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Eine typische Oberstufenparty.
Kein Alkohol=schlecht gelaunte Schüler.

Gut, es war vielleicht eine etwas subjektive Beschreibung des Geschehens.
Hae wusste, dass es vielen gefiel. In der Masse der Kostümen aber konnte sie kein einziges Gesicht erkennen, dass ihr bekannt vorkam.
Sie hatte nicht gewusst, dass ihre Schule wie eine Gothic-Junkie-Höhle aussehen konnte. Die Lampen hatten sie mit schwarzen Folien überklebt und sie konnte im dämmrigen Licht nicht das Ende der Aula erkennen. Sie saß in einem unendlichen Saal in dem die Körper sich im Beat der Musik ekstatisches Zappeln vollführte. Sie, Bella und Rob saßen auf einer Treppe und beobachteten das Getümmel von oben.

Irgendjemand stand an den Boxen und hatte den schlimmsten Beat aufgelegt, denn es gab. Es klang, wie ein Rasseln mit einem gelegentlichen, unkontrollierten Huster oder Aussetzer. Was auch immer das auch sein sollte...

Hae wusste, die Menschen um sie herum waren nicht ihrer schlechten Laune schuldig. Dennoch konnte sie nicht die Vorstellung unterdrücken, wie es wäre alle hier mit der Schule einfach nieder zu brennen.

"Willst du für immer hier sitzen?", wollte Bella wissen. Sie hatte sich heute abend dezent aber nicht besonders hübsch gemacht. Und Rob war ihr ergeben, wie ein braver Hund. Er versuchte zwar einen auf cool zu spielen, aber immer wieder wechselte sein betont gelangweilter Blick in nackte Anbetung und Zärtlichkeit um. Es war im höchsten Grade amüsant den Jungen weg schmelzen zu sehen, in den Bella schon seit der Junior verliebt war. Hae hatte sie zwar damals nicht gekannt, aber sie konnte sich vorstellen, was für eine schlimme Zeit es gewesen sein muss. Naja-im freundschaftlichen Sinne. Ganz nach voll ziehen tat sie es nicht. Außerdem hatte Bella ja Rob in der High School ein wenig zappeln lassen.

"Ihr könnt los turteln gehen"

"Ach...halt die Klappe", versetzte Rob nur, nahm kurzerhand den Arm seiner Freundin und zog sie ins Getümmel. Sie hatten sich als viktorianisches Geisterpaar verkleidet und waren relativ gut in der Menge auszumachen.
Schon süß. Keine Frage.

Sie würden vermutlich verschwinden. Zu Rob nach hause. Oder zu Bella. Und beide würden in dieser Nacht ihre Jungfräulichkeit verlieren - Hae spürte es.

Sie knüllte ihren Pappbecher zusammen und wollte ihren Freunden es nach tun, als etwas in ihrem Blickfeld sie rumfahren ließ. Also doch...

Leons langen Haare stachen aus der Menge heraus, wie ein Leuchtfeuer, dass sie die kleine Motte, anzog. Vielleicht war sie ja auch die Fledermaus, die heute die kleine Motte namens Leonard Cox-Reid fressen würde.

Sie hatte ihn lange beobachtet. Lange genug. Sie liebte die Vorbereitungsphase. Es war, wie wenn man sein Messer schleift, schon in Gedanken versunken, die die Schlachtszene eines unschuldigen Schafes geplant hatte.
Und diese Phase näherte sich ständig ihrem Ende. Sie würde es für Leon kurz machen. Ein kleiner Biss in die Kehle. Das vollständige Ende für die Gazelle, die dachte davon zu kommen. Nur dann setzte der Leopard den letzten Sprung an und nur die Götter im Himmel wissen, was ihr letzter Gedanke vor ihrem Tod war.

Leonard hatte auch sie gemerkt und hob mit einer langsamen Bewegung seine Augenbrauen. Er trug einen Umhang aus schwarzen Stoff, wenn sie sich nicht irrte und als er lachte, konnte sie die kleinen Eckzähnchen erkennen. Seine langen Haare waren ungekämmt, wie eh und je, Hae wurde schon von rätselhafter Vorfreude erfüllt, als sie aufstand und auch ihrerseits die Treppen nach unten stieg.

Und er stand endlich vor ihr. Hae wusste nicht, wie oft sie sich diesen Augenblick ausgemalt hatte. Wie oft sie nachts wach gelegen hatte, um diesen Augenblick immer und immer wieder zu inszenieren.

"Ich dachte, du wärst erpicht gewesen, dass das eine Halloweenparty wird" Leon sah sie schräg an und Hae nahm ihrerseits ihr Gebiss aus der kleinen Tasche, die sie sich umgehangen hatte: "Besser?"

MisogamistWo Geschichten leben. Entdecke jetzt