Prolog: Im Wald

307 12 2
                                    

But I knew one that to itself
All seasons could control
~ Charles Lamb

„Ich finde immer noch nicht, dass das eine gute Idee ist. So tief im Wald war seit Jahrhunderten noch niemand und ich bin mir sicher, dafür gibt es auch einen Grund." Genau das sagte er gerade zum hundertsten Mal.
Genervt erwiderte ich: „Warum bist du dann mitgekommen?"
„Irgendjemand muss ja auf dich aufpassen", Jared und auf mich aufpassen. Der größte Angsthase in ganz Vilera, wahrscheinlich auch gleichzeitig der mit der größten Klappe wollte auf mich aufpassen. Lächerlich. Zugegeben er war ein guter Kämpfer, aber erst seitdem ich ihm die grundlegendsten Techniken beigebracht hatte.
„Ich komme schon alleine mit meinen Gegnern zurecht, danke"
„Darum mache ich mir auch keine Sorgen. Sondern eher, dass du mal wieder zu übermütig wirst"
„Ich und übermütig? Ha! Nie im Leben", die letzten drei Worte drifteten eher ins sarkastische ab. Vielleicht war es doch nicht so schlecht ihn an der Backe zu haben. Trotzdem erhöhte ich das Tempo, damit er nicht mehr auf die Idee kam erneut rum zu jammern.

Es wurde immer dunkler im Wald. Bald würde die Sonne komplett untergegangen sein und die Büsche würden nur noch durch den blassen Schimmer des Mondes zu erkennen sein. Trotzdem ging ich entschlossen weiter, denn ich hatte mein heutiges Ziel noch nicht erreicht. Von hinten hatte ich die letzten Stunden zum Glück nur die Schritte meines Begleiters wahrgenommen, doch ich befürchtete, dass er sich bald wegen seines Hungers oder ähnlichem melden würde. Ich atmete einmal tief durch, denn der Gedanke daran ging mir schon auf die Nerven. Da erkannte ich, dass die Bäume bald weniger wurden und das Grün einer Wiese durch sie schimmerte. Nur noch ein paar Schritte und wir würden die Lichtung erreicht haben.
„Wir sind gleich da, nur noch zehn Schritte" verkündete ich. „Endlich. Meine Füße tuen schon seit gefühlten Jahrzehnten weh" Jared liebte es zu übertreiben, oder er liebte es mich zu nerven. Ob Ersteres oder letzteres besser war, war ziemlich egal, denn beides würde auf der dasselbe hinaus laufen.

Ich hatte gedacht die Lichtung wäre leer, doch als ich aus den Büschen hervor kam starrten mich zwei blaue Augen an. Ein wunderschönes weißes Pferd hatte bei den Geräuschen, die wir gemacht hatten seinen Blick wachsam uns zugewandt.
„Seltsam," hörte ich es neben mir sagen,,, ich dachte Pferde würden frei nur in Herden vorkommen"
Plötzlich rannte das Pferd in einer affengeschwindigkeit auf uns zu. Kur bevor es uns erreichte, stoppte es jedoch und stieg in die Höhe. Ich glaubte meinen Augen nicht, als die Pferdegestalt völlig nahtlos in die eines Menschen wechselte. Eines nackten Mädchens um genau zu sein. Mit einem wunderschönen Gesicht und einem perfekten Körper. Ihr Kopf war leicht zur Seite geneigt während sie mit ihren großen Augen und betrachtete.
„W-wir k-kommen m-mit g-g-g-g" Jared. Ich hätte gleich wissen müssen, dass er seine Klappe nicht halten kann.
„Ihr seit Menschen. Ich habe seit Jahrhunderten keinen mehr gesehen. Was führt euch her?" Unterbrach das Mädchen zu meiner Überraschung Jared's stottern.
„Wir sind im Auftrag der königlichen Familie hier und sollen erkunden, ob das schrecklich Monster, von dem seit Jahrhunderten erzählt wird immer noch hier haust." Das war nur die halbe Wahrheit. Sie musste ja nicht alles wissen. Ganz zu schweigen von der Frage, ob sie das überhaupt verstehen würde.
„Hier ist kein Monster. Niemand hält euch auf, wenn ihr dem Wald betreten wollt, es ist ein Ort für alle. Der Wald kann jedem helfen, der Hilfe sucht. Das wahre Monster ist der der sich das ausgedacht hat; kein Wunder das mich so lange niemand mehr zu Besuch kam."
Mit einem Schulterzucken drehte sie sich um und lief von uns weg. Mist. „ Namoa!" Sie stoppte und drehte sich um. „Woher kennst du meinen Namen?" Ich schaute genauso verwirrt zu Jared. Dieser zuckte mit den Schulter „beim lesen aufgeschnappt". Dann rief er laut: „ Ich soll dich von Paulud grüßen" Aus heiterem Himmel zog er eine Waffe und schoss auf die Gestaltwandlerin. Mit vor Schreck geweiteten Augen fiel sie zu Boden und verharrte da nach wenigen Minuten bewegungslos.
„Was sollte das bitte!" schrie ich ihn an. „Geh mir aus den Augen, verschwinde!" das hatte ich nun wirklich nicht erwartet und im Vergleich zu seien kleinen nervigen Angewohnheiten konnte ich dies nicht tolerieren.
Still verschwand Jared im Wald. Er hatte alles zerstört. Alles. Ich wollte dieses Wesen gerne kennenlernen. Doch er hat es verdorben. Da drang ein leises Wimmern vom anderen Ende der Lichtung an mein Ohr. Ich folgte dem Geräusch und fand zu meinem Erstaunen ein kleines Fohlen, dass sich, als es mich erblickte in ein Menschen Baby verwandelte. Es war eindeutig: die Gestaltwandlerin hatte eine Tochter gehabt. Sie lag hier direkt vor meinen Augen. Mein Körper bewegte sich schneller, als ich denken konnte, als ich zu ihm lief und es hochhob. Als ich in ihre großen Augen war klar, dass ich sie nun mitnehmen uns großziehen würde. Einen Namen hatte ich auch schon: Namoa, zu Ehren ihrer Mutter.

Ein letzter VersuchWhere stories live. Discover now