Milder Lorbeer

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Pete ist zu Recherchezwecken verschwunden, was Floyd dazu nötigt, seine wohlverdienten Abende mit mir anstatt mit der süßen Kate zu verbringen. Trotz dieses herben Einschnittes in sein frisch erblühtes Liebesleben trägt er es mit Fassung und hängt sich in die Suche nach dem verschollenen Franzosen.
Helens Vernissage war ein voller Erfolg und die Kunstwelt steht kopf, nach dem über die Hälfte der Werke bereits veräußert wurden. Dank der provokanten Werbekampagne, die Sam für seine Liebste auf die Beine stellte, auch kein Wunder. Das Dreiergespann funktioniert extrem gut und Helen war noch nie gelöster als jetzt in den Armen der Zwillinge.
Mein verpatzter Flirt auf ihrem Event mit dem gutaussehenden Aiden Scott hängt mir dummer weise immer noch nach und ich komme nicht umhin, ihn zu googlen und bin beeindruckt. Jetzt wird mir klar, woher ich ihn zu kennen scheine. Entzückt über die charmante Entdeckung, die eine erfrischende Ablenkung verspricht, rufe ich Helen an und verabrede mich mit ihr zum Abendessen.
Es verschlägt uns ins Linnaean, ein hübsches kleines Lokal, wildromantisch und urgemütlich. Das gesunde Essen und die gelöste Stimmung dort geben mir den Mut, meine aufgeschobene Frage zu stellen.
»Helen, kenne ich Aiden Scott oder ist das nur ein Hirngespinst von mir?«
Sie hört augenblicklich auf zu kauen und stiert mich an, so als überlege sie, was sie jetzt antworten soll. Geräuschvoll schluckt sie den Bissen aus Avocado und Rotebeete Tartar runter und tupft sich mit der Serviette die Mundwinkel ab.
»Nun, also ...«
»Spuck's schon aus, verdammt«, motze ich ungeduldig.
Sie sinkt ein wenig in sich zusammen und sieht mich dann fest an. »Du hast ihn als Candy Moon aufgerissen und warst mit ihm in der Kiste. Dann habt ihr euch bei mir auf der Vernissage letztes Jahr getroffen und er wollte mehr – du nicht. Ende der Geschichte.«
Jetzt doch unsicher rutsche ich auf dem Sessel herum und versuche mich krampfhaft an die Nacht mit ihm zu erinnern, allerdings will es nicht recht gelingen. Genervt lege ich den Kopf in die Hände. Wie peinlich. Sollte ich ihm nochmal über den Weg laufen, weiß er mehr über mich, als ich über ihn, und zwar deutlich mehr.
»Aber warum ...«
»June, du hast ihn abserviert. Ihr seid im guten auseinandergegangen und Schluss.« Die schroffe Art bin ich von Helen nicht gewohnt, und das gefällt mir gar nicht.
»Und er ist nicht sauer auf mich gewesen, obwohl ich ihn in den Wind geschossen habe?« So recht will mir das nicht einleuchten, denn Candy hat normaler weise eine sehr unumstößliche Art, Dinge zu beenden.
»Nein. Er weiß nichts von der Verbindung zwischen Candy und June. Also steht nur dein Blackout zwischen einer ...« Forschend schaut sie mich an und ich komme mir vor wie ein Versuchsobjekt eines irren Wissenschaftlers. »Du solltest ihm vielleicht sagen, dass du den Unfall hattest, bevor er – na ja – er wird es verstehen«, murmelt sie nun viel sanfter und ich entspanne mich zusehends.
»Äh, hast du seine ...«
»... Nummer? Ja schicke ich dir. Aber du kannst bis Samstag warten, da kommt er ins Atelier. Wenn du Brownies mitbringst ...« Jetzt lächelt sie mich an und ich atme erleichtert auf und wir widmen uns wieder dem köstlichen Essen. Die nächste Party der Zwillinge wird in den nächsten Wochen starten und wir wissen schon, dass es nach Mailand geht. 


Samstag, Helens Atelier

Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch betrete ich die riesige Halle. Samstags sind immer Interessenten dort, sowie einige Kunststudenten, die über die Universität bei Helen Einblick in die Praxis erhaschen dürfen. Es herrscht eine gelöste Stimmung und ich stelle die große Schachtel mit den köstlichen Peakan-Caramel-Brownies auf einen der Tische ab.
»Vamp, schön dass du es geschafft hast«, begrüßt mich Helen und nach einer herzlichen Umarmung schnappt sie sich auch schon den ersten Brownie.
»Ist er ...«
»Yep. Vor einer halben Stunde eingetroffen und philosophiert mit einer Gruppe oben über die Entstehung von Kreativität, glaube ich«, beantwortet sie meine Frage, während sie mich auch schon die Treppe hochschiebt.
Aiden steht lächelnd umringt von einer Horde Wissenshungriger vor einem riesigen Ölgemälde und als mich sein Blick findet, hält er inne. Er sieht fabelhaft aus in seinem grauen Pullover und der schwarzen Jeans und den widerspenstigen kupferfarbenen Haaren, die ihm lässig in die Stirn fallen. Er entschuldigt sich bei seinen Zuhörern und kommt auf uns zu.
»So, damit wir die peinliche Situation sofort entschärfen: June hatte einen Unfall, hat dabei ihr Gedächtnis verloren – teilweise zumindest – daher müsst ihr mit dem ganzen Kennenlern-Scheiß nochmal von vorne anfangen«, lässt Helen die Bombe platzen, klopft Aiden auf die Schulter, zwinkert mir aufmunternd zu und gesellt sich zu den stehen gelassenen Kunstinteressierten. Verlegen blicke ich zu Boden, denn so hatte ich mir die Begegnung nicht vorgestellt.
»Hey, das mit deinem Unfall ist – es tut mir wahnsinnig leid. Ich ...«
»Ach schon gut. Du kannst ja nichts dafür. Ist nur schräg, dass du, na ja, mehr von mir weißt als ich von dir«, erwidere ich zögerlich.
»Oh, verstehe. Wenn du magst, schließe ich deine Wissenslücken gerne.« Sein warmes Lächeln ist ansteckend und ich grinse schief über seine angebotene Unterstützung.
»Ja, das wäre schön«, gebe ich zu und wir schlendern zusammen zu einer der Sitzecken. In seiner Nähe fühle ich mich wohl und genieße seine offensichtliche Aufmerksamkeit, die mir etwas über meine Unsicherheit hinweg hilft. Aiden scheint tatsächlich kein Spinner zu sein, denn er plauscht mit mir locker über alles mögliche, um mich von meiner Wissenslücke ihm gegenüber abzulenken. So verstreicht der Nachmittag und als Helen uns rausschmeißt, lädt Aiden mich für Abends zum Essen ein. 

Beyond Addiction  (Bd.2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt