Kapitel 3

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"Hey...ehm...Esmé, lass das mal lieber.", meinte dann Alex etwas unsicher, als ich mit zusammengebissenen Zähnen eine kleine Scherbe aus meinem Unterarm zog. Verdammt, tat das weh!
Doch ich ignorierte ihn einfach und fing an, die Haut um die oberflächlichen Wunden zu desinfizieren. Was nochmal mehr weh tat! Warum musste ich auch einfach zu blöd sein?!
Auf einmal wurde mir die Kompresse, die ich gerade auf eine Wunde drücken wollte, aus der Hand genommen. Perplex und leicht empört hob ich meinen Kopf und blickte direkt in Alex' Gesicht, in dem sich deutliche Besorgnis widerspiegelte. "Ich meine das ernst - du weißt nicht, wie tief die Wunden sind. Vielleicht müssen manche davon sogar genäht werden. Außerdem warst du auch kurz bewusstlos. Da muss ich dir hoffentlich nicht erklären, dass das unbedingt abgeklärt werden sollte... Also komm, wir bringen dich am besten in die Klinik." Seufzend verdrehte ich die Augen in seine Richtung und war dabei, mir eine weitere Glasscherbe aus meiner Hand zu ziehen, als Alex mich schon wieder stoppte, indem er vorsichtig meine Handgelenke packte. "Esmé, bitte! Das würdest du deinen Patienten genauso erzählen!", meinte er deutlich verzweifelt. Ich warf ihm einen bösen Blick zu. Wie ich diese Überfürsorge doch hasste!
"Mein Gott, das sind nur ein paar Kratzer! Wenn ich die schnell versorge sieht man in ein paar Tagen gar nichts mehr davon. Also lass mich einfach machen... Und Krankenhaus ist jetzt ja wahrlich übertrieben!", rief ich etwas lauter, als gewollt. Alex stöhnte nur leicht auf - er hatte wohl begriffen, dass ich ein ganz schöner Sturkopf war. "Dann lass mich dir wenigstens helfen, okay? Komm, wir gehen rüber in unser Behandlungszimmer, da geht das Ganze hier besser.", gab er schließlich mit unglücklicher Miene nach. Murrend stimmte ich zu. Hatte doch eh keinen Sinn, wenn ich mich jetzt widersetzte. Und immerhin waren meine Schmerzen mittlerweile doch ziemlich stark geworden...
Also stand ich mit etwas wackeligen Beinen auf und setzte an, loszulaufen, wurde jedoch sofort von Alex mit einem:" Mach bitte langsam...", zurückgehalten. Genervt stiefelte ich dann also Alex hinterher, der mich trotzdem noch etwas besorgt am Arm festhielt. Der DGL und der andere Sani folgten uns in den Behandlungsraum, wo ich von Alex sofort auf die Liege gedrückt wurde, was ich nur mit einem deutlich genervten Schnauben kommentierte.

"So! Und jetzt still halten! Haben wir uns verstanden?", fragte, nein sprach Alex, ohne einen Wiederspruch zu billigen. "Ich leg dir jetzt einen Zugang, geb' dir Schmerzmittel und dann versorg' ich deine Wunden und gegebenfalls näh' ich sie auch verstanden?"
Da seine Stimme immer noch so bestimmend war, seufzte ich nur kurz auf, hörte dann aber auf zu meckern. Dann sollte er halt machen - war vielleicht sowieso keine so schlechte Idee.
Also kramte er aus einem der weißen Schränke an der Wand ein Wundset hervor und fing an, die meist oberflächlichen Scherben zu entfernen. Anschließend desinfizierte er noch die Haut um die Wunden und pappte zum Schluss einige Pflaster und Kompressen auf die, nun versorgten, Schnitte. Zum Glück mussten keine der Schnitte genäht werden, was dann doch eine Welle der Erleichterung in mir hervorrief. Darauf hätte ich jetzt echt keine Lust gehabt. Vor allem auch auf die unschönen Narben, die dabei entstanden, denn leider vernarbten bei mir fast alle Verletzungen immer sehr extrem...
Als er fertig war, zog er seine Handschuhe aus, warf sie in den Mülleimer und erlaubte mir dann, mich endlich wieder zu erheben.

Ach! Wie hatte ich das vermisst! Ständig nur mit dem Blick zur Decke herumzuliegen und nichts zu sehen kann nämlich auf Dauer echt frustrierend und unbequem werden. Wer schon mal etwas länger in einem Behandlungsraum auf der Liege lag, kann mich verstehen.
Doch wie das Schicksal es wollte, war ich selbst zum Aufstehen zu blöd! Denn jeder, wirklich jeder, besonders Notfallsanitäter, sollten wissen, dass man sich langsam aufrichten sollte, um dem Körper die Möglichkeit zu geben sich an die Änderungen zu gewöhnen, um den Kreislauf nicht zu überlasten.
Aber ich wär nicht ich, wenn ich all das Wissen aus meinem Kopf ausblenden und wie von nem Moskito gestochen in die Senkrechte fahren und dementsprechend wieder schnurstracks dem Boden entgegen fallen würde.
Zum Glück aber blieben diesmal nicht alle in Schockstarre stehen, sodass mit Alex mit einem überfürsorglichem Blick auffing und langsam zu Boden begleitete. Mit einem "Dein-Ernst? - Du-weißt-wie-rücksichtslos-das-ist!" - Blick beließ er es dabei. Er kontrollierte nur nochmal alle Vitalparameter und half mir dann mich richtig aufzusetzen und später hinzustellen, sodass ich dann auch wirklich wieder sicher stand und wir uns fürs Erste wieder verabschiedeten. Denn auch wenn wir uns erst 10 Minuten kannten, konnte er mich soweit einschätzen, sodass er wusste, wann es keinen Sinn mehr ergab, mir anderen Fummel in den Kopf setzten zu wollen. Auch wenn ich dadurch einen fast empörten DGL neben mir stehen hatte. Aber gut. Irgendwann wird er es auch noch verstehen.
Mit diesen Gedanken richtete ich mich wieder an den DGL in der Hoffnung, dass diese Aktion nicht meine letzte auf der Wache gewesen war.
Aber er nahm es erstaunlich gut auf und begleitete mich weiter durch das Gebäude. Zwar sicherheitshalber stützend, aber immerhin!
Als wir dann wieder im Flur standen, bemerkte ich auf einmal, dass irgendetwas nicht zu stimmen schien, versuchte aber dennoch, den DGL mit einem Gespräch über meine jetzige Wohnlage abzulenken.

