Ich verspürte den Drang danach, irgendetwas um mich herum zu zerstören, weshalb ich hastig aufstand und mich auf den Weg zur Bar machte, bevor ich die Kontrolle über mich verlor. Unzählige Gedanken schossen mir durch den Kopf und ließen mich bei jedem Schritt mehr realisieren, was für ein erbärmlicher Idiot ich war.
Jamie war derjenige, der im Recht war. Ich musste einsehen, dass eine bloße Umarmung kein Zeichen für eine intime Beziehung war. Mit dieser Anschuldigung hatte ich einfach alles noch viel schlimmer gemacht.

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Kräftig stieß ich die Tür zur Yellow Pepper Bar auf setzte mich an die Theke, ohne auch bloß einen einzigen Blick umher schweifen zu lassen.
Ich wollte einfach, dass mich der Alkohol Jamies schmerzhaften Worte vergessen ließ. Dass er mich vergessen ließ, was gerade eben passiert war. Meine Feigheit, Eifersucht und Sturheit. Ich wollte all das vergessen und den Streit ungeschehen machen.
War es denn wirklich so schwer gewesen, einfach die Wahrheit zu Amber zu sagen? Hätte ich bloß diesen Mut aufbringen können, wäre es niemals soweit gekommen, doch nun war es ohnehin zu spät.

Brad, der meine schlechte Stimmung unschwer wahrnahm, schenkte mir ein Glas Whiskey ein, ohne überhaupt nachgefragt zu haben. Ich nickte ihm zu, als er mir das Getränk reichte, doch er schüttelte bloß den Kopf, als ich versuchte, ein dankbares Lächeln aufzusetzen.

“Du musst mir nichts vormachen, Junge”, sagte er und trocknete ein Bierglas mit beiden Händen.
“Die Liebe, habe ich recht?” Ich nickte stumm, nahm einen langen Schluck aus dem Glas und genoss das brennende Gefühl in meinem Hals. Brad lehnte sich vor und zwang mich somit, ihm in die Augen zu sehen. “Weißt du, ich habe schon viele Fehler in der Liebe gemacht. Doch eines kann ich dir versichern, mein Freund. Der größte meiner Fehler war, sie aus purer Sturheit gehen zu lassen. Hätte ich um ihr Herz gekämpft, dann wäre ich jetzt womöglich kein einsamer Barkeeper.”

Er klopfte mir brüderlich auf die Schulter und die Trauer in seinen Augen war kaum zu übersehen. “Mach’ nicht denselben Fehler wie ich, Junge. Es wird schon nicht zu spät sein, sie zurückzugewinnen.”
Seine Worte hinterließen einen tiefen Eindruck bei mir.

Ihn”, verbesserte ich Brad leise und war mir sicher, er hätte es nicht gehört, da er bereits wieder ein frisches Bier zapfte. Doch dann spürte ich, wie sein Blick auf mir lag. Eine Sekunde lang sagte er nichts und ich leerte den Whiskey, ohne zu realisieren, dass Brad meine Andeutung zu verstehen schien.
Er stellte das Bier neben mir auf die Theke und ein Mann, der darauf gewartet hatte, nahm es dankend mit zu dem Tisch, an welchem er und seine Freunde saßen.

“Dann finde einen Weg, diesem Jungen zu zeigen, dass du ihn zurückgewinnen willst”, meinte Brad beiläufig. Ich starrte ihn durcheinander an, da ich mir sicher gewesen war, er habe meine Bemerkung nicht gehört.
Der Barkeeper genoss meinen verblüfften Gesichtsausdruck, schenkte mir Whiskey nach und zwinkerte mir zu, bevor er sich neuen Gästen zuwand.
Ich hatte nicht einmal die Zeit dazu gehabt, ein Wort über meine Lippen zu bringen. Stattdessen ließ ich seine Aussage auf mich wirken und erkannte, dass er recht hatte. Ich schüttelte ungläubig den Kopf und fragte mich, ob Brad irgendwelche übernatürlichen Fähigkeiten besaß, die es ihm ermöglichten, in die Köpfe anderer zu schauen.

Die Tatsache, dass er mein unterbewusstes Outing so locker aufgenommen hatte, erfüllte mich ein klein wenig mit Glücklichkeit, doch dieses Gefühl kam gegen all die Wut und Traurigkeit in mir nicht an.
Plötzlich nahm ich einen Schatten auf der Theke wahr und bloß einen Augenblick später fiel mein nach unten gerichteter Blick auf zwei tätowierte Arme, die ohne Zweifel einer Frau gehörten. Mein Interesse war bei Weitem nicht groß genug, als dass ich ihr ins Gesicht geschaut hätte. Stattdessen betrachtete ich unauffällig die schwarzen Rosen, welche aus einem Totenkopf zu wachsen schienen. Das Tattoo war ziemlich gut gestochen, das konnte selbst ich als Unerfahrener feststellen. Auf ihren Armen war kein bisschen Haut mehr zu sehen, denn die beinahe furchteinflößend wirkenden Tätowierungen zogen sich bis hinauf zu ihren Schultern. Ich legte meinen Kopf ein wenig schief, um die Buchstaben zu erkennen, welche auf ihren schlanken Fingern eingraviert waren.

Unexpected Love (boyxboy) Where stories live. Discover now