Der Junge, dessen Augen nun vor Wut aufblitzten, erhob sich ebenfalls von seinem Platz.
"Hast du keine Angst, dass er deinen Schwanz lutscht, wenn du schläfst?", fragte er höhnisch und hatte keine Ahnung, welchen Ausmaß an Zorn er damit in Lucas auslöste.
Mein Puls raste und tatsächlich kümmerte ich mich weniger um meine Gefühle, als um die fälschlichen Gedanken, die diese Worte in Lucas Kopf hervorrufen könnten. Er sollte auf keinen Fall denken, dass ich jemals auch nur annähernd über solche Dinge nachgedachte hatte.

Plötzlich rief ein Mädchen, welches aus dem Nebenraum kam: "Hört sofort auf damit! Hier ist kein Platz für Streitereien!"
Ihrem Aussehen nach zu urteilen schien sie eine Angestellte zu sein.
Lucas ignorierte sie jedoch vollkommen und riss sich von mir los, um auf den Jungen zuzugehen, welcher bereits siegessicher lächelte.

Ich konnte nichts weiter tun, als dabei zuzusehen, da mein Körper wie gelähmt war. Vermutlich hätte ich mich mehr anstrengen können, ihn aufzuhalten, doch aus irgendeinem Grund wollte es nicht funktionieren.

Lucas hielt wenige Zentimeter vor ihm inne und sagte: "Fick dich!" Bevor der Junge sich hätte wehren können, traf ihn Lucas Faust mitten im Gesicht.
Die ganze Bibliothek schien die Luft anzuhalten und eine riesige Spannung lag im Raum.
"Hört auf, hört sofort auf!", schrie das Mädchen mit schriller Stimme und zerrte Lucas von dem Jungen weg, der sich krümmend die blutende Nase hielt.
"Fuck! Du hast mir meine Nase gebrochen, du Hurensohn!", rief er mit hasserfüllter Stimme und konnte sich gerade noch so am Tischrand festhalten, als ihn sein Gleichgewicht verließ.

"Verschwindet sofort, alle drei! Ihr habt ab sofort Hausverbot!", erklärte das Mädchen zornig.
Ich schaffte es allmählich wieder, mich zu bewegen, doch mein Kopf konnte die Geschehnisse kaum so schnell verarbeiten.
Ohne ein Wort zu sagen, verließen Lucas und ich die Bibliothek, woraufhin mir beinahe schwindelig wurde.

"Du hast es auf jeden Fall geschafft, mich abzulenken", war das erste, was ich über meine Lippen bringen konnte.
Lucas lachte kurz auf und rieb sich seine Faust, die inzwischen ziemlich rot geworden war.
"Glaub mir, eigentlich hatte ich etwas anderes im Sinn gehabt", meinte er und warf einen verächtlichen Blick über seine Schulter.
"Dir ist aber bewusst, dass du nicht einfach so damit davon kommst, oder?", fragte ich nach und dachte an die Konsequenzen, welche seine Aktion nach sich ziehen würden. "Das war es mir wert", entgegnete Lucas und betrachtete mich von der Seite, als wir weitergingen.

Wahrscheinlich wollte er sich vergewissern, dass mich die Worte des Jungens nicht gekränkt hatten. "Danke", sagte ich leise, da mir die Situation Unbehagen bereitete. Lucas hatte sich nie anders mir gegenüber verhalten, nachdem ich mich geoutet hatte. Das Einzige, was ihm Spaß machte, war es, für ihn typische Witze über das Thema zu reißen. Doch sobald jemand anderes etwas Negatives sagte, hatte er keinerlei Verständnis dafür und setzte sich für mich ein.

Ich schätzte ihn als Freund sehr und verspürte bei ihm normalerweise keine Hemmungen, doch in diesem Augenblick fiel es mir unfassbar schwer, ihn als Dank zu umarmen. Selbst das Danke war mir aus irgendeinem Grund nicht leicht gefallen. Ich war mir nicht sicher, doch es fühlte sich so an, als würde ich mich zum ersten Mal vor ihm schämen, so zu sein, wie ich war.
Es war lächerlich, immerhin hatte Lucas mir soeben seine Unterstützung demonstriert.

"Hey", sagte er mit gesenkter Stimme und stieß mich brüderlich von der Seite an. Ich zwang mir ein Lächeln auf, welches Lucas jedoch keinesfalls zu überzeugen schien. "Du nimmst dir die Worte dieses Idioten doch nicht zu Herzen, oder?"
Als ich nicht direkt antwortete, blieb er stehen und starrte mich mit zur Seite geneigtem Kopf an.
"Jamie, das ist doch nicht dein Ernst. Sag mir, dass das nicht dein verdammter Ernst ist", forderte er fassungslos, woraufhin ich unschlüssig mit den Schultern zuckte.

Ich wusste nicht einmal mehr selbst, ob ich seine Kommentare an mich ran kommen ließ. Es fühlte sich viel eher so an, als hätte er damit bloß Erinnerungen an die unzähligen Beleidigungen meiner Eltern aufgefrischt.