Und tatsächlich verschwand das komische Gefühl kurz darauf wieder, sodass wir ohne Zwischenfälle erneut im Büro des DGL's ankamen. Dort waren jedoch immernoch überall die Scherben verteilt. Seufzend blickte Tom auf das Chaos hinab und strich sich einmal kurz durchs Gesicht. Uppsi, da hatte ich aber was angerichtet...
"Du, Esmé, ich würde das hier gerne erst mal kurz sauber machen. Danach können wir gerne unser Gespräch fortführen, ja?", meinte er dann, woraufhin ich stumm nickte. Ich wollte mit meinem Plappermaul meinen, sowieso schon schlechten Eindruck, nicht noch mehr ruinieren. Also stand ich nur blöd daneben, als der DGL den Boden von den Scherben befreite. Denn er hatte mir klar und deutlich gesagt, dass ich das lieber ihm überlassen sollte, damit ich nicht noch mehr Schaden anrichten würde. Super gemacht, Esmé...

Eine ganze Weile später war das Büro endlich wieder scherbenfrei und wir konnten endlich unser Gespräch von vorhin fortsetzten. "Also gut, dann erzähl doch mal ein bisschen was über dich, Esmé.", forderte mich der DGL auf, als wir uns wieder auf der Couch niedergelassen hatten. Ich überlegte kurz, dann fing ich an:" Also gut, ich bin, wie du schon weißt, Esmé Schwarz, 24 Jahre alt und komme aus einem kleinen Kaff in Hessen. Dort bin ich mit meinen Eltern und meinen zwei Brüdern aufgewachsen." Bei den Gedanken an meine Vergangenheit musste ich kurz schlucken, riss mich dann aber schnell zusammen. Ich wollte ja nicht, dass das so wie vorhin endete....
"Ich habe mit 18 mein Abitur gemacht, danach angefangen BWL zu studieren,  aber schnell gemerkt, dass das nichts für mich ist und mit Ende 19 das Studium dann abgebrochen. Dann habe ich mit 20 den RettSan gemacht, was mir dann aber nicht reichte, weil ich einfach gemerkt hatte, das ich mich in diesem Bereich des Blaulicht-Milieus wohlfühle. Dann habe ich die Ausbildung zum Notfallsanitäter angefangen und diese dann auch erfolgreich vor ein paar Monaten abgeschlossen. Naja und jetzt bin ich nur noch auf der Suche nach einer passenden Wache.", schloss ich schließlich meine Erzählung.
"Na das klingt ja schonmal vielversprechend! Ich werde mich nochmal mit einigen Kollegen beraten, aber ich habe keine Bedenken, dass das hier klappt!", meinte er dann, was mich erleichtert aufatmen ließ. Vielleicht hatte ich ja doch nicht alles verbockt! Der DGL vor mir merkte wohl, wie doll ich mich freute, denn er lächelte mich nun ebenfalls an. "Na dann, was hälst du davon, wenn du dich mal deinen zukünftigen Kollegen vorstellst? Also auch die anderen, mal abgesehen von Herrn Hetkamp...", schlug er grinsend vor. Sofort stimmte ich wild nickend zu. Ich hatte es vielleicht tatsächlich geschafft! Ich hatte vielleicht endlich meine zukünftige Wache gefunden! Nein! Nicht vielleicht! Ich hab' sie gefunden! Meinen persönlichen Favoriten! Meine Wache!
Naja- hoffentlich sehen das meine Kollegen ähnlich. Aber das ist erstmal nebensächlich! Ich bin grad einfach nur HAPPY! Happy endlich meinen Beruf hier, in dieser Wache ausleben zu können. Zwar stand das noch nicht zu 100% fest, aber das Gefühl ist entscheidend! Und das war bei mir gerade einfach nicht mehr zu bremsen! ...



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Hallo Zusammen!
Wir hoffen, euch gefällt das Kapitel!
Auf jeden Fall wünschen wir euch einen guten Rutsch und ein schönes neues Jahr 2020!
Feiert schön - aber nicht übertreiben :) (vor allem, was Alkohol angeht *hust hust*)
Und wir sehen uns (hoffentlich) nächstes Jahr wieder!?

LG
~JK-Write

Zukunft ist Vergangenheit - Traurige Wahrheiten || ASDSWo Geschichten leben. Entdecke jetzt