Kapitel 16-Simon

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Der kalte Wind ließ meine Tränen sofort wieder trocknen.
Was nichts brachte, da meine Wangen nass vor Tränen waren.

Ich war ohne Jacke aus dem Haus gestürmt; nur in Jogginghose und Pullover, und wetterungerechten Schuhen, rannte ich die Straße entlang.

Keine Ahnung wo ich hin sollte.

Zu Rob nicht, dazu war ich zu...verstört.
Zerbrochen.
Enttäuscht.

Dieser eine Abschnitt in diesem verdammten Buch hatte gereicht, meine nicht ganz so perfekte Welt noch mehr zu zerstören.

In diesem Moment kam alles wieder hoch.

Ich war ein Ostler.
Meine Eltern wurden getötet.
Vermutlich auch meine Schwester.
Passi wurde getötet.
Marius wurde getötet.
Mein lieber Opa wurde getötet.
Die Rebellen, mit denen ich einen Überfall begangen habe, sie alle, tot.
Ich war ein Sklave, Rob hatte mich gekauft.

Ich kam mir billig, dreckig und dumm vor.

Hatte ich wirklich geglaubt, ein neues Leben beginnen zu können?
Alles hinter mir zu lassen?

Ein Leben, in dem ich Rob niemals öffentlich lieben durfte?
Ein Leben, in dem ich als Sklave angesehen wurde?
Ein Leben, mit den wenigen Menschen die mir noch blieben?

Ich hatte alles ignoriert.

Rob wusste nicht einmal, dass Marius tot war.
Ich hatte zu lange geschwiegen.

Warum stand das in dem Buch?
Das alles ergab keinen Sinn.

Irgendwie stand ich vor dem Haus von Senator Dimitri.

Es war spät am Abend, was wäre wohl wenn ich klingeln würde?
Würde Sam öffnen?

Ich konnte nichts anderes tun; mir war kalt, ich war emotional instabil und außerdem konnte ich nirgends hin.
Zu meinem Glück regnete es nicht, meine Glieder schmerzten jedoch

Ich klingelte an dem pompösen Haus.
Noch größer, prachtvoller, schnöseliger als das von Rob.
Nicht an Rob denken, nicht jetzt.

Nach kurzer Zeit öffnete sich die Tür und eine verwunderte Sam sah in mein verheultes Gesicht.

»Du meine Güte, Simon! Komm rein, was ist denn los?«
Sie zog mich am Arm schnell ins Haus, um sie herum brannten nur schwach ein paar Lichter.

Unfähig zu sprechen sah ich herunter.

»Setz dich erstmal. Willst du einen Tee?«
Ich schüttelte den Kopf.

»Ist... Senator Dimitri noch wach?« fragte ich stattdessen leise, aus Angst, Sam würde ärger bekommen.

»Nein, er hat ein geschäftliches Essen in einem anderen Stadtteil und wird erst morgen Mittag wiederkommen. Was ist denn passiert?«

Sie setzte sich neben mich und strich über meine Hand.
Ich fühlte mich sofort wohler.
Sie sah mich lieb an, nicht drängend, nicht zwingend, einfach bittend.

Ich zögerte. Was sollte ich schon sagen, so dass sie es auch verstand?

Kurz atmete ich tief durch, bevor ich ihr wirklich alles erzählte.

Mein Leben in Ost, meine Familie, Marius, wie ich Rob traf und mich in ihn verliebte, wie ich nach West kam, wie ich von dem Tod meiner Eltern erfuhr.
Alles.
Es dauerte mindestens eine Stunde, vielleicht sogar mehr, doch sie hörte aufmerksam zu.
Ab und zu verzog sie ihre Miene, aber das war zu erwarten.

Als ich fertig war herrschte Schweigen.
Ich saß mit hängendem Kopf da, Sam starrte vor sich her.
Ihre grünen Augen glüten förmlich.

Dann fuhr sie sich durch ihre langen schwarzen Haare, offen schienen sie sogar noch länger, und seufzte.

»Deine Eltern...hießen Evelyn und Tobias? Will?«

Ich nickte.
Warum auch immer sie das jetzt fragte.

»Und deine Schwester?«
»Wir nannten sie Sammy...ich glaube Samantha war ihr richtiger Name.«

Ich spürte sie zittern, sie schloss die Augen und presste die Lippen aufeinander.

»Sam...was ist-«
Weiter kam ich nicht, da sie mir bereits um den Hals gefallen war.

Total verwirrt erwiederte ich die Umarmung.
Sie drückte sich fest an mich, so als ob sie mich gleich verlieren könnte.

Ich schwieg bloß, was sollte ich auch tun?

Ich hörte sie schluchzen, ihr Gesicht vergrub sie in meiner Halsbeuge.
Instinktiv drückte ich sie an mich, ihre Haare dufteten gut.

Ich ging davon aus, sie weinte um mein Schicksaal, aber warum sollte sie mich dann so umarmen?

Sie murmelte etwas, leise vor sich her, doch ich verstand es nicht.
»Was?« fragte ich leise.

Diesmal verstand ich es.
Sie nuschelte es immer und immer wieder.

»Ich hab' meinen kleinen Bruder wieder.«

Ich lass das am besten unkommentiert...
Ach was soll's,
HA! könnt ihr sie immer noch nicht leiden?

Wrong Side-Gefährliche Liebe [Band 2] || CrispyWill [Beendet]Where stories live. Discover now