31.

19.6K 686 72
                                    

Ich bin schon seit einer halben Stunde auf der Suche nach Kyle. Nachdem wir noch ein paar Minuten bei Antoine in der Suite waren und über belangloses Zeug geredet hatten, meinte er irgendwann, dass ich schonmal auf unser Zimmer sollte und dass er gleich nachkommen würde. Das war aber schon mehrere Stunde her und noch immer war er nicht zurück gekommen. Ich hatte mich schon schlafen gelegt, aber als ich Mitten in der Nacht aufgewacht bin und feststellen musste, dass Kyle immer noch nicht gekommen war, hab ich mir wirklich ernsthafte Sorgen gemacht.

Und jetzt gehe ich wie eine Irre durch das Hotel auf der Suche nach ihm. Es war mittlerweile schon halb fünf und draußen fing es schon an langsam hell zu werden. Nur einige Mitarbeiter liefen in Hektik herum, wahrscheinlich um alles vorzubereiten für den heutigen Tag, und andere Gäste waren ansonsten nicht zu sehen.

Ich lief an einer langen Fensterwand vorbei wohinter sich der riesige Pool des Hotels befand und blieb abrupt stehen, als ich was aus dem Augenwinkel wahrnahm, oder besser gesagt jemanden. Ich drehte mich zu der Scheibe und sah dann IHN. Wie er mit einer Flasche, ganz sicherlich was alkoholhaltiges, am Becken Rand saß und immer wieder einen Schluck daraus nahm. Es war hier weit und breit keiner zu sehen und gerade fragte ich mich, was zum Teufel er um diese Uhrzeit hier machte.

Langsam öffnete ich die Glastür und zog meine Schuhe aus, aber natürlich war ich mal wieder so ungeschickt und stolperte fast über meine eigenen Füße. Aber zum Glück konnte ich mich in letzter Sekunde noch davor bewahren auf den Mund zu fliegen.

Mit einem kurzen Blick traute ich mich in die Richtung von Kyle zu schauen und musste glücklicherweise feststellen, dass er dort hinten immer noch nach wie vor seelenruhig dasaß.

Gut. Er hatte es wahrscheinlich nicht mitbekommen.

Es lief hier in der großen Halle ganz leise eine beruhigende Musik im Hintergrund, weshalb er glaub ich meine Schritte nicht hören konnte. Er saß da so ruhig mit dem Rücken zu mir am Beckenrand und ließ seine Füße in dem Pool baumeln. Sein schwarzes Jackett hatte er schon ausgezogen, aber das weiße Hemd spannte noch über seinem breiten Rücken und dessen Ärmel bis zu seinen Ellenbogen hochgekrempelt, genau wie seine schwarze Stoffhose bis zu seiner Wade.

Er tat mir in diesem Moment so leid, wie er da so alleine ganz einsam saß und aus seiner, ich glaube Wodkaflasche trank. Wahrscheinlich gehen ihm gerade tausende Gedanken über seine leiblichen Eltern durch den Kopf.

"Wie lange willst du da noch stehen bleiben?"

Seine tiefe und raue Stimme erschrak mich mal wieder und ich löste mich aus meinen Gedanken. Ich wagte mich einen Schritt vor zu treten und blieb wieder stehen.

"Woher wusstest du, dass ich es bin?"

"Wer sonst ist so tollpatschig und stolpert über seine eigenen Füße?"

"Ey! Der Boden ist hier nun mal sehr rutschig."

"Ja klar." er lachte kurz, verstummte gleich darauf wieder aber und schaute das blau leuchtende Wasser an.

Ganz langsam ließ ich mich neben ihm nieder und tat auch meine Füße in den Pool. Sofort legte sich eine Gänsehaut auf meinen Körper durch das eiskalte Wasser. Es war still und nur die leise Musik und das Rauschen des Wassers war zu hören. Langsam traute ich mich zu Kyle zu schauen und beobachtete ihn von der Seite. Seine Haare lagen ihm Wirr in der Stirn, seine Lippen einen Spalt breit geöffnet und sein Blick auf das Wasser gerichtet. Ich schaute wieder nach vorne und schwankte meine Füße im Wasser hin und her.

"Warum schläfst du nicht Grace?"

"Ich konnte nicht mehr. Warum bist du noch wach?"

"Ich musste nachdenken."

Es blieb eine Weile still zwischen uns bis er die Stille wieder unterbrach.

