sagte ich leise vor mich hin, damit ich meinen Fokus nicht verlor oder einen Schlag abbekam. Auch wenn wir erstmal nur mit Stöckern kämpften, tat es schon ziemlich weh, einen abzubekommen. Diese Jungs schlugen einfach viel zu hart zu. Und selbst mit den vielen Liegestütz konnten meine untrainierten Arme nicht mithalten.
„Jetzt gehen wir eine Stufe höher. Joris, Max, kommt mal her. Der Rest: formt einen Kreis und gebt den beiden Platz zum kämpfen."
Max und Joris gingen zielsicher in die Mitte.
„Ihr habt verschiedene Angriffs und Abwehr Techniken gelernt. Jetzt ist es Zeit zu lernen, sie im Kampf richtig einzusetzen. Schaut zu und lernt"
Beide Kolosse gingen in Stellung, ihren Stock zum Angriff bereit. Spannung lag in der Luft, als Max blitzschnell einen Angriff startete und Joris noch schneller parierte und zum Gegenangriff ansetzte. Max schaffte es nur mit Mühe durch einen Satz nach hinten dem sausenden Stab zu entkommen. Joris nutzte die Chance und setzte noch einen Schlag hinterher, Dich Max hatte sich derweil wieder gefangen und parierte erfolgreich.
„Strengt euch mal ein bisschen an! Ich weiß ihr könnt das besser!"
Eine Sekunde später lag Max auf dem Boden.
„So und jetzt seit ihr dran, versucht es mal mit eurem Partner" Beim versuchen blieb es auch, zumindest meinerseits. Spätestens nach vier Schlägen landete ich nämlich immer wieder an der selben Stelle, wie Max zuletzt; auf dem Boden.

Am nächsten Morgen änderte sich etwas in meinem Plan. Eric hatte sich für mich eingesetzt und irgendwas davon gesagt, dass sich meine Kampfkunst bald eh deutlich verbessern würde. Dafür durfte ich nun mehr laufen und Krafttraining machen, denn auch wenn sich die Fähigkeiten übertragen würden, so sei es nicht dasselbe mit der Kraft oder so was in der Art. Da es seien Idee war, war er nun auch derjenige, der meine Einzelstunden beaufsichtigte.

Die Woche verging und das Turnier rückte näher. Am Abend zuvor hatte Eric mich angewiesen, ihm am Nächsten Morgen draußen auf der Wiese zu treffen. Es war tatsächlich schönes Wetter, als ich am entscheidenen Tag seiner Anweisung folgte.
„Ist hier genug Platz?" begrüßte er mich. „Wofür?", fragte ich. „Für dein wahres ich"
Ich nickte, plötzlich etwas eingeschüchtert.
„Zieh deine Kleidung aus und zeig ihn mir"
Ich folgte seiner Anweisung mit zitternden Händen. Als die kühle Morgenluft meine gesamte Haut umhüllte, atmete ich tief durch und suchte das vertraute Licht in mir. Ein warmes Kribbeln setzte ein und als ich meine Augen wieder öffnete überragte ich Eric um Längen. Es fühlte sich gut an, wieder in meinem ursprünglichen Körper zu sein, als hatte ich jahrelang eine Maske getragen und mich verstellt. In diesem Körper spürte ich auch eine ungeheure Macht, die ich sonst nie hatte: das Feuer. Aber auch meine Sinne waren geschärft : ich konnte besser sehen, hören, riechen und fühlen. Und ich schmeckte das Feuer auf meiner Zunge. Es dauerte nicht lange, da kamen die restlichen Jungs auch raus. Das Turnier sollte schließlich draußen stattfinden. Ihre Reaktionen waren verschieden. In den Augen einiger konnte ich Angst erkennen. In anderen war Ehrfurcht und wieder andere stachelte das nur noch mehr an. Sie sahen die Macht, die sie durch mich bekommen würden. Wie gewohnt wanderten meine Augen zu Joris. Ich hatte seine Mauer aus Schweigen in der ganzen Woche nie durchbrechen können. Es schien eher als hätten wir schweigend einen Weg gefunden nebeneinander in einem Zimmer zu existieren. Hin und wieder fühlte ich mich dadurch ziemlich einsam. Dafür hatte ich mich mit einigen der anderen anfreunden können. In seinen Augen spiegelte sich Interesse, ehrliches Interesse.
Der Trainer rief zum Kampf. Wieder wurde ein Kreis gebildet und die ersten beiden traten in die Mitte, Max und Albert. Max gewann ziemlich schnell. Der Sieger blieb so lange im Ring, bis er besiegt wurde. Nach zwei weiteren Siegen bekam Max einen ebenbürtigen Partner, oder zumindest dachte er zu Anfang so: Joris. Diesmal hielt sich Joris nicht zurück, sodass Max's Abwehr Joris angriffen nur kurz standhalten konnte.
Danach war Joris nicht mehr zu stoppen, doch sah man, wie seine Aufmerksamkeit und Kraft von Kampf zu Kampf immer weiter auf die Probe gestellt wurde, wobei er jedoch, wie immer, keine Miene verzog.
Nun machte er gerade eine schnelle Wendung und traf mit seinem Stab direkt in den Bauch, sodass sein Gegner auf den Boden viel. Es war sein letzter Gegner gewesen. Und das bedeutet, dass der Wettstreit vorbei ist. Mein Reiter stand nun fest. Während Joris beglückwünscht wurde, konnte ich meinen Augen nicht trauen, er lächelte mich tatsächlich an!

Ein letzter VersuchWhere stories live. Discover now