Ocean Eyes [MERMAID!AU] vkook

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Es lenkte ihn davon ab, dass Guiseppe ihn des Morgens abermals nicht mehr erkennen konnte. Wie auch, in seinem hohen Alter und unter diesen Zuständen? Die altersbedingte Vergesslichkeit raubte ihm von Moment zu Moment mehr der glücklichen Erinnerungen, in denen Tae auftauchte. Sein Gesicht verweilte als Schatten in den Erinnerungen des Mannes, der ihm wie ein eigener Großvater an's Herz gewachsen war.

Ein sporadischer Blick zur großen Wanduhr verriet Tae, dass es bald wieder Zeit für die weißen Kappseln war, die der alte Mann täglich zu sich nehmen musste. Schwermütig seufzte er und Jimin, der die Schachtel schon bereit gelegt hatte für den Einsatz, schaute fragend auf seinen Freund, der die Verpackung beäugte und in seinem eigenen Gedankenirrgarten verloren schien. „In diesen Chemikalien also liegt die Antwort auf die Frage, wie altersbedingte Vergesslichkeit in dieser Welt gehandhabt wird", murmelte er dieselben Worte, die vor fünf Monaten über seine Lippen flossen, und schluckte nicht sehr angetan von den zusammengepressten Mitteln. In seiner Welt – in der Welt, aus der er stammte – wurden die Alten und Kranken so lange gepflegt, bis ihr Körper der Zeit unterlag und in die ewige Dimension der Geister übersiedelte, zu der niemand außer den Toten Zutritt gewährt wurde. Doch das war der springende Punkt: das hier war nicht seine Welt. Das hier war die Welt der Menschen, in der andere Regeln galten und dadurch, dass Ta3 im Zeitpunkt seiner Verwandlung nebst dem Erhalt der beiden Beine seine magischen Kräfte an die Ozeane zurückgeben musste, als Tausch, war es ihm nicht möglich, durch eine spirituelle Handauflegung die Krankheit zu heilen, mit der Guiseppe vor ein paar Monaten diagnostiziert wurde.

Alzheimer.

Es tat weh zu wissen, dass sich der Alte irgendwann nicht mehr an die Namen der sechs Bewohner erinnern würde, oder daran, wie er jedes der Kinder beim Aufwachsen zugesehen hatte. Es half nichts. Tae überwand seine Missgunst und griff nach den verschreibungspflichtigen Medikamenten, wobei er sich eine Hand auf den Bauch legte und ächzend das Gesicht verzog.

„Tae", stoppte ihn Jimin mit geschürzter Unterlippe, wusste er ja, wie nah es dem Ozeaner ging, wann immer er als Fremder in Guiseppe's Augen vor ihm stand. Langsam schüttelte er den Kopf: „Du musst das nicht tun"

„Ich weiß", flüsterte er wehmütig und stärkte den Griff um die Verpackung, hielt seine Traurigkeit tapfer zurück. „Doch ich möchte. Guiseppe hat mir ein Zuhause gegeben, als ich obdachlos in diese Welt kehrte. Er...er ist Teil meiner Familie", gestand er sentimental und wandte sich rasch ab, um Jimin nicht zu zeigen, wie sich seine ozeanblauen Augen danach sehnten, dass er nicht zu dem Alten gehen musste. Er hatte nicht gelogen mit seiner Aussage, doch er konnte nicht mit dem Schmerz umgehen, den Guiseppe's Alzheimer nach sich zog. Dass er jemanden, der ihm so wichtig war, als völlig fremd entgegen trat. Tae hatte Jungkook und seine Kinder verloren...und jetzt verlor er den gutmütigen Menschen auch noch. Das war zu viel. Das war definitiv zu viel für den ohnehin schon gebrochenen Ozeaner. Aber er rief sich in Erinnerung, dass er im Kreis seiner Liebsten von dieser Welt gehen würde, er war nicht allein und Tae würde den Teufel tun, kostbare Zeit zu vergeuden. Er biss sich auf die Lippe, um die glasigen Augen nicht noch weiter Besitz über ihn ergreifen zu lassen.

Guiseppe's Gesundheit erholte sich nicht mehr von den Nachwirkungen vergangener Krankheiten, alles nagte an ihm und holte sich, was ihm zustand. Also nein. Tae würde eben weiterhin als unbekanntes Gesicht unter Guiseppe's träge Augen treten, ihm eben immer und immer wieder auf's Neue erzählen, wer er war. Ihm die Fotos zeigen, ihm die Namen seiner Enkel in's Gedächtnis rufen. Guiseppe für kurze Zeit zu sehen, wie dieser sich erinnerte, Tae erkannte und seine Hand nahm um ihm mit der anderen die Tränen von den Wangen zu wischen...und dann würde alles wieder von vorne beginnen. Dann wäre Tae ein paar Stunden später wieder das hübsche, unbekannte Gesicht, das mit irrsinnigen und unglaubwürdigen Erzählungen zu ihm trat.