"Hast du eigentlich Geschwister?" Mein Kopf schoss sofort zu ihm und ich schaute ihn überrascht an.

Hat er mir gerade wirklich von selbst eine Frage gestellt?!

Anscheinend hatte er mein überrascht sein gemerkt und den Grund dafür konnte er sich anscheinend auch denken, denn er verdrehte seine Augen daraufhin.

"Jetzt tu nicht so auf überrascht, nur weil ich eine Frage von selbst gestellt habe."

"Naja, wenn man bedenkt, dass du dich vor ein paar Tagen noch nicht mal nach meinen Namen interessiert hast, ist das schon überraschend." ich musste leicht lachen als ich wieder an den Moment im Auto zurück dachte, wie ich ihn vor einer Woche gefragt hatte, ob er mich nicht mal nach meinen Namen fragen will.

Auch Kyle musste daraufhin leicht grinsen und schaute mich arrogant an, während er sich eingebildet durch die Haare fuhr.

"Tja, mich interessiert niemand außer Leute die ich mag." er zuckte mit seinen Schultern und nahm einen Schluck, während er mich aus dem Augenwinkel beobachtete. Ich zog nur eine Augenbraue an und schüttelte nur grinsend den Kopf über seine Arroganz.

"Also gibst du zu, dass du mich jetzt magst, Kyle?"

"Hmm, mögen? Ahh ich weiß nicht so ganz. Du bist ja irgendwie meine Komplizin jetzt, da muss ich doch besser über dich bescheid wissen, oder nicht?"

Ich schaute ihn entrüstet an und zog meine Augenbrauen gespielt wütend zusammen, während er mich amüsiert angrinste, wobei mir das kleine Grübchen an seiner linken Wange auffiel.

"Jaja, wir wissen beide, dass du mich eigentlich magst Kyle."

"Ich weiß nicht so recht. Tu ich das?"

"Jap."

"Na wenn du es meinst, dann wahrscheinlich schon."

Wir grinsten uns beide an, ehe wir beide anfangen zu lachen. Noch vor ein paar Tagen war dieser Junge vor mir noch so ignorant und kalt, aber jetzt hatte ich das Gefühl, dass ich von Tag zu Tag immer bisschen mehr von seiner offenen Seite zu sehen bekam.

"Aber jetzt ehrlich. Erzähl was über dich, Grace. Meine Story kennst du ja schon."

"Naja, mein Leben ist im Gegensatz zu deinem öde langweilig. Jedenfalls war es bis jetzt gewesen. Ich lebe mit meiner Oma zusammen und gehe noch zur Highschool. Geschwister habe ich keine, aber dafür eine wundervolle beste Freundin, Mae."

"Und was ist mit deinen Eltern?"

"Sie starben kurz nach meiner Geburt an einem Unfall. Seit dem lebe ich bei Granni."

"Oh das tut mir Leid."

"Nein, alles gut. Ich meine, ich kenne es ja nicht anders. Für mich gab es immer nur meine Oma und mich. Ich vermisse sie sehr. Granni und Mae."

"Wenn das hier alles vorbei ist, dann kannst du wieder zurück in dein altes Leben. Das verspreche ich dir." Er legte seine Hand auf meine und drückte sie sanft, was sofort dazu führte, dass mein Körper wieder unter Strom stand. Die mittlerweile bekannte Wärme machte sich wieder bereit und ich lächelte ihn sanft an.

Aber wollte ich denn überhaupt wieder in mein altes langweiliges Leben zurück? Klar will ich wieder Granni und Mae sehen, aber dennoch gefällt es mir hier irgendwie. Mit IHM. Kyle.

"Wir sollten wieder zurück aufs Zimmer." mit diesen Worten stand er auf und nahm die Flasche und sein Jackett in die Hand. Mit einem Nicken stand ich auch auf und folgte ihm stumm zu unserem Zimmer.

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Ich stellte das Wasser ab und stieg aus der Dusche.

Wir waren nach dem Gespräch am Pool wieder zurück aufs Zimmer gegangen gegen 6Uhr, ohne ein Wort miteinander zu reden, und während Kyle sich schlafen gelegt hatte, war ich in die Dusche gestiegen.

Nach dem ich mich mit einem Handtuch abgetrocknet hatte, zog ich mir meine Unterwäsche wieder an und wollte gerade meine Haare trocknen, doch plötzlich hörte ich was lautes.

Oder besser gesagt einen Schuss....

ESCAPE  | ✔Where stories live. Discover now