"Willst du, dass ich dir auch noch meine Faust ins Gesicht ramme? Vielleicht kannst du dann wieder richtig denken", meinte er kopfschüttelnd, trat einen Schritt auf mich zu und packte mich grob an den Schultern. "Was genau denkst du?", fragte er mich und versuchte mit seinem eindringlichen Blick, in meinen Kopf sehen zu können. Ich konnte mich nicht aus seinem Griff befreien und fühlte mich dadurch bloß noch unwohler.

"Lucas, ich weiß es nicht. Ich habe eher Angst, dass du dir seine Worte zu Herzen nimmst", gestand ich ihm und sein ausdrucksloser Blick teilte mir mit, wie sprachlos ich ihn mit dieser Annahme machte.
"Bist du eigentlich dumm?", fragte Lucas nach kurzem Schweigen und hatte eine solche Ernsthaftigkeit in seiner Stimme, dass ich mir tatsächlich dumm vorkam.

Dann lachte er kurz auf, legte seinen Arm um meine Schulter und zwang mich somit, neben ihm her zu gehen. "Jamie, wie lange kennen wir uns jetzt inzwischen? Ich bin nicht blöd. Wenn du mich mit demselben Blick anschauen würdest, mit dem du Caden ansiehst, würde ich mir eventuell Sorgen machen. Aber da das bei weitem nicht der Fall ist, kann ich dir versprechen, dass ich nie den Gedanken hatte, du könntest an meinem Schwanz interessiert sein." Lucas brachte diese Worte mit einer solchen Leichtigkeit über seine Lippen, dass ich verstand, wie naiv meine Befürchtung gewesen war.
"Tut mir leid", meinte ich kleinlaut, doch er schüttelte bloß den Kopf.

"Für was entschuldigst du dich, Kleiner?"
Ich zuckte mit den Schultern und wechselte ein Grinsen mit ihm, was die Anspannung in meinem Inneren zu lösen schien.
"Ich bin ehrlich gesagt immer noch wütend auf diesen Jungen, aber solche Leute wird es wohl leider immer geben", sagte Lucas, mehr zu sich selbst, als zu mir.

"Da hast du recht Ich habe mich inzwischen schon daran gewöhnt", gab ich zu. Wir gingen in Richtung der Apartments und ich fragte mich, ob Lucas ein bestimmtes Ziel im Kopf hatte. Sein Arm lag noch immer über meiner Schulter, was mich zwar ein wenig beim Gehen beeinträchtigte, jedoch nicht weiter störte.
"Das ist ja gerade das Schlimme", meinte Lucas und warf mir einen kurzen Seitenblick zu. Ich erwiderte nichts, da er recht hatte. Diese Tatsache war ziemlich traurig, denn man sollte meinen, dass solche Dinge im 21. Jahrhundert kein Problem mehr waren.

"Wie läuft es denn mit Caden?", fragte Lucas mich mit diesem gewissen Tonfall, welchen er immer in Momenten aufsetzte, in denen das Gespräch einen ernsten Verlauf nahm. Er konnte ja nicht ahnen, dass es das Letzte war, worüber ich gerade sprechen wollte. Der Gedanke an Caden und unseren Streit zerriss mein Herz auf eine Weise, welche schmerzhafter nicht hätte sein können.

"Erinnere mich nicht an ihn", meinte ich bloß abwehrend, was Lucas als Antwort reichen sollte, um zu verstehen, dass ich das Thema schnellstmöglich wieder wechseln wollte. "Was ist passiert? Ehekrise?" Lucas erntete für seine Wortwahl einen finsteren Blick, was ihn jedoch bloß zum Lachen brachte. "Warte eine Sekunde", meinte er und fischte sein Handy aus der Hosentasche.

"Beth? James und ich kommen vorbei, okay?", fragte er, ohne sie überhaupt richtig zu begrüßen. Scheinbar fiel ihre Antwort ebenso kurz aus, denn wenige Sekunden später beendete er den Anruf wieder.

"Nenn mich nicht James", sagte ich spitz, doch Lucas hatte bloß ein Grinsen für mich übrig.
"Wir gehen zu Beth und übernachten bei ihr. Dann kannst du uns dein Herz ausschütten", erklärte er mit zufriedenem Gesichtsausdruck.
"Und du hältst es nicht für nötig, mich davor zu fragen? Vielleicht will ich einfach alleine sein?", fragte ich ihn mit gespielter Fassungslosigkeit, wobei ich insgeheim jedoch froh über ihre Gesellschaft war.

"Sei keine Zicke, James", meinte Lucas und klopfte mir auf den Rücken, als wir Beths Apartment erreichten.

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Ich hoffe, euch gefällt das Kapitel trotz der negativen Ereignisse!
Ob Jamie und Caden sich bald wieder versöhnen werden? ಥ_ಥ

Habt ein schönes Wochenende!

Unexpected Love (boyxboy) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt