»Na übertreib mal nicht.«

Mit einem breiten Grinsen auf den Lippen legte er einen Arm um mich und zog mich näher an sich heran.

»Da wir gerade von übertreiben sprechen und naja, es mal wieder Zeit wäre zu eskalieren. Gehen wir auf Tonys Party?« Ein recht abrupter Themenwechsel, auf den ich schon gewartet hatte. Tonys Vater besaß eine alte nicht mehr genutzte Lagerhalle, die mittlerweile immer wieder für Campus-Partys herhalten musste und bereits seit meinem ersten Semester berühmt-berüchtigt war.

»Ich soll wieder fahren, weil ich die erwachsenste bin und mich nicht betrinke, während ihr euch einen Abschuss gebt. Hab schon verstanden.«

»Und genau deswegen frage ich mich immer, warum du überhaupt reingelassen wirst«, säuselte mir eine andere Stimme in mein Ohr, die bei mir hochgradigen Brechreiz auslösen konnte.

»Christian, warum wundert es mich nicht, dass du bei dem Wort Party der erste bist der auftaucht.«

Wenn es einen Menschen gab, den ich seit meinem ersten Tag auf dem Campus verabscheute, dann war es Christian Natherson, blond, groß, klassischer Surfer Boy, der genau wusste, wie er auf Frauen wirkte und wie er sie um den Finger wickeln konnte. Als wir das erste Mal aufeinandertrafen war er bereits im zweiten Jahr. Und aufeinandertrafen war im wahrsten Sinne des Wortes die passende Bezeichnung.

Erstsemester – endlich war es so weit, ich war auf dem College. Das große Ziel war nun direkt vor meinen Augen und zum Greifen nah. Genau dafür hatte ich so hart gearbeitet. Mit viel Mühe schleppte ich meinen großen Koffer die Stufen hinauf und war mehr mit mir beschäftigt, als all die ersten Eindrücke zu genießen, als ich unsanft angerempelt wurde. Stark genug, dass ich ins Wanken geriet und bei meiner Tollpatschigkeit bestimmt noch die Treppe hinuntergefallen wäre, wenn mich nicht gleich zwei starke Arme aufgefangen hätten.

»Welch schöner Zufall mir da in die Arme gefallen ist«, meinte der blonde Schönling an meinem Ohr und klang dabei mehr von sich überzeugt als es ihm guttun würde.

»Wenn du Augen im Kopf gehabt hättest, dann wäre ich auch nicht beinahe die Treppe heruntergefallen«, schnauzte ich den Schönling allerdings direkt an. Es war sicher nicht die Reaktion, mit der er rechnete, als ich mich hastig aus seinen Armen befreite. Solche Sprüche wirkten bei mir nicht. Nicht jetzt, wo ich vieles hinter mir lassen, neu anfangen wollte. Davon einmal abgesehen, das Kerle wie er sowieso nie auf meiner Speisekarte stehen würden, geschweige ich auf ihrer.

Er blickte auf mein Kofferband und musterte mich vielsagend. Der Typ machte jedenfalls kein Geheimnis daraus, was gerade in seinem Kopf vor sich ging. Es war klar, wie ich ihn einzuschätzen sollte. Blaue Augen, die belustigt funkelten und eine eindeutig nach oben gezogene Augenbraue. All das sprach bereits für sich.

»Jenna, ich glaube wir beide werden noch sehr viel Spaß miteinander haben.« Er zwinkerte mir zu, nicht ohne mir einen weiteren Schritt entgegenzukommen. So dass sein Gesicht nun genau in der Höhe des meinen war, da ich nur noch eine Stufe über ihm stand. Sein warmer Atem streifte meine Wange, während er mir unverhohlen in die Augen sah. Er verschwendete keine Sekunde an den Gedanken, dass ich ihn für einen Idioten halten oder ihn einfach diese Treppe herunterstoßen könnte. So viel Selbstbewusstsein musste man erst mal haben.

»Ich schätze, du wirst diesen Spaß mit dir allein haben müssen.« Ich wendete mich meinem Koffer zu und zerrte ihn weiter die Stufen hinauf. Vielleicht wäre ich netter gewesen, wenn er mir nicht einfach dabei zugesehen hätte. Aber er hatte nicht die Absicht mir zu helfen.

»Wenn du dich da mal nicht irrst.« Er lachte kurz auf. Es dauerte nicht lange, bis sich meine Meinung über hin bestätigte. Er rempelte doch tatsächlich weitere Mädchen an der Treppe an, um sich vorzustellen. Dieses Theater war so schlecht, fast schon peinlich. Wie konnte man ihn dafür auch noch ernst nehmen? Jedoch schien er einen gewissen Erfolg zu haben, denn das letzte Mädchen hatte kichernd in seinen Armen gelegen und wirkte, als wäre sie in seinen blauen Augen beinahe ertrunken. Armes Ding. Aber sie wollte es scheinbar so. Mit verschränkten Armen stand ich am Absatz und lachte laut genug auf, dass er mich hören konnte, bevor er seine Masche erneut durchzog. Ruckartig drehte er sich zu mir, überwand schnellen Schrittes die wenigen Stufen, die uns zuvor noch trennten. Damit hatte ich nicht gerechnet, beherrschte mich aber, nicht einen Schritt zurückzuweichen. Man durfte Kerlen wie ihm keine Furcht zeigen.

»Eifersüchtig, Jenna?«

»Ganz sicher nicht! Solltest du mich jemals ernsthaft interessieren, werde ich es als kurze Unzurechnungsfähigkeit abtun und weiter gehen.« Ich zuckte die Schultern und schritt an ihm vorbei. Doch Christian, dessen Namen ich bis dahin nicht einmal wusste, hielt mich sanft am Handgelenk zurück, zog mich zu sich und raunte mir in mein Ohr: »Ich mag Spielchen, Jen. Fordere mich nicht heraus.«

»Keine Sorge, ich werde dich schon nicht herausfordern.« Ich löste mich und ließ ihn stehen. Erst durch meine Mitbewohnerin Fiona erfuhr ich seinen Namen und noch viele weitere pikante Details. In einer Sache hatte ich mich allerdings gewaltig geirrt. Meine Zurückweisung war eine Herausforderung gewesen, die eine beinahe schon innige Fehde nach sich zog.

Ich hasste es, wie er mich in diesem Moment musterte. Einmal von oben nach unten und wieder zurück, wie ein Stück Vieh, das vor seinem Schlachter stand.

»Ein Ausflug in das Orgasmic-Land würde dir sicher auch mal guttun.« Dann zwinkerte er mir zu, nicht ohne dieses freche Grinsen auf den Lippen. Welches er immer aufsetzte, wenn er solch anzügliche Dinge von sich gab.

»Wenn du willst, dass ich dir vor die Füße kotze, mach ruhig weiter.« Mir blieb nicht viel übrig, als die Augen zu rollen und ihn erneut mit einem kühlen Blick zu bedenken. Auch wenn es nichts ändern würde. Es war ein bisschen wie die Unendliche Geschichte. Dieser Idiot machte mich wahnsinnig.

»Also sehen wir uns bei Tony.« Er klopfte mir auf die Schulter und lief weiter. Drehte sich allerdings noch einmal zu mir herum und biss sich vielsagend auf die Unterlippe. »Und vielleicht schaffst du es ja in was kleines schwarzes, da steh ich drauf.«

Ich hasste ihn wirklich.

»Zieh Leine und such jemanden der auf diese Scheiße steht.« Ohne weiter nachzudenken, streckte ich ihm meinen Mittelfinger entgegen. Warum musste er immer mich so auf die Palme bringen? Konnte er sich nicht endlich ein neues Opfer suchen?

»Du weißt aber schon, dass du ihn provozierst?« Rick, der den Kopf schief gelegt hatte, sah mich nun mahnend an. Ich konnte nicht mal zählen, wie oft meine Freunde und all die anderen solche Gespräche mitbekamen. Auf dem Flur, auf Partys, er ließ keine Gelegenheit aus.

»Ich weiß auch nicht, was mit dem nicht stimmt. Aber vielleicht ist er zu Hohl zu merken, dass er mir egal ist.«

»Vielleicht neigst du dafür aber auch zu sehr dazu, auf seine Worte mit Taten zu reagieren. Vielleicht solltest du doch mal mit ihm schlafen. So wie er es macht und ihn dann eiskalt fallen lassen.«

»Rick!«

»Man wird ja mal einen Vorschlag machen dürfen«, lachte Rick und deutete mir an, das wir weitergehen sollten.

»Da du nun ein Date hast, werden wir also doch das Taxi von der Party heimnehmen«, setzte Rick noch einen obendrauf. Ich stieß ihn unsanft in die Seite und schenkte ihm meinen geübten Todesblick.

»Mach nur so weiter und du wirst da gar nicht mehr hingehen, weil ich dich vom Dach geschubst habe.«

»Ist ja gut.« Er hob abwehrend die Hände.

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